Investitionen in Europa sinken

Raumfahrtindustrie fürchtet Fliehkräfte

Obwohl die Trägerraketen-Krise beendet ist, steht die europäische Raumfahrtindustrie in diesem Jahr vor großen Herausforderungen. Auch wegen des immer größeren Einflusses von Elon Musk und SpaceX.

Raumfahrtindustrie fürchtet Fliehkräfte

Raumfahrtindustrie fürchtet Fliehkräfte

Ariane-Group-Chef mahnt zu Zusammenhalt – Bis zu fünf Starts für Ariane 6 in diesem Jahr geplant

Obwohl die Trägerraketen-Krise beendet ist, steht die europäische Raumfahrtindustrie in diesem Jahr vor großen Herausforderungen. Der immer größer werdende Einfluss von Elon Musks SpaceX gefährdet den europäischen Zusammenhalt. Raketenbauer Vario setzt künftig auf den Alleingang.

wü Paris

Die europäische Raumfahrtindustrie will nach dem Ende der Trägerraketen-Krise wieder durchstarten. Angesichts des Amtsantritts des neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump, dem immer größeren Einfluss von SpaceX-Gründer Elon Musk und der politischen Instabilität in Frankreich und Deutschland blickt sie jedoch zum Teil mit gemischten Gefühlen in die Zukunft.

„Für Ariane Group war 2024 ein sehr gutes Jahr, denn Europa ist zurück in den Weltraum gekehrt“, zog Konzernchef Martin Sion im Gespräch mit der Journalistenvereinigung AJPAE in Paris Bilanz. Immerhin sei die neue europäische Trägerrakete Ariane 6 wie versprochen Anfang Juli erstmals gestartet. Und im Dezember ist die Vega C nach einer zweijährigen Zwangspause wieder ins All zurückgekehrt. Nach dem Start der letzten Ariane 5 Mitte 2023 hatte Europa bis zum Erstflug des Nachfolgemodells erstmal ohne große Trägerrakete dagestanden, so dass die Zahl der Raketenstarts am europäischen Raumfahrtbahnhof in Französisch-Guyana deutlich eingebrochen ist.

„In diesem Jahr sind fünf Starts der Ariane 6 geplant“, erklärte Caroline Arnoux vom Raketenbetreiber Arianespace. Der erste davon sei im Zeitraum Mitte Februar bis Mitte März geplant. Ein genaueres Datum werde etwa einen Monat vor dem Start bekanntgegeben. Ursprünglich hatte der zweite Start der Ariane 6 noch im Dezember stattfinden sollen, doch dann wurde er wenige Wochen vorher ohne Angabe von Gründen verschoben.

2026 soll die Ariane 6 ebenfalls fünf Mal abheben. „2026 befinden wir uns noch mitten in der Hochfuhr“, erklärte Martin Sion. Ein Jahr später soll das Programm dann wie geplant auf Hochtouren laufen. „Ab 2027 sind dann zehn Starts pro Jahr geplan.“

Vario übernimmt Kontrolle bei Vega C

Ebenfalls geplant sind in diesem Jahr vier Starts der Vega C. Arianespace wird noch vier Starts der von Avio produzierten kleineren Trägerrakete kommerzialisieren und danach die Kontrolle an den italienischen Raketenbauer übergeben, der mittelfristig alleine die Kontrolle über das Programm haben will. Avio begründet den geplanten Alleingang damit, dass es immer mehr Initiativen auf dem europäischen Markt für Trägerraketen gebe. Deshalb habe das Unternehmen ein kommerzielles Interesse daran, sich auf diesem umkämpften Markt zu positionieren, so Verkaufschef Marino Fragnito letztes Jahr.

Das könnte nicht der einzige Alleingang Italiens bleiben, denn laut Bloomberg spricht die Regierung von Giorgia Meloni mit SpaceX über einen Vertrag für ein sicheres Kommunikationssystem im Umfang von 1,5 Mrd. Euro. SpaceX bedient mittlerweile mehr als 4 Millionen Menschen in über 100 Ländern und Gebieten mit seinem Starlink-Satelliteninternetdienst und deckt den gesamten Globus mit Breitbanddiensten ab.

Beitragszahlungen an ESA gesunken

Italien hat zudem seinen Beitrag zur europäischen Raumfahrtagentur ESA in diesem Jahr um 81 Mill. Euro auf 800 Mill. Euro gesenkt. Allerdings haben Deutschland und Großbritannien ihre Beiträge noch stärker reduziert: Die Bundesrepublik um 220 Mill. Euro auf 952 Mill. Euro, Großbritannien um 128 Mill. Euro auf 320 Mill. Euro. Die ESA-Mitgliedsstaaten werden beim Ministerratstreffen im November in Bremen entscheiden, welche Programme sie in welchem Umfang in den nächsten drei Jahren fördern wollen. Es stellt sich auch die Frage, wie es mit der Kooperation mit der Nasa unter Trump weitergeht.

Ariane Group sei ein wahrhaft europäisches Unternehmen, sagte Konzernchef Sion. Die jetzt zu Tage tretenden Fliehkräfte bereiteten dem Joint Venture von Airbus und Safran Sorgen. „Wir müssen zur Zusammenarbeit zurückfinden, um mit Ländern wie den USA und China mithalten zu können“, ist er überzeugt. Wettbewerb habe viele gute Eigenschaften, doch sollte nicht vergessen werden, dass die Souveränität beim Zugang zum Weltraum extrem wertvoll und nicht so schnell wieder herzustellen sei, wenn sie einmal verloren sei.

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