E-Rezept bringt Shop Apotheke Wachstumsschub
IM GESPRÄCH: OLAF HEINRICH
E-Rezept bringt Shop Apotheke Wachstumsschub
Hohe Marketingkosten setzen Marge unter Druck – CEO von Redcare Pharmacy setzt auf Wachstum aus eigener Kraft
Das E-Rezept hat Redcare Pharmacy, besser bekannt als Shop Apotheke, den erhofften Wachstumsschub gebracht. Um die Marktführerschaft auszubauen, muss aber auch tief in die Tasche gegriffen werden, wie Vorstandschef Olaf Heinrich im Gespräch erläutert. Akquisitionen sind im Strategieplan nicht vorgesehen.
Von Annette Becker, Köln
„Ich halt‘ doch einfach nur die Karte dran.“ Wer kennt sie nicht, die Werbebotschaft von Shop Apotheke, die Günther Jauch allabendlich quer über alle Fernsehsender in Deutschlands Haushalten verbreitet. Dass Shop Apotheke mit dem bekannten Moderator als Testimonial einen echten Werbecoup gelandet hat, lässt sich unschwer an der Entwicklung der Umsatz- und Kundenzahlen im Geschäft mit verschreibungspflichtigen Medikamenten (Rx) ablesen.
Allein im ersten Quartal wuchs die aktive Kundenbasis konzernweit um 0,6 Millionen auf 13,1 Millionen Nutzer, der Rx-Umsatz in Deutschland hat sich auf 108 Mill. Euro nahezu verdoppelt. Inzwischen zählt die Versandapotheke 1,1 Millionen Rx-Kunden.
In der Pole-Position
Was sich Redcare Pharmacy, das Unternehmen hinter Shop Apotheke, die Kampagne kosten lässt, will CEO Olaf Heinrich im Gespräch mit der Börsen-Zeitung nicht verraten. „Die Kampagne mit Günther Jauch hilft uns, die Marke Shop Apotheke und e-RX in der relevanten Zielgruppe bekannter zu machen“, belässt es Heinrich lieber im Allgemeinen. Fakt ist dagegen, dass Shop Apotheke im vorigen Jahr mit wehenden Fahnen am größten Wettbewerber DocMorris vorbeigezogen ist und inzwischen die Marktführerschaft für sich reklamiert. Vor Start des E-Rezepts lagen die beiden Versandapotheken gleichauf.
Zwar nimmt sich der Marktanteil mit 0,88% bescheiden aus, doch wird der Apothekenmarkt hierzulande – nicht zuletzt aufgrund des Fremdbesitzverbots – von stationären Apotheken beherrscht. Das Marktvolumen für verschreibungspflichtige Arzneien wird in Deutschland auf 55 Mrd. Euro taxiert. Davon entfielen heute etwa 1,7% auf den Versandhandel, schätzt Heinrich. Nach Branchenschätzungen dürften daraus über die Zeit 10% werden.
Die entscheidende Frage ist, wie schnell der Einsatz zurückkommt.
Olaf Heinrich
Der Erfolg von Redcare Pharmacy liegt nach Einschätzung von Heinrich auch darin begründet, dass das Unternehmen noch vor Einführung der Cardlink-Lösung, die den Online-Apotheken erst den Zugang zum E-Rezept eröffnete, massiv ins Marketing investierte. Am Anfang sei es vor allem darum gegangen, Patienten auf die alternative Lösung zur stationären Apotheke aufmerksam zu machen. Danach muss der Kunde noch aus seiner gewohnten Routine, dem Gang zur Apotheke im Anschluss an den Arztbesuch, herausgeholt werden.
„Im Online-Geschäft muss man immer vorne investieren. Die entscheidende Frage ist, wie schnell der Einsatz zurückkommt“, sagt Heinrich. Das ist im Online-Geschäft eine maßgebliche Steuerungskennzahl. Welche Vorgabe bei Redcare Pharmacy gilt, will Heinrich jedoch nicht sagen. Zwar koste der Rx-Kunde mehr in der Akquise. Da es sich jedoch vornehmlich um chronisch kranke Menschen handele, liefere der Rx-Kunde auch das 4,7-Fache an Umsatz im Jahr im Vergleich zum Non-Rx-Kunden.
Jetzt werden die Marktanteile verteilt
Das Rennen um die Pole-Position läuft seit einem Jahr und Heinrich weiß, dass die Marktanteile jetzt verteilt werden. Daher gelte es jetzt, die Marketingkosten hochzufahren, um Wachstum zu generieren. Klar, dass das Marge kostet. Nicht grundlos hatte Redcare Pharmacy im vorigen Herbst die Prognose gekappt, um mehr Geld ins Marketing pumpen zu können. Doch Heinrich ist überzeugt, mit der Prognose für 2025 „eine gute Balance zwischen Wachstum und Ergebnis gefunden“ zu haben.
Doch es bleibt eine Gratwanderung. Mittelfristig hat die Versandapotheke eine operative Marge auf Basis des Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 8% versprochen. Für 2025 stehen allerdings nur 2 bis 2,5% im Plan, nach 1,4% im Vorjahr. Dabei hat es die Versandapotheke nach eigenem Bekunden selbst in der Hand, wann das Margenziel erreicht wird. „So lange wir zu vernünftigen Kosten wachsen können, tun wir das. Dadurch bauen wir die Marktführerschaft aus“, sagt Heinrich und ergänzt: „Wir haben eine klare Wachstumsstrategie, die wir ohne Akquisitionen umsetzen können.“
Der Marktführer profitiert immer.
Olaf Heinrich
Die Marktführerschaft ist im Online-Handel mit vielen Vorzügen verbunden: „Der Marktführer profitiert immer, sei es über Markenbekanntheit, das Verhältnis zur Industrie oder durch Größenvorteile in der Logistik“, weiß Heinrich, der nicht nur ausgewiesener Versandhandelsprofi ist, sondern auch zwölf Jahre an der Spitze von DocMorris stand. Angesichts der Festpreisverordnung, die hierzulande für verschreibungspflichtige Medikamente gilt, lassen sich im Einkauf zwar keine Mengenrabatte verhandeln, doch ist der generierte Traffic ein nicht zu unterschätzender Faktor – Stichwort: Retail Media.
Retail Media lohnt sich
Das gilt zwar nicht für das Rx-Geschäft, sehr wohl aber für apothekenpflichtige Produkte und Marken, die nur über Apotheken vertrieben werden, beispielsweise Vichy. Ein funktionierender Online-Händler braucht nach Einschätzung von Heinrich drei Komponenten für den Erfolg: das eigene Handelsgeschäft, einen Marktplatz und Retail Media. Letzteres ist nicht nur ein schnell wachsender Markt, sondern noch dazu ein hochprofitabler.
Zu Umsatz und Ergebniszahlen jenseits des eigenen Handelsgeschäfts gibt sich Heinrich gleichwohl zugeknöpft. Es lässt sich nur erahnen, wie groß der Wettbewerbsdruck im Markt ist. Davor fürchtet sich Heinrich jedoch nicht. „Wir fühlen uns optimal im Wettbewerb aufgestellt, weil wir als Apotheke und nicht als Plattform positioniert sind“, sagt der Manager. Von daher hat er sich – anders als seine Investoren – auch keine großen Sorgen gemacht, als die Drogeriekette dm Ende 2024 bekannt gab, in den Versandhandel mit verschreibungsfreien Medikamenten einzusteigen.