Diversitätsprogramme bergen Gefahr für deutsche Firmen in USA
Amerikas Anti-DEI-Trend gefährdet deutsche Firmen
Initiativen zu Diversität werden für US-Regierung unter Donald Trump zum roten Tuch – Freshfields-Partner Seibt warnt vor Klage- und Kampagnenrisiken
xaw New York
Besuchern der US-Webseite von Aldi Süd fällt dieser Tage eine Veränderung auf. In einem Bereich des Internetauftritts informierte der Discounter Jobinteressenten noch bis Mitte Januar über Initiativen zu Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion (DEI). Unter dem Titel „Aldinclusive“ hieß es dort „Diversität stärkt uns“ – der Einzelhändler warb damit, einen Collegefonds für schwarze oder ein Stipendienprogramm für lateinamerikanische Studenten lanciert zu haben. Nun fehlt der Reiter auf der Webseite, stattdessen ist dort lediglich noch ein Statement zu finden, in dem Aldi Bewerbern Chancengleichheit verspricht.
Trumps brutale Anti-Haltung
In Stellungnahmen bekennt sich der Discounter derzeit recht vage zu einem „positiven Umfeld für alle Mitarbeiter“ und begründet den Wandel im US-Internetauftritt nicht. Doch passt dieser in ein Umfeld, in dem Diversitätsinitiativen in den Vereinigten Staaten unter massiven Druck geraten. US-Präsident Donald Trump hat DEI-Programme über alle Zweige der US-Regierung kurz nach seinem Amtsantritt per Exekutivbeschluss beendet.
Der Oberste Gerichtshof hatte die „Affirmative Action“-Politik von Universitäten, durch die Minderheiten zugehörige Bewerber höhere Aufnahmechancen erhalten sollen, bereits 2023 für verfassungswidrig erklärt. Dies war ebenso gefundenes Fressen für DEI-Kritiker wie die Entscheidung, mit der die US-Börsenaufsicht SEC Diversitätsauflagen der Nasdaq für gelistete Unternehmen kippte.
Nun beeilen sich auch zahlreiche amerikanische Unternehmen wie die Fast-Food-Kette McDonald's, der Autokonzern Ford oder die Einzelhandelsriesen Walmart und Target, ihre DEI-Programme zurückzufahren. Alphabet, der sich zuletzt wie andere Tech-Größen dem Trump-Lager annäherte, teilte am Mittwoch in einer E-Mail an Mitarbeiter mit, im Einstellungsprozess keine Zielquoten für eine Stärkung unterrepräsentierter Gruppen mehr anwenden zu wollen.
Aktivisten setzen Banken unter Druck
Auch Amerikas Banken, wegen der geringen Präsenz kultureller Minderheiten und weiblicher Vertreter auf ihren Führungsetagen lange in der Kritik, hatten ihre Bemühungen um mehr Vielfalt nach der Tötung des Afroamerikaners George Floyd durch einen weißen Polizisten im Jahr 2020 hochgefahren. Nun stehen sie unter Druck durch aktivistische Aktionäre aus dem rechten und reaktionären Spektrum, nach deren Darstellung die Geldhäuser mit ihrem Diversitätsengagement Einfallstore für Diskriminierungsklagen von Kunden und weißen Mitarbeitern öffnen.
Diese Entwicklung sollte laut Experten auch europäischen Firmen zu denken geben. „Das Risiko für deutsche Unternehmen mit signifikantem US-Geschäft und in der Öffentlichkeit besonders hervorgehobenen DEI-Programmen ist nicht vernachlässigenswert“, betont Christoph Seibt, Partner der Kanzlei Freshfields, gegenüber der Börsen-Zeitung. „Wir empfehlen, die häufig gerade im Entwurf befindlichen Nachhaltigkeits- oder Geschäftsberichte jetzt darauf zu prüfen, ob die Darstellungen zu Diversitäts- und Inklusionsprogrammen aus US-Sicht Kampagnen- oder gar Klagerisiken auslösen können.“
Eile tut vor Deadline Not
Unternehmen sollten dabei laut dem Juristen schnell handeln und vor dem 21. Mai nicht auffallen. Denn an diesem Datum läuft eine Deadline ab, die Donald Trump in seinem Exekutivbeschluss zu DEI verhängt hat. Bis dahin müssen staatliche Stellen einen Bericht zur „Umsetzung von Bürgerrechtsgesetzen“ an die US-Regierung formulieren und „andere angemessene Maßnahmen ergreifen, um die Privatwirtschaft zu ermutigen, illegale Diskriminierung und Bevorteilung zu beenden, darunter DEI“, wie es in der Executive Order heißt. Fielen deutsche Unternehmen in den kommenden dreieinhalb Monaten negativ auf, betont Seibt, drohe ihnen ein „Naming und Shaming“ durch die US-Regierung oder republikanische Abgeordnete in Kongressanhörungen.
Derselben Prüfung wie ihre Nachhaltigkeits- und Geschäftsberichte sollten laut dem auch in den Vereinigten Staaten zugelassenen Anwalt sonstige Veröffentlichungen in Wertpapierprospekten, Analystenpräsentationen, Interviews für Führungspositionen oder US-Websites unterliegen. „Zudem sollte geprüft werden, ob die Diversitäts- und Inklusionsprogramme regional zu differenzieren sind“, führt Seibt aus. Insbesondere die Ausarbeitung eines gesonderten US-Programmes könne möglicherweise risikoadäquat und damit sinnvoll sein. Dies gelte insbesondere für Unternehmen, die Aufträge von der Regierung in Washington erhielten.
Höhere Präsenz, größeres Risiko
Für deutsche Unternehmen mit Amerika-Geschäft, die nicht in den USA börsennotiert seien, fielen zwar Kapitalmarktrisiken weg – darunter Anlegerklagen aufgrund einer unzutreffenden Beschreibung der Risiken aus DEI-Initiativen in Berichten, die sie bei der Börsenaufsicht SEC einreichen müssten. Die wesentliche rechtliche Problematik bleibe aber die gleiche. Je bekannter ein Unternehmen in den Vereinigten Staaten sei und umso größere Marktanteile es verfüge, desto größer seien die Risiken durch die Anti-Diversitätsbewegung in der Regel. Viel hänge auch von der bisherigen Reputation als Befürworter von Nachhaltigkeitsinitiativen ab.
Tendenziell werde das Risiko durch Kampagnen nicht nur von Aktionären, sondern auch von Kunden und Geschäftspartnern, unterschätzt. Geschäftsführungen müssten diese bei der Gestaltung von DEI-Programmen und der Art von deren Veröffentlichung regional differenziert berücksichtigen. Sonst drohten Unternehmen ähnliche Gefahren wie Anheuser-Busch Inbev. Der juristisch in Brüssel und operativ in Löwen sowie New York City ansässige Brauereikonzern kämpfte lange mit den Folgen einer Kontroverse um eine Promotionstaktik mit der Transgender-Influencerin Dylan Mulvaney.
Bud Light büßt Status ein
Ein Instagram-Post der Social-Media-Persönlichkeit mit personalisierten Bud-Light-Dosen, die ihr AB Inbev als Geschenk hatte zukommen lassen, sorgte im April 2023 für einen Aufschrei unter konservativen Biertrinkern. Dieser gipfelte in einem wochenlangen Boykott und führte dazu, dass die Marke im Mai ihren Status als meistverkauftes Bier der Vereinigten Staaten einbüßte. Aldi Süd, seit 1976 auf dem US-Markt aktiv und dort mit über 2.000 Filialen vertreten, kann solche Verwerfungen sicher nicht gebrauchen.
Aldi Süd streicht ein Bekenntnis zu Diversität von ihrer US-Webseite. Damit reiht sie sich in den Anti-DEI-Trend unter der neuen Regierung in Washington ein. Dieser birgt laut Experten erhebliche rechtliche Risiken für Unternehmen. Nun müssten Firmen schnell ihre Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichte überprüfen.