GBL steigt in Gesundheitssektor ein
cru Frankfurt
Der belgische börsennotierte Finanzinvestor Groupe Bruxelles Lambert (GBL) steigt von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt mit gleich zwei Milliardendeals auf einen Schlag zum ersten Mal in den Gesundheitssektor ein. GBL übernimmt zum einen Affidea, einen Anbieter medizinischer Diagnosedienstleistungen in Europa mit Sitz in Amsterdam. Zum anderen erwerben die Belgier eine Mehrheitsbeteiligung am Augenarztnetzwerk Sanoptis, das vor allem in Deutschland und der Schweiz tätig ist.
Die beiden Deals entsprechen neben der erstmaligen Expansion im Gesundheitssektor auch dem Bestreben von GBL, den Anteil nichtbörsennotierter und alternativer Investitionen im Portfolio zu erhöhen. Langfristiges Ziel der Gruppe ist es, dass diese Anlagekategorien etwa 40% des Portfolios ausmachen – gegenüber 25% Ende 2021. In Deutschland hatte GBL 2021 bereits den Fahrradhersteller Canyon aus Koblenz erworben.
Verkäufer des Augenarztnetzwerks Sanoptis ist das Private-Equity-Haus Telemos Capital. Mit dem Verkauf beauftragt war Rothschild. GBL stellt für die Transaktion bis zu 750 Mill. Euro an Eigenkapital zur Verfügung. Inklusive Krediten liegt das Transaktionsvolumen bei mehr als 1 Mrd. Euro.
Erst 2018 gegründet
Die Sanoptis AG mit Sitz in der Schweiz wurde erst 2018 von Philippe Jacobs, Volker Wendel und Carsten Horn gegründet. Sie wurde unter Telemos durch Zukäufe ausgebaut, hat inzwischen drei regionale Praxis-Verbünde in Schleswig-Holstein übernommen und ist in kurzer Zeit zur augenscheinlich größten Augenarztkette in Deutschland geworden – mit mehr als 150 Standorten. In Norddeutschland sind mittlerweile viele Augenärzte in der Region rund um Hannover, Braunschweig und Wolfsburg bei der Kette beschäftigt.
Finanzinvestoren finden immer häufiger Gefallen an Arzpraxen: Geschätzt arbeitet mittlerweile etwa ein Fünftel aller ambulant tätigen deutschen Augenärzte in Ketten von Finanzinvestoren. Sie übernehmen auch andere Praxen – etwa von Zahnärzten, Radiologen (zum Beispiel Affidea) oder Nierenfachärzten.
Bereits im Dezember hatte der schwedische Finanzinvestor Nordic Capital, der gerade dabei ist, Deutschlands zweitgrößten Altenheimbetreiber Alloheim zu verkaufen, sich von der im Vergleich zu Sanoptis doppelt so großen Münchener Augenheilkundegruppe Veonet getrennt. Neue Eigentümer sind der kanadische Pensionsfonds Ontario Teachers’ Pension Plan und das französische Private-Equity-Haus PAI Partners. Der Kaufpreis wurde offiziell nicht mitgeteilt. Laut Finanzkreisen dürfte er in der Größenordnung von 2 Mrd. Euro liegen.
Jetzt hat GBL darüber hinaus die Vereinbarung zum Erwerb der Mehrheitsbeteiligung am auf Radiologie spezialisierten Diagnosedienstleister Affidea vom Investor B-Flexion unterzeichnet, hinter dem wiederum der italienisch-schweizerische Unternehmer und Multimilliardär Ernesto Bertarelli steht, der mit dem Verkauf seiner Biotechfirma an Merck reich geworden war. GBL werde bei Affidea bis zu 1 Mrd. Euro an Eigenkapital in die Transaktion investieren, erklärte die Beteiligungsgesellschaft. Der Mehrheitsaktionär von Affidea, B-Flexion, werde sich vollständig von seiner Beteiligung trennen, und das Affidea-Management werde gemeinsam mit GBL reinvestieren. Das 1991 gegründete Unternehmen ist mit 320 Zentren in 15 Ländern der nach eigenen Angaben führende europäische Anbieter von diagnostischer Bildgebung – mit 9000 Beschäftigten sowie 14 Millionen Diagnosen und 10 Millionen Patienten pro Jahr. GBL wurde bei dem Deal von der Kanzlei Kirkland&Ellis beraten.
„Konjunkturunabhängig“
Der Gesundheitssektor sei „konjunkturunabhängig und unterliegt langfristigen Wachstumstrends“, begründete GBL-CEO Ian Gallienne den Schritt. „Nach den jüngsten Investitionen in Webhelp, Canyon und Voodoo ist Affidea eine Fortsetzung der Strategie von GBL, das Engagement in mehrheitlich in Privatbesitz befindlichen Unternehmen zu erhöhen, die in wachsenden Märkten tätig sind und durch länger anhaltende Trends gestützt werden.“