Börsenneuling

Ein schwarzer Tag für Sensetime

Genau sechs Monate nach dem durchaus erfolgreichen Marktstart des chinesischen Technologiekonzerns Sensetime an der Hongkonger Börse bringt ein Massenausstieg von institutionellen Investoren, deren Mindesthaltefrist abgelaufen ist, ein denkbar böses Erwachen.

Ein schwarzer Tag für Sensetime

nh Schanghai

Genau sechs Monate nach dem durchaus erfolgreichen Marktstart des chinesischen Technologiekonzerns Sensetime an der Hongkonger Börse bringt ein Massenausstieg von institutionellen Investoren, deren Mindesthaltefrist abgelaufen ist, ein denkbar böses Erwachen. Am Donnerstag stürzte Sensetime im Hongkonger Handel um 47% auf ein Rekordtief bei 2,91 HK-Dollar ab. Damit liegt die Aktie nun schmerzhaft deutlich unter dem Emissionskurs bei 3,85 HK-Dollar.

Inmitten eines zuletzt deutlich verbesserten Sentiments für chinesische Technologieaktien gilt der dramatische Absturz der Sensetime-Aktie als empfindliche Warnung vor dem sich seit Juni erneut aufbauenden Hype, der vor allem US-Fondsgesellschaften zur Rückkehr in chinesische Tech-Sektor-Aktien aufrufen lässt. Sensetime kann mit ihrem Fokus auf Softwareentwicklung, künstliche In­telligenz (KI) und Gesichtserkennungstechnologie nicht in einen Topf mit den in Hongkong gelisteten großen chinesischen Tech-Konzernen und App-Betreibern wie Alibaba, JD.com, Meituan und Tencent geworfen werden. Dennoch hatte Sensetime im Tandem mit den Tech-Riesen seit Frühjahr wieder Aufwind bekommen und in den vergangenen acht Wochen um fast 20% zugelegt.

Der Marktoptimismus gründet vor allem auf der Wahrnehmung, dass die Regulierungskampagne der Pekinger Regierung, die über ein Jahr hinweg das Anlegerklima vergiftet hat, an Schärfe verliert und keine neuerliche Welle von Restriktionen und Strafmaßnahmen zu erwarten ist. Allerdings war Sensetime mit ihren für staatliche Massenüberwachungssysteme breit genutzten Produkten nie Zielscheibe der Pekinger Tech-Regulatoren, sondern steht im Gegenteil zusammen mit Adressen wie Huawei, Hikvision und SMIC auf einschlägigen Sanktionslisten der US-Regierung.

Sensetime hatte wegen der Unsicherheit rund um US-Sanktionen ihr IPO mehrfach verzögert und ging Ende Dezember zu abgespeckten Bewertungskonditionen und einer stark verringerten Kapitalaufnahme von 740 Mill. Dollar in den Markt. Dies erlaubte der Aktie dann allerdings einen Raketenstart mit gut 150% Kursanstieg in den ersten Handelstagen. Mit dem Absturz vom Donnerstag haben die Titel nunmehr fast 70% vom Hoch in der ersten Januarwoche eingebüßt.

Zu den großen Verlierern gehört der vom japanischen Tech-Investor Softbank geführte Vision Fund, dessen Sensetime-Engagement auf dem Papier einen Wertverlust von rund 2 Mrd. Dollar aufweisen dürfte. Marktteilnehmer gehen zwar davon aus, dass sich die Aktie nun wieder stabilisieren wird, allerdings droht zum Jahresende 2022 ein neuerlicher Absturz, weil eine Reihe weiterer Investoren, die an eine einjährige Haltefrist gebunden sind, erstmals aussteigen können.

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