Siemens

Dritte Erhöhung der Prognose im Geschäftsjahr

Die Auftragsflut im dritten Quartal des Geschäftsjahres (30. September) beschert Siemens teilweise eine Vollauslastung der Fabriken. Die Kunden ordern teilweise auch aus Angst vor Engpässen.

Dritte Erhöhung der Prognose im Geschäftsjahr

mic München

Siemens profitiert von einem Nachfrageboom. Im dritten Quartal des Geschäftsjahres stieg der vergleichbare Umsatz um 21% auf 16,1 Mrd. Euro und der Auftragseingang um 44% auf 20,5 Mrd. Euro. Zwar war das Vorjahresquartal besonders von der Pandemie geprägt gewesen, so dass die Steigerungsraten verzerrt sind. Aber das Verhältnis von Auftragseingang zu Umsatz demonstriert dennoch den Boom. Es lag nun mit 1,27 deutlich über dem Niveau vor Pandemiebeginn (siehe Grafik). „Ein toller Wert“, kommentierte Vorstandsvorsitzender Roland Busch in einer Telefonpressekonferenz. Finanzvorstand Ralf Thomas sprach von einem „sehr dynamischen Bestellverhalten unserer Kunden“.

„China war erneut ein entscheidender Wachstumsmotor“, sagte Busch. Im dritten Quartal erhöhte sich der dortige Siemens-Umsatz um 14% und der Auftragseingang um 32%. Aber auch der Umsatz in Europa (24%) und den USA (19%) legte deutlich zu, wenngleich die Pandemie im Vorjahr dort das Volumen gedrückt hatte.

Ein Teil der großen industriellen Nachfrage resultiere aus dem Aufbau von Lagerstätten und Reserven bei den Kunden, sagte Busch: „Damit federn sie anhaltende Risiken in ihren globalen Lieferketten ab.“ Die Kunden seien besorgt über die Verknappung von elektronischen Bauteilen und eine Verlängerung der Lieferzeiten, detaillierte Thomas. Sein Bauchgefühl sei, dass ein Zehntel der Wachstumsraten auf diesen Faktor zurückgehen könne.

Busch rechnet zwar künftig mit einem moderateren Anstieg in China, aber trotzdem mit der Fortsetzung der vorteilhaften gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Thomas prognostizierte für die nächsten Quartale in der Kernsparte Digital Industries ein verbessertes Investitionsklima in einer Vielzahl von Branchen. Selbst die Nachfrage aus der Luft- und Raumfahrt habe jetzt ihre Talsohle erreicht.

Höhere Materialkosten

In verschiedenen Bereichen seien die Siemens-Fabriken inzwischen voll ausgelastet, erklärte Busch. Die Folge: „Längere Lieferzeiten und ein höherer Auftragsbestand vor allem bei unseren kurzzyklischen Produkten für die Automatisierung.“

Siemens sehe anhaltend höhere Kosten für Rohstoffe, Bauteile und bei der Fracht, sagte Busch. Dies setze sich voraussichtlich im nächsten Geschäftsjahr fort. Der Gegenwind steigender Rohstoffpreise habe durch Preisgleitklauseln in den Kundenverträgen, Absicherung und Preisanpassungen teilweise ausgeglichen werden können, so Thomas. Die Sonderbelastung für Siemens bezifferte er im Gespräch mit Analysten auf einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag.

Busch betonte, Siemens wolle das starke Momentum strategisch nutzen. Die Sparte Digital Industries habe im dritten Quartal fünf Software-Unternehmen für etwas mehr als 100 Mill. Euro erworben. In der Bahntechnik kündigte Siemens den Kauf des Software-Spezialisten Squills an. Für das 40-Mill.-Euro-Unternehmen zahlen die Münchner 550 Mill. Euro (siehe Bericht auf der Personenseite). Der Konzern stellt sich aber auch operativ auf die hohe Nachfrage ein. Die Ausgaben für Vertrieb und Verwaltung stiegen im dritten Quartal um 12%.

Siemens erhöhte die Prognose zum dritten Mal im laufenden Geschäftsjahr (30. September). Der Umsatz, bereinigt um Währungs- und Portfolioeffekte, soll nun um 11 bis 12% statt um 9 bis 11% steigen. In den ersten neun Monaten legten die vergleichbaren Erlöse um 12% zu. Im dritten Quartal betrug das Plus sogar 21%. In absoluten Zahlen stieg der Umsatz um 24% nur ein wenig stärker an, aber die Bereinigungen überdecken starke Verschiebungen. Währungsumrechnungseffekte senkten den Umsatz um drei Prozentpunkte, während die Erstkonsolidierung des Strahlentherapie-Spezialisten Varian für einen Anstieg um sechs Punkte sorgte.

Auch der Ausblick für das Nettoergebnis wurde erhöht. Der Gewinn soll nun 6,1 bis 6,4 Mrd. Euro betragen statt 5,7 bis 6,2 Mrd. Euro, obwohl die Ziel-Bandbreiten der operativen Margen im Kerngeschäft der AG nicht erhöht wurden. Thomas verwies einerseits darauf, dass die Sparte Smart Industries nun die obere Hälfte ihrer Bandbreite von 11 bis 12% erreichen soll. Andererseits soll die Steuerquote, nachdem im dritten Quartal Ertragsteuerrückstellungen aufgelöst wurden und die Steuerquote auf 19% sank, im Gesamtjahr nur 25% betragen (Prognose zuvor 24% bis 28%).

Thomas verwies auch darauf, dass die nicht fortgeführten Aktivitäten einen Gewinn von knapp 1 Mrd. Euro betragen sollen. Dies entspricht dem Niveau nach neun Monaten, das von dem Flender-Verkauf geprägt ist. Das Sparprogramm soll die Kosten der Zentrale und Pensionen von 1,1 Mrd. Euro auf rund 900 Mill. Euro drücken. Den negativen Einfluss des Varian-Kaufs im Gesamtjahr bezifferte Thomas auf knapp 350 Mill. Euro (zuvor 300 bis 500 Mill. Euro prognostiziert). Davon fielen 177 Mill. Euro im dritten Quartal an. Wie mittlerweile bei Siemens üblich lieferte Thomas auch eine Einschätzung der Sparten-Performance im aktuellen Quartal. Demnach soll Digital Industries von Anfang Juli bis Ende September ein hohes einstelliges vergleichbares Umsatzwachstum liefern. Im dritten Quartal betrug es 17%, nach neuen Monaten sind es 12%. Nachdem die Ergebnismarge im dritten Quartal mit 20,3% um 1,5 Punkte gestiegen ist, wenn man die gewinnbringende Bentely-Neubewertung im Vorjahresquartal herausrechnet (5,7 Punkte), erwartet Thomas im vierten Quartal eine leicht sinkende Marge.

Mittelzufluss verstetigt

Die Sparte Smart Infrastructure soll den vergleichbaren Umsatz im vierten Quartal ebenfalls im hohen einstelligen Prozentbereich steigern, nachdem sie im dritten Quartal ein Plus von 15% und nach neun Monaten 9% meldete. Trotz des Gegenwinds durch höhere Rohstoffpreise werde die Ergebnismarge leicht über das Niveau des dritten Quartals von 9,0 (i.V. 7,1)% steigen.

Die Sparte Bahntechnik habe eine vielversprechende Projekt-Pipeline, sagte Thomas (siehe Bericht auf der Personenseite). Siemens Healthineers (Siemens-Anteil 75%) hatte in der vergangenen Woche ebenfalls die Prognose erhöht (vgl. BZ vom 31. Juli), während Siemens Energy (Siemens-Anteil 35%) die Vorhersage senken musste (vgl. BZ vom 5. August).

Thomas wies darauf hin, dass er beim Free Cash-flow kein „September-Wunder“ erwarte – also ein Anschwellen des Mittelzuflusses im Schlussmonat des Geschäftsjahres. Die Entwicklung verstetige sich vielmehr. In den ersten neun Monaten stieg der Free Cash-flow um 69% auf 4,5 Mrd. Euro. Die Ratingagentur Moody’s hatte den Ausblick kürzlich wieder auf „stabil“ heraufgesetzt.

Siemens
Konzernzahlen nach IFRS 1
3. Quartal  
in Mill. Euro2020/212019/20
Auftragseingang20 48613 906
Umsatz16 08512 979
Forschung/Entwicklung1 2201 087
Vertrieb/Verwaltung2 9402 519
Angepasstes Ebita industrielle Geschäfte2 3191 792
Steuern332409
Gewinn fortgeführte Aktivitäten1 376938
Ergebnis nicht fort-geführte Aktivitäten105–403
Nettoergebnis1480535
Erg. je Aktie (Euro) 2, 31,680,67
Kapitalrendite (%)311,23,9
Freier Cash-flow32 2742 464
Nettoschulden315 93710 1894
Mitarbeiter (Tsd.) 32992934
1 ) Fortgeführte Aktivitäten, Geschäftsjahr endet am 30. September; 2 ) unverwässert;3) inklusive nicht fortgeführte Aktivitäten;4) zum 30. September Börsen-Zeitung