E-Commerce-Verband geht von 2,5 Prozent Wachstum aus
E-Commerce-Verband geht von 2,5 Prozent Wachstum aus
Online-Umsatz mit Waren im Vorjahr erstmals seit 2021 wieder gestiegen – Kritik an Plattformen chinesischer Herkunft
md Frankfurt
Die Talsohle im Online-Handel scheint durchschritten. Der Bruttoumsatz mit Waren im deutschen E-Commerce-Handel ist im vergangenen Jahr erstmals seit 2021 wieder gestiegen und erreichte 80,6 Mrd. Euro; das entspricht einem Plus von 1,1% im Vergleich zum Vorjahr. Im Verlauf von 2025 erwarten der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (BEVH) und das EHI Retail Institute in einer gemeinsamen Prognose eine Fortsetzung der Erholung und ein nominales Wachstum im Online-Handel mit Waren von 2,5%, wie der Verband in einem Pressegespräch mitteilte. Der E-Commerce-Umsatz mit digitalen Dienstleistungen kletterte von 2023 auf 2024 um 6,1% auf 13,5 Mrd. Euro. Der Verband spricht hier von einer „Normalisierung nach den teils starken Nachholeffekten der vergangenen Jahre". Für dieses Segment gibt der BEVH keine Prognose für das laufende Jahr ab.
Keine Impulse durch Fußball-Europameisterschaft
Etwas enttäuscht zeigte sich Gero Furchheim, Präsident des BEVH, vor Medienvertretern über die ausgebliebenen Impulse durch die Fußball-Europameisterschaft der Männer zur Jahresmitte 2024 und den fehlenden Blockbuster – etwa „eine Spielkonsole, die jeder haben will“ – im jüngsten Weihnachtsgeschäft.
Dass der E-Commerce mit Waren wieder wächst, bewertet Furchheim, seit kurzem auch Präsident des europäischen Dachverbandes E-Commerce Europe, angesichts der anhaltend schlechten Konsumstimmung in Deutschland positiv.
„Wir erwarten ein andauerndes und mittelfristig verstärktes Wachstum für unsere Branche“, so Furchheim. Er wies jedoch auf die Gefahren für die Fortsetzung der Erholung hin: „Ein Risiko wären neue Krisen, Unsicherheiten beispielsweise im Umfeld der Bundestagswahl und weitere geopolitische Spannungen.“ Umgekehrt könnte es auch besser laufen, als der Verband prognostiziert: "Bei positiven Impulsen besteht das Potenzial zu einem schnelleren Wachstum, insbesondere weil viele Konsumenten mit einer hohen Sparquote Rücklagen gebildet haben.“
Anteil am gesamten Einzelhandel bei 10 Prozent
Der Anteil des Online-Handels mit Waren am gesamten Einzelhandel im engeren Sinn (inklusive Lebensmittel, aber ohne Apotheken-Umsätze) lag 2024 im Vorjahresvergleich kaum verändert bei 10,1 (i.V. 10,2)%.
Die Zahl derjenigen, die künftig mehr Geld für Käufe im Internet ausgeben wollen, stieg 2024 im Jahresmittel um 1,3 Prozentpunkte auf 7,5 (6,2)%; im vierten Quartal lag sie mit 11,3% ungewöhnlich hoch, wie die Auswertung der wöchentlichen Verbraucherbefragung „Interaktiver Handel in Deutschland“ ergab, die von Januar bis Dezember bei 40.000 Privatpersonen aus Deutschland durchgeführt wurde.
Im Vergleich der Versendertypen gibt es starke Unterschiede: Die Umsätze über Online-Marktplätze – davon gebe es in Deutschland inzwischen mehr als 200 – stiegen 2024 um 4,7% auf 44 Mrd. Euro, während die Erlöse von Online-Pure-Playern (–3,6%), Multichannel-Händlern (–2%) und Herstellerversendern bzw. Direktvertriebsanbietern (–2,3%) zurückgingen. Insgesamt legte der Marktanteil der Online-Marktplätze nach BEVH-Angaben weiter auf 55 (53)% zu.
Kritik an Temu, Shein, Aliexpress & Co.
„Das Branchenwachstum kommt nicht nur hiesigen Händlern zugute, sondern auch Plattformen mit chinesischer Herkunft“, erläuterte Furchheim. 2024 hätten die Anbieter Temu, Shein und Aliexpress zusammen bereits 5,8 (2,0)% aller Bestellungen ausgemacht; der Umsatzanteil sei „etwas geringer“. Der BEVH-Präsident sparte jedoch nicht mit Kritik: „Die EU muss endlich wirksam durchsetzen, dass über diesen Weg keine unsicheren Produkte in den Markt drängen oder unfaire Wettbewerbsvorteile durch nicht gezahlte Steuern oder Zölle entstehen.“
„Wir haben kein Regelungs-, sondern ein Vollzugsdefizit. Immer wieder sehen wir, dass selbst Behörden nicht überblicken, welche Regelwerke bestehen."
Gero Furchheim, Präsident des BEVH
„Asiatische Plattformen müssen sich an unsere Regeln und Gesetze halten", betonte Furchheim. „Wir haben kein Regelungs-, sondern ein Vollzugsdefizit." Die EU habe in den vergangenen Jahren einen Gesetzesrahmen geschaffen, der weit genug reiche. „Immer wieder sehen wir, dass selbst Behörden nicht überblicken, welche Regelwerke bestehen.“ Deshalb forderte er „mehr Manpower für die Rechtsdurchsetzung und digitale Systeme“. Falschdeklarationen müssten bekämpft und das neue Zollsystem Import Control System 2 (ICS2) ausgebaut werden, um effektive Handelsschranken für illegale Produkte durchzusetzen.
Verkäufe über Social Media und erstarkender Re-Commerce machen Hoffnung
Zwei Wachstumsfelder tragen laut dem BEVH zum wachsenden Optimismus der Online-Händler besonders bei: der Verkauf über Social Media und der erstarkende Re-Commerce, also der Handel mit gebrauchten und wiederaufbereiteten Artikeln. In einer Sonderbefragung gaben demnach 64% der 14- bis 29-Jährigen und immerhin jeder Fünfte im Cluster 60 Jahre oder älter an, nach einem Impuls auf Social-Media-Plattformen eingekauft zu haben. Unterdessen unterstreichen die Re-Commerce-Anbieter den Angaben zufolge die wachsende Bedeutung der Online-Handels für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft. Erste Ergebnisse einer im Sommer erscheinenden Studie des BEVH hätten ergeben, dass jeder Zweite Waren in den vergangenen zwölf Monaten bereits online erworben (55%) oder verkauft (52,4%) hat.