EU soll bei Klimaschutz nachbessern
hei Frankfurt
– In der Sorge um Wettbewerbsnachteile und in der Folge Marktanteilsverluste und Arbeitsplatzabbau schließen Gewerkschaften und Unternehmen im Kampf gegen die von der EU vorgeschlagenen Beiträge der Branche zum Klimaschutz die Reihen. Die Luftverkehrswirtschaft, vertreten durch BDL und BDLI, sowie die Gewerkschaften Verdi, Ufo, Vereinigung Cockpit und IG Metall mahnen in einem gemeinsam vorgelegten Papier eine „wettbewerbsneutrale“ Ausgestaltung der ins Auge gefassten Auflagen an, die die EU-Kommission im kommenden Jahr verabschieden will.
Brüssel hat drei Maßnahmen als Klimaschutzbeitrag vorgeschlagen: die Einführung einer Kerosinsteuer, eine höhere CO2-Bepreisung sowie eine verbindliche Beimischungsquote für nachhaltige Flugtreibstoffe. Die Branche fürchtet infolgedessen Mehrkosten in Milliardenhöhe. Allein die Lufthansa rechnet bis 2030 mit Mehrkosten von 7 Mrd. Euro sowie danach noch mit einem erheblichen Kostenschub, so dass sich von heute bis 2035 Belastungen von 15 bis 20 Mrd. Euro ergeben könnten.
Andere Reisewege
Unternehmen und Gewerkschaften bemängeln, dass die von der EU ins Auge gefassten Maßnahmen geografisch begrenzt sind und somit für in der EU ansässige Fluggesellschaften gegenüber außereuropäischen erhebliche Wettbewerbsnachteile entstehen. Im interkontinentalen Reiseverkehr gebe es Reisewege mit Fluggesellschaften aus Drittstaaten über deren Luftverkehrsdrehkreuze, die nicht den angedachten Steuern, Quoten und Emissionszertifikaten unterliegen.
Falls sich die Kosten- und Preisschere zwischen den EU-Airlines und solchen aus anderen geografischen Räumen im Nahen Osten und Asien weiter öffnet, würden Verkehre und Passagierströme umgeleitet, fürchtet die Branche. Dies führe in Europa zu Marktanteilsverlusten der Fluggesellschaften und bedrohe Arbeitsplätze unmittelbar bei den Airlines sowie entlang der Wertschöpfungskette bei Technik, Wartung, Flughäfen etc. Auch dem Klima sei keineswegs gedient, wenn Reisende, die von Frankfurt nach New York fliegen wollen, dafür eine preislich günstigere Airline wählen, die sie zunächst über ein östliches Drehkreuz wie Istanbul oder Doha leitet, weil etwa Turkish Airlines für einen direkten Flug von Frankfurt nach New York keine Landerechte besitzt.
Eine Kerosinsteuer lehnen Gewerkschaften und Unternehmen rundheraus ab. Sie entziehe den Airlines Mittel, die sie in die Anschaffung moderner emissionsärmerer Flugzeuge stecken könnten, wird argumentiert. So benötige die neue Flugzeuggeneration bis zu 25% weniger Kerosin. Die Verschärfung des innereuropäischen Emissionshandels würde die Branche dagegen mittragen, wenn Zubringerverkehre für Flüge nach außerhalb Europas ausgenommen würden oder diese Abgabe kompensiert würde. Dasselbe soll für verpflichtende Beimischungsquoten von nachhaltigen Treibstoffen gelten. Auch hier sollte die Auflage entweder auf den rein innereuropäischen Verkehr beschränkt oder ein Ausgleich geschaffen werden.
Die Vorschläge der EU-Kommission liegen seit Mitte Juli auf dem Tisch. Sie gehen nun in den parlamentarischen Beratungsprozess, bei dem die einzelnen Berichterstatter im Parlament gerade ihre Arbeit aufnehmen. Auch die Abstimmung im Rat hat begonnen.
Für die von der Coronakrise schwer getroffene Luftfahrtbranche geht es darum, von der sich abzeichnenden Erholung der Nachfrage bestmöglich zu profitieren. Wettbewerbsnachteile im lukrativen Interkontinentalverkehr vor allem im Vergleich mit den Airlines der Golf-Anrainer-Staaten werden seit Jahren beklagt. Hier hat eine Verschiebung von Marktanteilen bereits stattgefunden, die sich nun verschärfen könnte.