RECHT UND KAPITALMARKT

Einfach, aber verdächtig

Investmentsteuerreformgesetz ändert Besteuerung grundlegend - Antimissbrauchsregelungen schießen übers Ziel hinaus

Einfach, aber verdächtig

Von Oliver von Schweinitz und Ingolf Schneider-Deters *)Nach dem heutigen System der Fondsbesteuerung sind bis zu 33 verschiedene Besteuerungsgrundlagen zu prüfen. Deshalb steht es seit langem in der Kritik. Unnötig komplex ist bislang etwa die Besteuerung von Privatanlegern, die ihre Kapitalerträge im Grundsatz pauschal (mit dem Abgeltungsteuersatz) besteuern. Institutionellen Anlegern eröffnen gerade die komplizierten Besteuerungsgrundlagen viele – ungewollte – steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten. Umstritten war zudem, ob ein Inlands-Investmentfonds überhaupt steuerfrei sein kann, während ausländische Investmentfonds steuerpflichtig sind. All dies hatte das Bundesministerium der Finanzen bewogen, 2011 eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe ins Leben zu rufen, um zu prüfen, wie die Ermittlung des steuerlichen Ertrags aus Investmentanteilen sich radikal vereinfachen ließe. Strikte TrennungNach einem ersten Konzept folgten Diskussionspapiere zum neuen Investmentsteuergesetz sowie im Februar 2016 ein offizieller Gesetzentwurf der Bundesregierung. Nach mehreren teils nichtöffentlichen Anhörungen im Finanzausschuss hat der Bundestag dem entsprechend geänderten Gesetz Mitte Juni zugestimmt. Am 8. Juli 2016 passierte es auch den Bundesrat. Jetzt stehen nur noch die Unterschrift des Bundespräsidenten und die Publikation im Bundesgesetzblatt aus. En Gros soll das neue Investmentsteuerrecht am 1. Januar 2018 in Kraft treten.Damit ändert sich die Besteuerung von Investmentfonds, die auch Privatanleger erwerben können, also Publikumsfonds. Diese Assetklasse wird steuerlich strikt von Spezial-Investmentfonds für institutionelle Anleger getrennt. Die Steuerbefreiung auf Fondsebene entfällt. Investmentfonds – im Grundsatz auch Spezial-Investmentfonds – sind mit ihren Erträgen dann also körperschaftsteuerpflichtig, sofern Deutschland das Besteuerungsrecht zusteht. Das gilt für inländische Beteiligungseinnahmen (ohne Wertpapierveräußerungsgewinne), inländische Immobilienerträge und sonstige inländische Einkünfte (im Kern wohl grundschuldbesicherte Darlehenszinsen). Für Spezial-Investmentfonds besteht zwar die Möglichkeit, von der Steuer auf Antrag befreit zu werden (Semitransparenz), allerdings gelten dafür umfangreiche Vermögensanlagegrenzen. Natürliche Personen dürfen an Spezial-Investmentfonds nur beteiligt sein, wenn sie ihre Anteile im Betriebsvermögen halten.Die Reform bringt folglich Steuernachteile für die Publikumsfonds (Doppelbesteuerung), die durch pauschalierte Steuerfreistellungen wettgemacht werden sollen. Sie variieren je nach Art des Fonds. Bestimmte Anleger erhalten die Möglichkeit zur Steuerbefreiung (der Antrag der Kapitalverwaltungsgesellschaft dazu ist innerhalb von 18 Monaten vom Entrichtungspflichtigen zu stellen, in der Regel erledigt das die Depotbank). Möglich ist aber auch eine Erstattung der Steuer (über das Betriebsstättenfinanzamt des Entrichtungspflichtigen). Bei ausländischen Investmentfonds ist Entrichtungspflichtiger (und damit Befreiungsverpflichteter) meist der Zentralverwahrer, also Clearstream Banking in Frankfurt. Umfangreiche NachweiseBefreiung und Erstattung erfordern umfangreiche Nachweise über den steuerprivilegierten Status des Anlegers sowie über Zeitpunkt und Umfang seines Investments (Investmentanteil-Bestandsnachweis). Typischerweise wird für Publikumsfonds eine Globalurkunde ausgestellt, für steuerprivilegierte Investoren an solchen Fonds könnten also umfangreiche Mitteilungsverfahren erforderlich werden. Immerhin sind Publikumsfonds insgesamt steuerbefreit, wenn sich nach ihren Anlagebedingungen nur bestimmte steuerbegünstigte Anleger an ihnen beteiligen dürfen. In der Praxis wird man sich dabei aber fragen, warum sie dann nicht gleich als Spezial-Investmentfonds unter Ausübung der Freistellungsoption gestaltet sind. Dann kann der steuerprivilegierte Anleger seinen Anteil freier auch an steuerpflichtige institutionelle Anleger veräußern, erhält also potenziell einen besseren Preis. Weniger aufwendigUnterm Strich vereinfacht sich das Steuerregime bei Publikumsfonds deutlich. Statt aufwendig eine Unzahl von Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, zählen künftig allein die Art des Fonds, der Wert des Fondsanteils zu Beginn und zum Ende eines Kalenderjahres sowie die Höhe unterjähriger Ausschüttungen. Für Spezialfonds bleibt die komplizierte Ermittlung hingegen weitgehend. Der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit dürfte dennoch Genüge getan sein, da für Inlands- und Auslandsinvestmentfonds nur auf die Besteuerung jener inländischen Erträge abgestellt wird, für die Deutschland auch Steuern erheben darf.Banken, Kapitalverwaltungsgesellschaften und Verwahrstellen müssen ab 2018 also mit zwei Systemen klarkommen. Das wird Zeit und Geld kosten und – wie alles Neue – auch neue Tücken offenbaren.Der Gesetzgeber hat die Neuregelung des Investmentsteuerrechts auch genutzt, um rückwirkend auf den 1.1.2016 einige Steuerschlupflöcher zu schließen. Nach den Verwerfungen, die der massenhafte und rücksichtslose Einsatz von Cum-ex-Geschäften ausgelöst hat, nahm er sich nun die Cum-cum-Geschäfte vor: Hier verkaufen Steuerausländer kurz vor Dividendenstichtag ihre Aktien an eine inländische Bank, die ihnen diese nach dem Dividendenabschlag wieder zurückveräußert. Die jeweils vereinbarten Kauf- und Rückkaufpreise entsprechen dem Wert der Aktie kurz vor und kurz nach Ausschüttung, die Differenz also in etwa der Höhe der Dividende. Dadurch erzielt der Steuerausländer statt der Dividende einen vergleichbaren Veräußerungsgewinn, der aber – im Gegensatz zur Dividende – nicht der deutschen Besteuerung unterliegt. Die inländische Bank streicht hingegen die Dividende ein, zahlt dafür zunächst auch Kapitalertragsteuer, die aber wird voll angerechnet und erstattet. Künftig vermiedenSolche Geschäfte sollen jetzt vermieden werden. Um in den Genuss der Steueranrechnung zu gelangen, muss der Inhaber der Aktien (die inländische Bank) diese künftig für mindestens 91 Tage als wirtschaftlicher Eigentümer halten, und zwar für 45 Tage vor und 45 Tage nach dem Dividendenstichtag. Währenddessen muss er ununterbrochen das Wertänderungsrisiko (mindestens 70 %) tragen und darf sich nicht verpflichten, die daraus fließenden Erträge einem anderen zu vergüten. Ausnahmen hiervon gibt es nur für Kleinanleger (Kapitalerträge nicht über 20 000 Euro) und Langzeitinvestoren (wirtschaftliches Eigentum seit mindestens einem Jahr). Übereifriger GesetzgeberFür das institutionelle Geschäft wird die Anti-cum-cum-Regel aber neue Verwerfungen mit sich bringen. Sie stellt nämlich alle Investoren unter den Generalverdacht eines Missbrauchs. Die Absicherung gegen Kursrisiken ist aber ein Fundament des Bank- und Investmentgeschäfts, kaum jemand investiert am Kapitalmarkt ohne Sicherungsgeschäft. Das gilt für ganze Produktzweige, Termingeschäfte, Derivatgeschäfte und nahezu alle synthetischen Finanzprodukte. Die Liquiditätsbeschaffung durch Repogeschäfte beruht auf der Besicherung der liquiden Mittel durch Wertpapiere. All diese notwendigen und steuerlich völlig unbedenklichen Geschäfte werden von der Reform miterfasst und womöglich beeinträchtigt.Erklären lässt sich der Übereifer des Gesetzgebers durchaus: Jahrelang hat er den Cum-ex-Geschäften untätig zugesehen, bis er vom schieren Ausmaß des Steuerschadens überrollt wurde. Bei Cum-cum will Berlin nun alles richtig machen – am besten sogar rückwirkend. Tatsächlich schießt er aber übers Ziel hinaus und trifft auch all jene Bankgeschäfte, die wünschenswert und sinnvoll sind. Die Zeit wird zeigen, ob diese Nebenwirkungen vertretbar sind. Wie rentabel Fondsinvestments unter dem neuen Recht sind, lässt sich nur im Einzelfall errechnen; Banken werden allerdings zur Unzeit mit Compliance-Kosten belastet.—-*) Ingolf Schneider-Deters ist Anwalt und Dr. Oliver v. Schweinitz Partner der Kanzlei GGV Grützmacher Gravert Viegener.