Sport und Finanzen

E-Sports wird zur Anlagechance

Bei E-Sports-Turnieren fahren Gamer enorme Preisgelder ein. Dies unterstreicht laut Analysten das Umsatzpotenzial am Videospielmarkt – aus dem sich gewaltige Anlagechancen ergäben.

E-Sports wird zur Anlagechance

Von Alex Wehnert, Frankfurt

Das Publikum in der Mercedes-Benz-Arena von Schanghai ist auf den Beinen, Nebelkanonen zünden, es regnet Konfetti. In diesem Glanz sonnt sich nicht etwa ein Boxchampion oder ein Basketball-Team, sondern eine Gruppe aus mageren jungen Männern und einer Frau, die soeben das am höchsten dotierte Videospiel-Turnier der Welt gewonnen haben: Für den Sieg bei „The International 2019“ erhielten die Mitglieder des Teams „OG“ 15,62 Mill. Dollar an Preisgeld, insgesamt wurden bei der Veranstaltung 34 Mill. Dollar an die Teilnehmer ausgeschüttet.

Erlöse ziehen kräftig an

Diese Summen, die weitaus höher ausfallen als zum Beispiel beim prestigeträchtigen Golfturnier „The Masters“, unterstreichen die gewaltige Popularität von E-Sports, dem sportlichen Wettkampf mit Videospielen. So geht der Analysedienstleister Newzoo davon aus, dass sich der globale Umsatz mit E-Sports im Jahr 2024 auf über 1,6 Mrd. Dollar belaufen wird – 2019 summierte er sich noch auf 957,5 Mill. Dollar. Die globalen Zuschauerzahlen sollen demnach im gleichen Zeitraum von 397 Millionen auf 577 Millionen Menschen klettern.

Dieses starke Wachstum bietet laut Analysten Investmentgelegenheiten, die auch Fondsanbieter zu nutzen suchen. Der Assetmanager Van Eck ist beispielsweise seit Juni 2019 mit seinem „Video Gaming and E-Sports ETF“ im Segment aktiv, der inzwischen auf ein Volumen von über 670 Mill. Dollar kommt. Wettbewerber Global X ließ im Dezember 2020 einen eigenen „Video Games and E-Sports ETF“ folgen. An der Be­zeichnung der beiden Indexfonds zeigt sich unterdessen auch, dass sich das Anlagethema E-Sports zumindest für Marktteilnehmer, die kein mühsames Stockpicking betreiben wollen, kaum vom Videospielmarkt insgesamt trennen lässt.

Für Investoren muss dies nicht negativ sein, schließlich gilt Gaming als Wachstumssegment, das von technologischen Entwicklungen profitiert. Besonders im Fokus stehen dabei Fortschritte auf dem Weg zu einem Metaversum, einer dreidimensionalen digitalen Welt, in der Menschen wie im echten Leben miteinander interagieren können sollen. Microsoft begründete die milliardenschwere Übernahme des Videospieleentwicklers Activision Blizzard beispielsweise auch mit Ambitionen im Metaversum.

„Pläne für das Metaversum haben in jüngster Zeit viel Aufmerksamkeit erfahren, der tatsächliche Fortschritt bei der Verknüpfung virtueller und physischer Realität ist darüber allerdings etwas in den Hintergrund getreten“, sagt Peter Singlehurst, Leiter Private Companies beim schottischen Vermögensverwalter Baillie Gifford. Anleger müssten sich zunächst überlegen, wie das Metaversum wirklich zu definieren sei. Tim Sweeney, Gründer des Spieleentwicklers Epic Games, spreche beispielsweise von einer digitalen, synchronen und sozialen Welt. „Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine seltsame, weit in der Zukunft liegende Entwicklung, sondern es gibt sie schon“, betont Singlehurst. „Videospiele wie der Battle-Royale-Shooter Fortnite sind bereits digital, synchron und sozial, weil sich darin zahlreiche Menschen an verschiedenen Orten der Welt zeitgleich miteinander vernetzen.“ Dabei besäßen sie viel mehr Möglichkeiten, als nur verschiedene Level zu zocken: In Fortnite gebe es Konzerte und Modenschauen, Spieler könnten sich zudem in einer virtuellen Umgebung mit ihren Freunden treffen.

Ohne Limit

Dies lasse sich auch auf den E-Sports-Trend übertragen. „Analog zu traditionellen Sportarten in der physischen Welt handelt es sich bei E-Sports um soziale Aktivitäten, bei denen viele verschiedene Spieler zusammenkommen“, sagt Singlehurst. „Ich sehe kein konzeptionelles Limit dafür, was als E-Sport gilt und was nicht.“ Denn der Trend habe viele Facetten: Epic halte zum Beispiel riesige Fortnite-Wettbewerbe ab, an denen sich professionelle und semiprofessionelle Spieler beteiligten.

Unterdessen zeige das verstärkte Engagement etablierter Sportligen und Teams im Gaming-Bereich, dass diese den Videospiel-Trend äußerst ernst nähmen. Allerdings liehen Sie den E-Sports-Teams in den meisten Fällen lediglich einen Markennamen. „Es gibt keinen Grund, warum ein Fußballverein besonders gut darin sein sollte, talentierte E-Sportler zu finden“, urteilt Singlehurst. Dem Wachstum von E-Sports und der Ausweitung auf neue Inhalte stehe daher nichts im Wege. „In der echten Welt gibt es ja auch mehr und weniger populäre Sportarten, global ist Fußball natürlich am populärsten – das bedeutet aber nicht, dass andere Disziplinen keine Daseinsberechtigung besitzen“, betont der Baillie-Gifford-Stratege. In der Gaming-Welt gehe es sogar demokratischer zu, da die Distribution über viele verschiedene Plattformen praktisch in den Spielmodellen enthalten sei. Somit könnten auch Nischenanwendungen ein großes globales Publikum erreichen.

Zudem sorgen weitere strukturelle Entwicklungen laut Analysten für einen E-Sports-Boom. Dazu zählten schnelleres Internet und ein Wandel in der gesellschaftlichen Akzeptanz von Videospielen. Letzteren Trend unterstreicht die jubelnde Zuschauermasse in der Mercedes-Benz-Arena von Schanghai eindrucksvoll.

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