EDF-Kauf wird für Frankreich teuer
kro/Reuters Frankfurt
Für die vor einer Woche angekündigte Komplettverstaatlichung des hoch verschuldeten französischen Energieversorgers Électricité de France (EDF) will die Regierung um Premierministerin Élisabeth Borne laut einem Pressebericht tief in die Tasche greifen. Insidern zufolge gebe es die Bereitschaft, mehr als 8 Mrd. Euro zu zahlen, um die Beteiligung an EDF um 16 auf 100 % aufzustocken, wie Reuters berichtet. Genauso hoch hatten Experten den Aufwand für den Kauf der verbliebenen Minderheitenanteile bereits in der vergangenen Woche beziffert. Zwei Personen mit Kenntnis von dem Vorhaben sagten nun, ein Abschluss der Transaktion werde im Herbst angestrebt. Eine der Personen sagte, die Aufstockung könnte den Staat einschließlich ausstehender Wandelanleihen und einer Prämie auf den Aktienkurs fast 10 Mrd. Euro kosten.
An der Börse sorgte die Nachricht für noch bessere Stimmung unter den Anlegern: Der Aktienkurs legte am Dienstag im frühen Handel um gut 9 % zu, nachdem er bereits in der vergangenen Woche seit der Ankündigung der Komplettübernahme um mehr als ein Fünftel gestiegen war. Die Minderheitsaktionäre könnten nun auf einen Bewertungsaufschlag für ihre Anteile hoffen, da dies den Prozess beschleunigen würde, schrieb J.-P.Morgan-Analyst Vincent Ayral. Inzwischen notiert das Papier auf dem höchsten Niveau seit Jahresbeginn.
Doch nicht so unabhängig
Frankreich setzt wie kein zweites Land in der EU auf Atomstrom − im vergangenen Jahr trug Kernenergie rund 70 % zur Gesamtstromerzeugung bei (siehe Grafik). In der Vergangenheit ist die Republik damit auch immer gut gefahren und war jahrzehntelang der größte Stromexporteur Europas. EDF, vor 17 Jahren teilprivatisiert, steckt wegen ihres maroden Reaktorparks, bei dem etwa die Hälfte aller 56 Meiler wegen Wartungsarbeiten und unvorhergesehener Korrosionsprobleme stillstehen, derzeit allerdings tief in der Krise. Um die Produktionsausfälle zu kompensieren, ist der französische Versorger daher aktuell auf teure Stromimporte angewiesen − unter anderem aus Deutschland. Gleichzeitig hatte die französische Regierung im Oktober vergangenen Jahres entschieden, die Gas- und Strompreise für Endverbraucher zu deckeln. Beobachter werteten dies als wahlkampftaktisches Manöver.
EDF schätzte im März, dass die genannten Probleme das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) im laufenden Jahr voraussichtlich in Höhe von 10,2 Mrd. Euro eintrüben dürften − zuvor lag die Schätzung bei 8,4 Mrd. Euro. Der Schuldenberg, auf dem EDF zurzeit sitzt, beläuft sich daneben auf gut 40 Mrd. Euro. Die Ratingagentur Fitch hatte die Bewertung für EDF Anfang des Jahres von „A−“ auf „BBB+“ gesenkt. Einen Monat später zeigten sich auch die Bonitätsexperten von Moody’s kritischer gegenüber dem Versorger.
Hitzewelle schmälert Output
Weil Präsident Emmanuel Macron auch in Zukunft „das große Abenteuer der Kernenergie in Frankreich“ fortschreiben und vor dem Hintergrund unter anderem ab 2028 sechs neue EPR-Druckwasserreaktoren bauen lassen will (geschätzte Kosten: 50 Mrd. Euro), stehen EDF absehbar enorme Investitionen ins Haus. Das Problem der Stromverknappung und damit nötiger Zukäufe auf dem Großmarkt dürfte sich indes, zumindest auf kurze Sicht, noch verschärfen. In einem Brief an den Netzbetreiber RTE hat EDF nun vor möglichen Produktionsbeschränkungen im Kraftwerk Golfech im Süden Frankreichs gewarnt. Grund ist die neue Hitzewelle, mit der möglicherweise nicht genügend Kühlwasser aus dem Fluss Garonne zur Verfügung steht.