„Die KI agiert beim Lernen wie ein Trainer“
Im Gespräch: Alois Krtil
„Die KI agiert beim Lernen wie ein Trainer“
Der CTO des Edtech-Unternehmens Pinktum über personalisierte Lernerfahrungen und Unsicherheiten beim Einsatz neuer Technologien
sar Frankfurt
Von Sabine Reifenberger, Frankfurt
Fünf Videos, jeweils 20 Minuten Länge, am Ende ein Multiple-Choice-Test zur Wissensüberprüfung: So sahen digitalisierte Lernangebote zur betrieblichen Weiterbildung lange aus. Mittlerweile setzen Anbieter künstliche Intelligenz ein, um die Inhalte stärker auf einzelne Nutzer zuzuschneiden. „Unsere KI analysiert außerdem, welcher Lerntyp ein Nutzer ist“, erklärt Alois Krtil, Chief Technology Officer bei dem Edtech-Unternehmen Pinktum, das E-Trainings für Personalentwicklung in Unternehmen anbietet. Anhand des Lerntyps werden die virtuellen Trainings unterschiedlich aufbereitet – ein Mitarbeiter bekommt dann vielleicht Videos angezeigt, während seine Kollegin stattdessen Stichwortlisten oder einen Podcast vorgeschlagen bekommt.
Es geht darum, die eigene Motivation und Denkweise zu verstehen.
Pinktum-CTO Alois Krtil
Der personalisierte Content soll den Lernerfolg erhöhen. „Die meisten Unternehmen haben eine große Content-Bibliothek, in der unglaublich viel Wissen steckt. Doch die Aufbereitung basiert dann auf der Lerndidaktik aus den 1960er Jahren“, beobachtet Krtil. Mithilfe von KI könne man neben der reinen Wissensvermittlung auch stärker auf eine erfolgreiche Umsetzung abzielen. „Es geht darum, die eigene Motivation und Denkweise zu verstehen und dadurch das theoretisch Erlernte besser umsetzen zu können.“ Krtil sieht KI in diesem Kontext als einen digitalen „Personal Coach“: „Die KI agiert beim Lernen wie ein Trainer, der didaktisch ausgebildet ist, psychologische Theorien kennt und dadurch die passenden Lerntipps und Entwicklungshinweise geben kann.“
Unternehmen zögerlich
In der Praxis zögern viele Unternehmen jedoch beim Einsatz künstlicher Intelligenz, wie eine Umfrage des „eLearning Journals“ und Pinktums unter knapp 380 Personalverantwortlichen im deutschsprachigen Raum zeigt. Nur in 32% der Unternehmen sind KI-Tools in der Personalentwicklung bereits verbreitet. Ein weiteres Drittel plant den Einsatz in nächster Zeit – und ein weiteres Drittel will in der Personalentwicklung auch künftig ohne KI-Einsatz auskommen. Die häufigsten Gründe für Zurückhaltung sind Datenschutz- und Sicherheitsbedenken (77%), mangelndes Know-how (68%) und Unsicherheit im Umgang mit geistigem Eigentum (57%).
Sorge vor Halluzinationen durch KI
Für Personaler sei es oftmals schwierig zu entscheiden, inwieweit sie einer KI bereits vertrauen können, berichtet Krtil. Die Sorge vor Halluzinationen, bei denen die KI Informationen erfindet, sowie vor Vorurteilen („Bias“) sei groß. Gerade im sensiblen Personalumfeld ist es aus Sicht von Krtil zwingend, mit kuratierten Inhalten und didaktischen Konzepten zu arbeiten. „Als Anbieter sollte man von Anfang an mit ‚Responsible AI‘-Konzepten arbeiten, um mit diesen Themen verantwortungsvoll umzugehen.“ Trotz der Zurückhaltung knüpft Krtil große Wachstumshoffnungen an den Einsatz von KI. Auch wenn erst 32% der Befragten KI in der betrieblichen Bildung nutzen, so hat sich dieser Anteil doch innerhalb eines Jahres nahezu verdoppelt. „Auf HR-Konferenzen ist das Thema allgegenwärtig.“
Die Lernbibliothek von Pinktum umfasst mittlerweile rund 900 E-Learnings in sieben Sprachen. Pinktum ist der Markenname der 2010 gegründeten Pink University GmbH mit etwa 120 Beschäftigten. Seit 2019 gehört das Unternehmen zu der auf Personalentwicklung und -beratung spezialisierten Pawlik Group und ist die größte Beteiligung des Beratungszweigs Pawlik Consultants. Zwar hält die Pawlik Group noch die Mehrheit, über 12 Mill. Euro sind Krtil zufolge aber auch von externen Kapitalgebern in Pinktum geflossen, darunter mehrere Family Offices.
Joachim Pawlik, dessen Anteil durch eine Kapitalerhöhung auf 70% gesunken ist, hatte im Sommer 2023 bereits öffentlich darüber gesprochen, Pinktum „mittelfristig“ an die Börse bringen zu wollen. Die Mehrheit der Anteile wolle er aber behalten.
Interesse an US-Markt
Der Umsatz von Pinktum lag Krtil zufolge zuletzt im „niedrigen zweistelligen Millionen-Euro-Bereich“ mit Wachstumsraten von rund 40% jährlich. Von den bislang getätigten Investitionen in KI erhofft sich Krtil künftig Vorteile durch eine schnellere Skalierung – auch international. „Der US-Markt beispielsweise ist für uns sehr interessant.“ Bei der Übersetzung von Lerninhalten für neue Märkte helfe die KI. Anschließend sei aber immer noch manueller Feinschliff erforderlich: „Konflikt- oder Feedbackgespräche laufen beispielsweise in verschiedenen Kulturkreisen unterschiedlich ab“, erklärt Krtil. Inhalte müssten angepasst werden. „Dieses kulturelle Einfühlungsvermögen hat die KI zumindest derzeit noch nicht.“
Zur Person: Alois Krtil
Alois Krtil verantwortet seit April 2023 als CTO das damals neu geschaffene Ressort Technology bei dem E-Learning-Anbieter Pinktum. Vor seiner Zeit bei Pinktum war er unter anderem für die Innovations Kontakt Stelle (IKS) Hamburg tätig. Krtil studierte Wirtschaftsinformatik in Münster und Wirtschaftsingenieurwesen in Dortmund. Er engagiert sich zudem für das Artificial Intelligence Center (ARIC) in Hamburg, einen Verein, der sich für die Förderung von KI in der Metropolregion einsetzt.