Freie Fahrt für zwei Mal Daimler
jh München
Daimler strebt eine Erstnotiz des Nutzfahrzeuggeschäfts an der Börse im Dezember an. Einen konkreten Termin nannte Finanzvorstand Harald Wilhelm in der außerordentlichen Hauptversammlung am Freitag nicht. Zu erwarten ist der Start der Daimler Truck Holding AG jedoch zwischen Monatsanfang und Weihnachten.
Voraussetzung für die Abspaltung und Trennung in zwei börsennotierte Gesellschaften war die Zustimmung der Aktionäre. Die Hauptversammlung sprach sich mit einer klaren Mehrheit von 99,9% für das Vorhaben aus. Gut 56% des Grundkapitals waren vertreten. Beschlossen wurde auch die Umfirmierung der Daimler AG in Mercedes-Benz Group AG zum 1. Februar 2022. Für die Generaldebatte hatten 38 Aktionäre und Vertreter 139 Fragen eingereicht. Entschieden werde über einen historischen Schritt des Unternehmens, hatte der Aufsichtsratsvorsitzende Bernd Pischetsrieder zu Beginn des virtuellen Treffens gesagt.
Dass die Daimler AG mit 35% an der Daimler Truck Holding AG beteiligt bleibt, begründete der Vorstandsvorsitzende Ola Källenius mit zwei wesentlichen Aspekten: Zum einen beabsichtige die Daimler AG, das Nutzfahrzeuggeschäft über einen längeren Zeitraum zu unterstützen. Zum anderen sei das Vertrauen in das Lkw- und Busgeschäft groß: „Wir möchten an möglichen künftigen Wertsteigerungen teilhaben.“ Der Vorstand hofft auch auf den Wegfall eines Konglomeratsabschlags an der Börse.
Zudem wies Källenius darauf hin, dass ein Ankeraktionär einen gewissen Schutz vor einem Übernahmeszenario biete. Der Konzernchef erwähnte in diesem Zusammenhang auch die Verpflichtung, in den ersten 36 Monaten der Börsennotierung nur in Ausnahmefällen Aktien der Daimler Truck Holding AG zu verkaufen. „Aktuell bestehen keine Pläne, den Minderheitsanteil zu verringern“, fügte Källenius hinzu.
Fragen nach der Dividende
Auf Fragen nach der Dividende für 2021 antwortete Finanzvorstand Wilhelm, die Abspaltung sollte darauf keinen signifikanten Einfluss haben. Die Aktien von Daimler Truck seien von Januar 2022 an gewinnberechtigt. Auch das Nutzfahrzeuggeschäft werde sich an dem Grundsatz von Daimler orientieren, 40% des Konzerngewinns an die Anteilseigner auszuschütten. Am Freitag stieg der Aktienkurs um 0,9%. Mehrere Aktionäre wollten wissen, warum sich Daimler aufspaltet. Källenius hatte schon in seiner vorab veröffentlichten Rede die Erwartungen von Vorstand und Aufsichtsrat zusammengefasst (vgl. BZ vom 1. Oktober). Unter anderem sagte er, „wir gewinnen an Tempo, Flexibilität und Innovationskraft“. Getrennt könnten sich die Einheiten stärker auf die Bedürfnisse der jeweiligen Kunden fokussieren und die Herausforderungen der Transformation noch konzentrierter angehen. Källenius betonte zudem, dass die Synergien des Pkw- und Lkw-Geschäfts gering seien. Wo Kostensynergien möglich seien, würden künftig beide Unternehmen punktuell zusammenarbeiten.
Martin Daum, der Vorstandsvorsitzende der Daimler Truck AG, sagte, das Unternehmen habe sich ausgehend von einer starken Position als Weltmarktführer für Nutzfahrzeuge zwei Ziele gesteckt: Erstens wolle man das Ertragspotenzial voll ausschöpfen und zweitens die Transformation der Branche zum nachhaltigen Transport aktiv gestalten. Der Kritik der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka, für eine Premiummarke seien die Margen viel zu niedrig, gab Daum zum Teil Recht: „Die finanzielle Performance in Europa war nicht akzeptabel.“ Im deutlich profitableren Geschäft in Nordamerika setze sich Daimler Truck neue ambitionierte Ziele. Daum kündigte an, Daimler Truck werde sich künftig eigenständig am Banken- und Kapitalmarkt finanzieren. Erwartet werde ein solides Rating. Mit einem Bankenkonsortium sei eine Kreditlinie von 18 Mrd. Euro unterzeichnet worden.
Kosten der Trennung
Wilhelm bezifferte die einmaligen Kosten für die Teilung in zwei Konzerne auf rund 700 Mill. Euro. Dazu zählte er unter anderem den Aufwand für die Trennung von Finanzdienstleistungen und des Vertriebs. Zusätzlich ergäben sich Kosten für das Dividieren der Informationstechnik. Die steuerliche Belastung betrage 400 Mill. Euro, zwei Drittel davon seien temporär, berichtete Wilhelm. Für Transaktions- und Beratungskosten nannte er 100 Mill. Euro. Die laufenden Kosten der Trennung für Daimler Truck von 250 Mill. Euro im Jahr sollen sich bis 2025 auf 150 Mill. Euro verringern. Der anfangs mittlere zweistellige Millionenbetrag für Finanzdienstleistungen soll sich ebenfalls reduzieren.