Frankreich will industrielle Start-ups fördern
wü Paris
Während die Vertreter der sogenannten French Tech bei Finanzierungsrunden immer neue Rekorde brechen und die Liste französischer Einhörner immer länger wird, will die Regierung von Präsident Emmanuel Macron nun Start-ups aus der Industrie stärker unter die Arme greifen. Sie kündigte deshalb einen Plan über 2,3 Mrd. Euro für die nächsten fünf Jahre an. Darin vorgesehen ist auch ein neuer Fonds über 1 Mrd. Euro, der von der staatlichen Investitionsbank BPI France gemanagt werden soll. Denn Investoren haben oft eher Technologie-Start-ups auf dem Radar.
Exotec aus Croix bei Lille ist die rühmliche Ausnahme. Das 2015 gegründete Unternehmen stellt Roboter für Lagerhäuser her, etwa für Carrefour und Uniqlo. Bei einer neuen Finanzierungsrunde konnte es gerade 335 Mill. Dollar einsammeln, so dass es nun mit einer Bewertung von 2 Mrd. Dollar das 25. französische Einhorn geworden ist – als erstes Start-up aus der Industrie. Dabei habe Frankreich eigentlich gute Voraussetzungen, um Industrie-Einhörner hervorzubringen, meint Exotec-Gründer Romain Moulin. So gebe es in Frankreich etwa ein sehr gutes Ingenieurwesen.
Mehr Schwung
Die Regierung von Macron sieht das ähnlich. Die für Industrie zuständige delegierte Ministerin Agnès Pannier-Runacher stellte deshalb zusammen mit Digitalisierungsstaatssekretär Cédric O bei einem Besuch von Exotec den 2,3 Mrd. Euro schweren Plan vor, mit dem sie industriellen Start-ups zu mehr Schwung verhelfen will. „Wir müssen die Hürden für die Entwicklung, Finanzierung und Industrialisierung von Start-up-Projekten auf unserem Territorium beseitigen“, meint Pannier-Runacher.
Mit dem von ihr angekündigten Plan will die Regierung junge Unternehmen dazu bringen, ihre Produktion in Frankreich anzusiedeln statt in Niedriglohnländern. Ziel ist, pro Jahr 70 bis 100 neue Industriestandorte in Frankreich zu schaffen, geht aus Zahlen des Ministeriums von Pannier-Runacher hervor. Zum Vergleich: Letztes Jahr waren es 84.
Der Plan zur Unterstützung industrieller Start-ups ist Teil eines 30 Mrd. Euro schweren Programms, das Macron im Oktober zusätzlich zu den europäischen Aufbauhilfen und dem 100-Mrd.-Euro-Wiederaufbauplan nach der Coronakrise in Aussicht gestellt hatte, um Frankreich fit für die Zukunft zu machen. „Wenn wir uns nicht klar auf Innovationen und die Industrialisierung ausrichten, verschlimmern wir unsere Defizite“, hatte er damals gewarnt. Die ersten 3 bis 4 Mrd. Euro sollen ab diesem Jahr budgetiert werden, um die Reindustrialisierung, die Entwicklung neuer Spitzentechnologien und somit die technologische Unabhängigkeit voranzutreiben.
Wachsende Einhornherde
Neben dem Fonds, der von BPI France gemanagt werden soll, sieht der Plan einen 550 Mill. Euro schweren Topf zur Finanzierung von Subventionen und rückzahlbare Darlehen für erste Industrieanlagen vor. Ein weiterer Fonds über 350 Mill. Euro soll vermutlich im zweiten Halbjahr bereitgestellt werden, um in Investmentfonds zu investieren, die sich auf industrielle Start-ups spezialisieren. Weitere 150 Mill. Euro sind für Darlehensgarantien geplant, um erste Prototypen und Pilotwerke zu finanzieren.
Mit Exotec hat Frankreich das von Macron vorgegebene Ziel, bis 2025 auf 25 Einhörner zu kommen, diese Woche erreicht und am Dienstag mit Spendesk sogar noch überschritten. Bei dem 26. französischen Einhorn handelt sich erneut um ein Fintech. Doch nach Ansicht von Beobachtern haben mit Ynsect, Innovafeed, Aledia und Verkor weitere industrielle Start-ups gute Chancen, zur französischen Einhornherde dazuzustoßen.
Ynsect und Innovafeed sind Techfood-Unternehmen, die auf Tierfutter aus Insektenproteinen spezialisiert sind. Aledia entwickelt Bildschirme der neuen Generation, und Verkor setzt auf kohlenstoffarme Batterien.