"Faktisch ein zweiter Lockdown"

Tourismusbranche kritisiert Quarantäne-Anordnung und verlängerte Reisewarnungen

"Faktisch ein zweiter Lockdown"

lis Frankfurt – Die Bundesregierung hat ihre Reisewarnung für Drittstaaten außerhalb der EU um zwei Wochen bis zum 14. September verlängert. Der von den Folgen der Coronavirus-Pandemie bereits stark getroffenen Reisebranche hat die Politik damit einen erneuten Dämpfer verpasst. Zuvor hatte bei den Unternehmen bereits für Verdruss gesorgt, dass statt auf Tests für Reiserückkehrer nun wieder stärker auf Quarantänemaßnahmen gesetzt werden soll.Das Auswärtige Amt forderte die Bevölkerung am Mittwoch dazu auf, auf nicht notwendige, touristische Reisen in rund 160 Länder zu verzichten. Der Reiseverband DRV sprach von einem falschen Signal. “Die Bundesregierung untersagt mit der erneut verlängerten Reisewarnung de facto Reiseveranstaltern, Reisebüros und vielen touristischen Dienstleistern die Berufsausübung”, kritisierte DRV-Präsident Norbert Fiebig. Pauschalreisen werden bei behördlichen Reisewarnungen in der Regel abgesagt.Die Tourismusbranche leidet seit Monaten unter den Einschränkungen nach dem Ausbruch der Virus-Pandemie. Die Hoffnung auf eine Erholung im Spätsommer oder Herbst hatte sich bereits weitgehend verflüchtigt, nachdem in Spanien, Kroatien und in Teilen Frankreichs wieder erhöhte Infektionsraten vermeldet worden waren und daraufhin Reisewarnungen ausgesprochen worden waren. Noch zu Beginn des Sommers hatten viele Unternehmen eine leichte Erholung ausgemacht. Spahn “verwirrt” UrlauberDer Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Peter Gerber, hatte vergangene Woche beklagt, dass 80 % des weltweiten Luftverkehrsmarktes durch Reisebeschränkungen beeinträchtigt sind. “Wenn wir wollen, dass der Luftverkehr sich wieder selber finanzieren kann, müssen die Blockaden enden.” Der BDL hatte an die Bundesregierung appelliert, ihre Hinweise auch nach Regionen innerhalb von Ländern zu differenzieren. “Es macht keinen Sinn, Länder in der Größe von China oder den USA pauschal als Risikogebiet auszuweisen, wenn diese im Inneren ein höchst unterschiedliches Infektionsgeschehen haben”, so der BDL.Für Kritik sorgt in der Tourismusbranche nicht nur die Verlängerung der Reisewarnungen, sondern auch die geänderte Teststrategie der Bundesregierung. “Dem politischen Zickzackkurs fehlt es an Klarheit und Verlässlichkeit. Damit verwirrt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Urlauber”, sagte DRV-Präsident Fiebig weiter. Vor wenigen Wochen hatte der Bund noch Massentests für alle Reiserückkehrer aus Risikogebieten beschlossen, was allerdings die Laborkapazitäten überfordert hatte. Nun sollen Reiserückkehrer wieder in Quarantäne müssen, was die Nachfrage nach Reisen belasten dürfte. Zuletzt habe sich die Zahl der wöchentlichen Tests laut Reuters auf weit über 900 000 verdoppelt.Für den Chef des Flughafenbetreibers Fraport, Stefan Schulte, bedeutet die angekündigte pauschale Quarantäne-Anordnung für Reiserückkehrer aus Risikogebieten “faktisch einen zweiten Lockdown für die Luftverkehrs- und Tourismusbranche und für alle Menschen, die über Ländergrenzen hinweg unterwegs sein müssen.”Betroffen wären nicht nur Urlauber, sondern insbesondere auch Geschäftsreisende. Das werde der tatsächlichen Situation nicht gerecht, denn in einigen Ländern seien die Fallzahlen niedriger als in Teilen Deutschlands. Hohe KomplexitätskostenGerade Drehkreuz-Carrier wie Lufthansa hängen stark vom Langstreckengeschäft mit Geschäftsreisenden ab. Sie leiden besonders unter den Reiserestriktionen in Richtung USA. Branchenbeobachter erwarten deshalb, dass die Billigfluglinien die aktuelle Krise besser meistern können als viele Hub-Carrier. Denn während deren Kurz- und Mittelstreckengeschäft wieder möglich ist, liegt der Fernverkehr noch weitgehend darnieder. Zudem fällt es den Low-Cost-Carriern leichter, die Kosten zurückzufahren, da die Fixkosten wegen der geringeren Komplexität des Geschäfts meist deutlich niedriger liegen.”Hub-Carrier haben mit den hohen Komplexitätskosten ihrer Netzwerk- und Flottenstrukturen zu kämpfen”, schreibt auch die Beratungsgesellschaft Avinomics in ihrem jüngsten Outlook für die Airlinebranche. Ihre Ergebnisse hängen von “gut gefüllten Langstreckenflügen” ab.