Ein kommunales Desaster
Von Annette Becker, Düsseldorf
Eigentlich wollten die sechs hinter der Steag stehenden Stadtwerke den Steinkohleverstromer schon längst verkauft haben. Doch wegen der Energiewende samt gesetzlich verankertem Ausstieg aus der Kohleverstromung und dem damit verbundenen Transformationsbedarf ist daraus bis heute nichts geworden – und so schnell wird daraus auch nichts werden. Im Gegenteil: Die kreditgebenden Banken haben die Daumenschrauben angezogen. Um die zeitweilig drohende Insolvenz abzuwenden, musste das Stadtwerke-Konsortium zusichern, frisches Kapital in die Kommunale Beteiligungsgesellschaft (KSBG), in der die Stadtwerke ihre Steag-Anteile gebündelt haben, einzuschießen. Es geht um 30 Mill. Euro.
Hoch verschuldet
Per Ende 2020 hatten Steag und KSBG zusammen Finanzverbindlichkeiten von 1,8 Mrd. Euro angehäuft, wie aus Unterlagen von Roland Berger hervorgeht. Die Steag allein steht aktuell bei Fremdkapitalgebern mit 450 Mill. Euro in der Kreide zuzüglich Projektfinanzierungen in nicht genannter Höhe, wie ein Steag-Sprecher sagte. Die KSBG hat nach eigenen Angaben einen Konsortialkredit von 320 Mill. Euro ausstehen. Dabei ist die Zinszahlung auf das Ende der Laufzeit verschoben, denn die Steag wird bis einschließlich 2022 keine Ausschüttung mehr vornehmen. Mit den Dividenden hatte die KSBG in der Vergangenheit den Konsortialkredit bedient.
An der KSBG sind die Stadtwerke aus Dortmund, Duisburg, Essen, Bochum, Oberhausen und Dinslaken beteiligt, wobei die Dortmunder Stadtwerke (DSW21) mit 36% den größten Anteil halten (siehe Grafik). Doch nicht alle Stadtwerke können oder wollen bei der Rekapitalisierung mitziehen. In Bochum lässt sich die Entscheidung politisch nicht durchsetzen. Der Energieversorgung Oberhausen fehlt schlicht das Geld.
Von daher haben sich die Stadtwerke Dortmund, Duisburg, Essen und Dinslaken in die Pflicht nehmen lassen, das Geld beizuschaffen. Allerdings bedarf es hierfür noch der Rückendeckung aus den kommunalen Parlamenten. Die DSW21 wird mit 14,2 Mill. Euro den größten Beitrag leisten, Duisburg stellt 7,5 Mill. Euro zur Verfügung, Essen 5,9 Mill. Euro und aus Dinslaken kommen die restlichen 2,4 Mill. Euro. Die Banken verstehen die Kapitalspritze als Sanierungsbeitrag, ihr Durchgriff endet auf Ebene der KSBG.
Zugleich pochten die Banken – das Konsortium wird von der Nord/LB angeführt – darauf, dass ein Treuhänder den Transformationsprozess der Steag samt anschließendem Verkauf begleitet. Ein Chief Transformation Officer (CTO) ist schon in die Steag-Geschäftsführung eingerückt. Der im Februar berufene CTO, Carsten König von Alix Partners, hielt sich allerdings nur wenige Monate. Im August wurde er von Ralf Schmitz von der Unternehmensberatung Schmitz & Partner abgelöst.
Anfang des Monats wurde nach langem Hickhack zwischen Banken, Stadtwerken, KSBG und IG BCE Markus Plathner von Brinkmann & Partner zum Geschäftsführer der Treuhandgesellschaft erkoren. Auch der neue Treuhandvertrag, mit dem die Stadtwerke faktisch die Kontrolle über die Steag abgeben, bedarf noch der Zustimmung der Kommunen.
Die zunächst als Treuhänder ins Spiel gebrachte RAG-Stiftung musste kurzfristig das Feld räumen, sie fiel bei den Banken durch. „Aus Sicht der Finanzierer erfüllt die RAG-Stiftung nicht das Kriterium eines neutralen und nicht vorbefassten Treuhänders“, teilte KSBG-Geschäftsführer Carsten Schröder den hinter den Stadtwerken stehenden Stadtoberhäuptern in einem Brief mit, der der Börsen-Zeitung vorliegt. Den Banken war vor allem die politische Nähe der Stiftung, die ihren Niederschlag in der Besetzung des Kuratoriums findet, ein Dorn im Auge.
Wie heikel die Lage war und ist, lässt sich auch an der Vielzahl der beratenden Kanzleien ablesen. Die von Juve veröffentlichte Beraterliste liest sich wie das „Who’s who“ der Zunft.
Abgeschrieben
Die Banken setzen nun darauf, mit dem Verkauf der Steag ihren Einsatz samt Verzinsung zurückzubekommen. Vor 2023 dürfte das jedoch nicht der Fall sein. Darauf ist auch der Mitte 2019 abgeschlossene Konsortialkredit, mit dem die KSBG die alte Finanzierung ablöste, ausgelegt. Er läuft bis Ende 2023 und enthält eine Verlängerungsoption.
Für die Stadtwerke allerdings ist der einstige Steag-Coup zum Millionengrab geworden. Knapp 30% des Kaufpreises von 1,2 Mrd. Euro sollen die Stadtwerke mit Eigenkapital finanziert haben. Hinzu kommt nun der Nachschlag von 30 Mill. Euro. Soweit machbar haben die Kommunalversorger inzwischen damit begonnen, die Steag-Beteiligung in ihren Büchern abzuschreiben.