Frequentis will von steigenden Militärausgaben profitieren
Im Gespräch: Norbert Haslacher
Frequentis zielt auf steigende Militärausgaben
CEO des Anbieters sicherheitskritischer Systeme will von Investitionen in Verteidigung profitieren – Zukäufe als Teil der Unternehmensstrategie
sar Frankfurt
Von Sabine Reifenberger, Frankfurt
Mit Kommunikationssystemen für Luftfahrt, Militär und Leitzentralen hat die österreichische Frequentis viele sicherheitskritische Produkte im Angebot. Die Eintrittshürden für Wettbewerber in diesen sensiblen Bereichen sind hoch. CEO Norbert Haslacher will nun von den steigenden Ausgaben für Militär und Infrastruktur profitieren.
Wer einen Flughafen betritt, wird mit den Produkten der österreichischen Frequentis kaum direkt in Kontakt kommen. Dennoch sind für den reibungslosen Flugbetrieb wichtig. Die Wiener sind nach eigenen Angaben Weltmarktführer bei Sprachkommunikationssystemen für die Flugsicherung. Ohne diese Systeme könnten Fluglotsen nicht mit den Flugzeugen sprechen. Auch bei militärischer Infrastruktur sowie in Einsatzleitzentralen von Polizei und Feuerwehr finden sich Frequentis-Produkte.
Den Umsatz steigerte das in Wien und Frankfurt gelistete Unternehmen 2024 auf 480 Mill. Euro, ein Plus von gut 12% im Vergleich zum Vorjahr. 70% entfielen auf den Bereich Air Traffic Management (ATM), der die Flugsicherung für den zivilen und militärischen Bereich umfasst. Der zweite Geschäftsbereich Public Safety & Transport (PSD) umfasst Angebote für Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste und öffentliches Transportwesen.
Frequentis erwartet Wachstum im Militärbereich
Für den Militärbereich erwartet CEO Norbert Haslacher für die kommenden Jahre deutliche Wachstumsimpulse, wie er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung erklärt. „Wir sehen weltweit einen Trend zu steigenden Verteidigungsausgaben.“ Frequentis wolle davon profitieren. „Im Militärbereich liegen die Margen deutlich höher als in der zivilen Luftfahrt und erreichen in der Regel den zweistelligen Prozentbereich“, erklärt Haslacher. Derzeit entfällt etwa ein Fünftel des Gruppenumsatzes auf den Militärbereich, die Frequentis-Produkte kommen bei Nato-Mitglieds- und Partnerstaaten zum Einsatz. Gruppenweit erzielte Frequentis im vergangenen Jahr ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) von gut 32 Mill. Euro, die Ebit-Marge lag bei 6,7%.

An der Börse hat Frequentis im zurückliegenden Jahr um mehr als ein Viertel zugelegt, der Kurs liegt um 35 Euro. Die Österreicher kommen auf eine Marktkapitalisierung von gut 470 Mill. Euro. Im Wettbewerb um neue Aufträge sieht Haslacher das 1947 gegründete Unternehmen gut positioniert, auch aufgrund der langen Geschichte. Denn die Eintrittsbarrieren in den Markt für sicherheitskritische Systeme sind hoch: „Man braucht Referenzen“, erklärt der CEO. Dafür müsse man sich um eine öffentliche Ausschreibung bewerben, diese für sich entscheiden und das Projekt erfolgreich abschließen. „Das kann bis zu zehn Jahre dauern“, schätzt Haslacher. Frequentis hingegen sei im Markt bekannt. „Wir haben Kunden in 150 Ländern.“
Hohe Eintrittsbarrieren
Um ein Produkt in einer Einsatzleitzentrale der Feuerwehr oder im militärischen Bereich überhaupt anbieten zu dürfen, müssen Unternehmen wie auch Beschäftigte regelmäßige Sicherheitsüberprüfungen durch die Behörden bestehen. Werden klassifizierte Dokumente separat unter Verschluss gehalten? Ist die virtuelle Infrastruktur angemessen gesichert? Ist das Firmengebäude gegen unbefugte Eindringlinge geschützt? Auch wer an sicherheitskritischen Projekten arbeitet oder diese verantwortet wird überprüft. „Da wird das Leben komplett durchleuchtet“ berichtet Haslacher. Der 1970 geborene Manager, der zuvor für das Softwareunternehmen Computer Sciences Corporation gearbeitet hat, musste die sogenannte Clearance wie alle Frequentis-Vorstandmitglieder durchlaufen. Seit 2015 ist Haslacher Teil des Führungsgremiums der Wiener, 2018 wurde er CEO.
Da wird das Leben komplett durchleuchtet.
Frequentis-CEO Norbert Haslacher über den Clearance-Prozess
Selbst innerhalb des Frequentis-Portfolios gibt es Töchter, die zu weiten Teilen autark agieren, etwa in Australien und den USA. „Wir haben eine Einheit in den USA, in der nur US-Bürger arbeiten“, sagt Haslacher. „Selbst wir als Eigentümer wissen nicht, welcher Kunde welches Produkt bezieht, die Meldungen zu Projekten und Umsätzen erfolgen anonymisiert.“ Für die Zentrale sei das „eine gewisse Umstellung“, räumt der CEO ein. „Aber wir gewöhnen uns daran.“ Rund 18% des Umsatzes erzielt Frequentis in den USA, wo das Unternehmen eine Firma im Militär- und zwei im zivilen Bereich hält. Auf Europa entfallen 62% Umsatzanteil. Weltweit beschäftigt Frequentis rund 2.400 Menschen aus 65 Ländern.

Haslachers Wechsel von einem Softwarehaus in den Frequentis-Vorstand ist Ausdruck eines internen Wandels. Seit 2016 stellen die Wiener ihre Produktpalette von Hardware auf margenträchtigere Softwareprodukte um. Haslachers Branchenerfahrung war gefragt. Bewusst wahrgenommen hatte dieser die Frequentis-Produkte bis dato allerdings nicht – ein häufiges Schicksal der im Hintergrund wirkenden Sicherheitssysteme: „Ich muss häufig erklären, was Frequentis eigentlich genau macht, aber ich gebe es zu: Ich kannte die Firma vorher auch nicht“, räumt Haslacher lächelnd ein.
Frequentis setzt auf Software-Geschäft
Bei 70% des Portfolios ist dem CEO zufolge der Fokus inzwischen auf Software verlagert. Das nach Umsatzbeitrag kleinere Segment für öffentliche Sicherheit und Transport, das zuerst umgestellt wurde, liefert mittlerweile zweistellige Ebit-Margen, 2024 waren es 10%. Im größeren Bereich mit ziviler und militärischer Flugsicherung lag die Ebit-Marge 2024 mit 5,3% noch darunter. „Bis das Portfolio im Bereich Air Traffic Management umgestellt ist, wird es noch vier bis fünf Jahre dauern. Ziel sind auch dort zweistellige Ebit-Margen“, sagt Haslacher.
Zur Person
Norbert Haslacher, Jahrgang 1970, ist gebürtiger Wiener. Der Betriebswirt begann seine berufliche Laufbahn bei Coopers & Lybrand Consulting, später arbeitete er 17 Jahre bei dem IT-Unternehmen CSC. Seit 2015 ist er Vorstand bei Frequentis. Seine Freizeit verbringt er mit Outdoor-Aktivitäten wie Skifahren und Mountainbiken.
Dabei setzt Frequentis auf eine konservative Finanzierungsstrategie, betont der CEO. Das Jahr 2024 beendete Frequentis mit einer Netto-Cashposition von knapp 82 Mill. Euro und einer Eigenkapitalquote von 44%. Für Forschung und Entwicklung hat Frequentis im laufenden Jahr, wie auch 2024, etwa 30 Mill. Euro veranschlagt – das ist in etwa so viel, wie das Unternehmen zuletzt als Ebit ausgewiesen hat. Die Kennzahlen zugunsten einer höheren Ausschüttung zu verändern, steht für den CEO außer Frage. „Investitionen gehen vor Dividendensteigerungen“, betont Haslacher. Der Dividendenvorschlag für 2024 liegt bei 27 Cent je Aktie.

Starker Ankeraktionär
Zwar ist Frequentis seit 2019 börsennotiert, mit Johannes Bardach gibt es jedoch einen starken Kernaktionär, der 68% der Anteile hält. Bardach war viele Jahre Geschäftsführer, nach einem Management-Buy-out wurde er 1986 Alleineigentümer der Frequentis. In den vergangenen Jahren ist das Unternehmen auch anorganisch gewachsen, zehn Zukäufe gab es seit dem IPO. Etwa 35 bis 40 potenzielle Ziele analysiert das Unternehmen Haslacher zufolge im Jahr. Finanziell sieht Haslacher Spielraum. „Unser Großaktionär will zwar die Mehrheit behalten, aber er hängt nicht an jedem Prozentpunkt.“ Bei einer großen Transaktion könne man über eine Kapitalerhöhung Mittel generieren.
Von unserer Reputation hängt alles ab. Wir liefern schließlich keine Kühlschränke.
Frequentis-CEO Norbert Haslacher
Allerdings dürfe die M&A-Aktivität die Organisation nicht überfordern, betont Haslacher. Im Fokus stünden Zielunternehmen im höheren zweistelligen Millionen-Euro-Umsatzbereich. 20% des eigenen Umsatzes gibt der CEO als Maximalgröße für einen Zukauf aus, gemessen an 2024 wären das 96 Mill. Euro. Der Qualitätsanspruch stehe an erster Stelle: „Von unserer Reputation hängt alles ab. Wir liefern schließlich keine Kühlschränke.“