Im GesprächDussmann-CFO Dieter Royal

„Unsere Branche braucht Migration“

Die Dussmann Group macht den Großteil ihres Umsatzes mit Gebäudedienstleistungen, doch auch Pflegeheime und ein Kulturkaufhaus gehören zur Gruppe. CFO Dieter Royal erklärt im Gespräch, welche Vorzüge das Familienunternehmen in der breiten Aufstellung sieht und wieso ihm rechtspopulistische Positionen Sorgen bereiten.

„Unsere Branche braucht Migration“

Serie Zuversicht statt German Angst: Gespräch mit Dieter Royal (1)

„Unsere Branche braucht Migration“

Der CFO der Dussmann Group über das breite Geschäftsportfolio, Innovationen und motivierte Beschäftigte

sar Frankfurt
Von Sabine Reifenberger, Frankfurt

Die Dussmann Group macht den Großteil ihres Umsatzes mit Gebäudedienstleistungen, doch auch Pflegeheime und ein Kulturkaufhaus gehören zur Gruppe. CFO Dieter Royal erklärt im Gespräch, welche Vorzüge das Familienunternehmen in der breiten Aufstellung sieht und wieso ihm rechtspopulistische Positionen Sorgen bereiten.

Während börsennotierte Konzerne sich gern möglichst fokussiert präsentieren, geht das Familienunternehmen Dussmann einen anderen Weg: Die Gruppe, die 2023 mit mehr als 68.000 Beschäftigten in 21 Ländern einen Konzernumsatz von 3 Mrd. Euro erzielt hat, ist in unterschiedlichen Bereichen unterwegs. Kleinster gemeinsamer Nenner: Im weitesten Sinne geht es um Dienstleistungen.

Der größte Geschäftsbereich der Dussmann Group setzte zuletzt mit Gebäudedienstleistungen, Catering-Services und technischen Dienstleistungen rund 2,5 Mrd. Euro um. Eine halbe Milliarde Euro Umsatz entfiel auf den Bereich „Care & Kids“, der Pflegeeinrichtungen für Senioren und betriebsnahe Kinderbetreuung anbietet. Gut 40 Mill. Euro Umsatz steuert das Medienkaufhaus „Dussmann – das Kulturkaufhaus“ in Berlin bei. Das Portfolio ähnelt einem bunten Strauß – und das hat Vorteile, sagt CFO Dieter Royal im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Im Familienunternehmen geht es auch darum, nicht alle Eier in einen Korb zu legen.“

Im Familienunternehmen geht es auch darum, nicht alle Eier in einen Korb zu legen.

Dieter Royal, Dussmann Group

Der Finanzchef kam im Sommer 2017 zur Dussmann Group, zuvor arbeitete er unter anderem bei Tognum (heute Rolls-Royce Power Systems). „Der Schritt in ein Familienunternehmen erforderte schon ein Umdenken“, sagt er rückblickend. Während im börsennotierten Unternehmen die Quartalsberichte wichtige Stichtage lieferten, gehe es nun um die Langfristperspektive. Die Vorstände der Dussmann Group berichten an einen Stiftungsrat mit sechs Mitgliedern, in dem die Familie neben externen Mitgliedern vertreten ist. Diese Aufstellung soll für Kontinuität sorgen.

Langfristiger Blick

Die breite Aufstellung erhöht zwar die Komplexität, bietet Royal zufolge aber auch Vorzüge: „Kriselt ein Bereich, kann man dies mit anderen Geschäftsbereichen ausgleichen.“ Zurzeit ist die Lage im Pflegebereich angespannt. Viele Einrichtungen ächzen unter den gestiegenen Kosten, mehrere große Pflegeheimbetreiber mussten in den zurückliegenden Monaten Insolvenz anmelden. Der langfristige Blick des Familienunternehmens sei in dieser Situation hilfreich, findet Royal: „Die Demografie kann niemand leugnen. Der Bedarf nach Pflegeplätzen wird weiter steigen, und im Moment ist das Angebot rückläufig. Bei allen regulatorischen Herausforderungen bin ich überzeugt, dass man in dieser Branche nachhaltig wirtschaftlich arbeiten kann.“ Wenn es so weit sein wird, wolle man bereit sein.

Starkes Wachstum durch Zukäufe

Seit 2018 ist Dussmann auch durch Zukäufe stark gewachsen, der Konzernumsatz hat sich in dem Zeitraum von 2 Mrd. auf 3 Mrd. Euro gesteigert. Zuletzt verstärkte Dussmann sich im technischen Bereich mit Anbietern für Elektro- und Kommunikationstechnik und industrielle Prozessautomatisierung. Damit reagiert Dussmann auch auf das Kundenverhalten. In Ausschreibungen werden immer häufiger die Aufträge für Gebäudereinigung und technische Wartung gebündelt vergeben. Der Umsatzanteil mit technischen Dienstleistungen liegt inzwischen bei mehr als 20% des Konzernumsatzes.

Das Kulturkaufhaus ist ein vergleichsweise kleiner Posten in der Umsatztabelle, in der breiten Öffentlichkeit ist es aber einer der bekanntesten Geschäftsbereiche. Foto: Dussmann Group

„In den vergangenen Jahren war jeweils etwa ein Viertel des Umsatzwachstums zugekauft, der Rest waren organische Steigerungen“, sagt Finanzchef Royal. Die Dussmann Group ist schuldenfrei, feste Budgetvorgaben für M&A gibt es nicht. In der Regel kaufe man aber eher kleinere Nischenkompetenzen dazu, erklärt der CFO. „Wir sind in unserer Finanzpolitik ein sehr konservatives Unternehmen.“ Die typische Größenordnung für Zukäufe liege bei 10 bis 40 Mill. Euro.

Auch Joint Ventures sind ein Weg. So hat Dussmann zusammen mit dem israelischen Cybersicherheits-Spezialisten Code Blue ein deutsches Joint Venture aus der Taufe gehoben, um das Portfolio neben physischen Sicherheitsdiensten um Angebote für Cybersicherheit zu erweitern. Das zusammen mit Mainova gehaltene Ladesäulen-Start-up Chargemaker hat Dussmann kürzlich an Ista verkauft.

Als CFO bin ich für das finanzielle Nachhaltigkeitsreporting zuständig und sehe natürlich den enormen Aufwand, der dadurch entsteht.

Dieter Royal, Dussmann Group

Neben technischen Services liegt ein Fokus auf dem Thema Nachhaltigkeit. Die steigenden regulatorischen Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung, etwa durch die CSRD, sind für Royal Herausforderung und Chance zugleich: „Als CFO bin ich für das finanzielle Nachhaltigkeitsreporting zuständig und sehe natürlich den enormen Aufwand, der dadurch entsteht“, sagt Royal. Gerade die kleineren Mittelständler hätten mit dem Thema typischerweise noch mehr zu kämpfen. Für den Dienstleister Dussmann steckt darin aber auch eine Geschäftschance. „Die ESG-Werte des Immobilienbestands spielen für die Nachhaltigkeitsstrategie eine große Rolle.“

Dafür müssten Daten erfasst und ausgewertet werden. „Das ist eine klassische Dienstleisteraufgabe, die wir in unser Portfolio aufnehmen.“

Engagement für Vielfalt

Öffentlich positioniert sich das Unternehmen, das 2023 sein 60-jähriges Bestehen feierte, stark für Vielfalt und Offenheit. Als Familienunternehmen mit deutschen Wurzeln spielt der Heimatmarkt eine wichtige Rolle. „Wir haben hier einen breiten Mittelstand, viel Industrie, viele Verwaltungsstandorte – all das sind unsere Kunden“, erklärt Royal. Damit das so bleibt, engagiert sich die Dussmann Group in der Wirtschaftsallianz „Wir stehen für Werte“.

Das Erstarken rechtspopulistischer Positionen bereitet Royal Sorgen: „Unsere Branche braucht Migration“, betont er. Andernfalls entstünde eine große Personallücke. In der Gebäudereinigung etwa habe die Mehrzahl der Beschäftigten einen Migrationshintergrund. „Wir brauchen diese Mitarbeiter, zugleich ist der Einstieg in den Arbeitsmarkt für viele ein wichtiger Schritt zur Integration.“

Für die kommenden Jahre hat sich die Gruppe eine „Road to 2030“ als strategischen Rahmen gesetzt. Ein zentraler Bestandteil sind Innovationen. Aber wie überblickt man die Zukunftsthemen in einem so divers aufgestellten Unternehmen? „Es ist schon herausfordernder als in einem Single-Product-Unternehmen“, räumt Royal ein. „Ich finde es aber auch spannender, weil man einfach breiter auf die Themen schaut.“

Vor zwei Jahren hat die Dussmann Group ein zentrales Innovationsmanagement aufgesetzt. „Es gab immer schon sehr viele Innovationen in einzelnen Ländern oder Sparten, aber die Entwicklungen haben sich dann nicht immer durch die gesamte Gruppe gezogen“, sagt Royal. Dies werde nun stärker koordiniert. Moderne Technologien und ein innovatives Arbeitsumfeld seien zudem ein wichtiger Faktor für die Motivation der Beschäftigten – und die ist aus Sicht des CFO zentral. „Ob sie nun in der Gebäudereinigung, der Pflege oder im Anlagenbau unterwegs sind – wir brauchen überall motivierte Leute. Das ist ein Faktor, der alle Geschäftsbereiche vereint.“