Venture-Capital-Studie

Europas VC-Firmen bleiben Männervereine

Dass Frauen in der deutschen und europäischen Gründerszene so unterrepräsentiert sind, liegt auch an den Geldgebern. Denn diese sind selbst alles andere als divers aufgestellt, wie eine Studie zeigt. Die Branche rechnet nicht mit schnellen Fortschritten.

Europas VC-Firmen bleiben Männervereine

Europas VC-Firmen bleiben Männervereine

kro Frankfurt

Europäische Wagniskapitalgeber kommen in Sachen Geschlechterdiversität laut einer Studie weiterhin kaum voran. Nachdem der Anteil weiblicher General Partner im vergangenen Jahr bei gerade einmal 15% lag, waren es in diesem Jahr 16%, wie aus einer Analyse der Londoner Initiative "European Women in VC" hervorgeht. Für die Studie wurden zum einen 104 VC-Gesellschaften mit Sitz in Europa befragt, die zusammen auf ein verwaltetes Vermögen von knapp 12 Mrd. Euro kommen. Parallel dazu wurden Daten des US-Anbieters Pitchbook zu 558 europäischen VC-Firmen ausgewertet, die zusammen 148 Mrd. Euro verwalten.

Die Geschäftsführung europäischer VC-Firmen ist noch immer ein "Boy’s Club", heißt es in dem Bericht der Initiative, zu der sich rund 1.000 Spitzenmanagerinnen der Wagniskapitalszene zusammengeschlossen haben. Aus Sicht der Umfrageteilnehmer dürfte sich daran in naher Zukunft nur wenig ändern: So glauben gerade mal 47% und damit weniger als die Hälfte, dass der Frauenanteil unter den General Partners in den nächsten fünf Jahren zunehmen wird. 43% erwarten dagegen, dass er gleich bleiben wird, insgesamt 10% rechnen sogar damit, dass er sinken wird.

Ökonomisches Versagen

In der europäischen VC-Landschaft ist das sowohl für die Wagniskapitalgeber selbst als auch für die Gründerszene ein Problem. Denn laut einer Berechnung der Initiative, die wegen der begrenzten Datenverfügbarkeit auf einer kleineren Stichprobe von 100 VC-Gesellschaften basiert, verbessert sich die finanzielle Performance der Fonds, je diverser diese im oberen Management aufgestellt sind. Demnach führe eine Erhöhung des Frauenanteils im oberen Management um 10 Prozentpunkte zu einer Steigerung der mittleren jährlichen Renditeerwartung um 1,3 Prozentpunkte.

Zu ähnlichen Erkenntnissen sind Studien auch schon zuvor mit Blick auf die finanzielle Performance von Start-ups gekommen. Dort haben es weibliche Gründerinnen als Folge der homogenen Besetzung von VC-Gesellschaften denn auch schwerer, an das benötigte Wachstumskapital zu kommen. Laut jüngsten Zahlen von Pitchbook sind im laufenden Jahr bislang nur 1,4% der europäischen Wagniskapitalinvestitionen in Start-ups geflossen, die von reinen Frauenteams gegründet wurden. Gemischte Teams konnten dagegen 16,6% für sich verbuchen. Der Rest ging an reine Männerteams.

In der Wissenschaft wird dieses Gefälle zum Teil mit dem sogenannten Gender Bias begründet, womit eine meist unbewusste, geschlechtsbezogene Verzerrung der eigenen Wahrnehmung gemeint ist, die von Stereotypisierungen und Vorurteilen geprägt ist. Diese führt dazu, dass Investoren oftmals in Gründerteams investieren, die ihnen ähnlich, ergo männlich sind.

"Die Venture-Capital-Industrie ist auf gewisse Art ein lehrbuchmäßiges Beispiel für wirtschaftliches Versagen", wird Paul Donovan, Chefvolkswirt bei UBS Global Wealth Management, in der Studie von European Women in VC zitiert. Begrenzt verfügbares Kapital werde durch die unzureichende Finanzierung von Start-ups mit weiblichen Gründerinnen nicht optimal allokiert. Zugleich gebe es Anzeichen dafür, dass Wagniskapitalgeber eigentlich schon vorhandenes Talent unterschätzen – und das obwohl auch die Anzahl an qualifizierten VC-Managern begrenzt ist.

Auch die Investment-Komitees sind wenig divers

Immerhin: In den sogenannten Investment-Komitees, also dort, wo Investment-Entscheidungen getroffen werden, ist der Frauenanteil mit 30% schon höher als bei den General Partners, wie es in der Studie weiter heißt. Im Vergleich zum Vorjahr sei dies auch eine Verbesserung. Allerdings seien die Komitees in sonstiger Hinsicht nur wenig divers. Gerade mal 12% würden demnach bestimmte Minderheiten repräsentieren und beispielsweise eine andere ethnische Herkunft vorweisen.

In Deutschland hatte sich die Bundesregierung dieses Themas im Rahmen der Start-up-Strategie angenommen. Dort heißt es, dass die Beteiligung von Frauen in Investment-Komitees von staatlichen Fonds und Beteiligungsgesellschaften deutlich gestärkt werden soll. Beispielsweise sollten die drei Investitionskomitees des Hightech-Gründerfonds geschlechterparitätisch besetzt werden. Aktuell beläuft sich der Frauenanteil in den Komitees „Industrial Tech“, „Life Science & Chemie“ sowie „Digital Tech“ noch auf 32%, 20% und 33%. In den beiden letztgenannten Bereichen hat sich damit seit Beginn des Jahres nichts geändert. Im Bereich Industrial Tech ist der Frauenanteil dagegen sogar gesunken. Hier lag er Anfang des Jahres noch bei 40%.

Anteil weiblicher General Partner kaum gestiegen – Keine schnelle Besserung in Sicht