Energiekonzern

Halbierte Wintershall vor dem Neustart

Der Gas- und Ölförderer Wintershall Dea muss sich nach der vollständigen Aufgabe des Russlandsgeschäfts und milliardenschweren Wertberichtigungen neu sortieren.

Halbierte Wintershall vor dem Neustart

swa Frankfurt

 Der Gas- und Ölförderer Wintershall Dea versucht in schwieriger Lage die strategische Neuausrichtung. Mit dem vollständigen Rückzug aus Russland verliert die BASF-Tochtergesellschaft etwa die Hälfte ihres Geschäfts, was Produktion und Reserven anbelangt. Mit Blick auf die Finanzkennzahlen ist der Aderlass etwas begrenzter. So trug das Russlandgeschäft zuletzt rund 25% zum operativen Ergebnis (Ebitdax) bei, aber immerhin 30 bis 40% zum Cashflow.

Wintershall werde die Strukturen an das veränderte Portfolio anpassen und das Geschäft außerhalb Russlands stärken, sagt CEO Mario Mehren der Börsen-Zeitung. Der Manager räumt ein, dass seine Gesellschaft aus schwerer Krise heraus agieren müsse. „Das Fundament unserer Arbeit ist in seinen Grundfesten erschüttert“, beschreibt Mehren die Lage. Er zeigt sich zuversichtlich, ein „komplementäres Business“ aufbauen zu können. Wintershall wolle im internationalen Geschäft als Energieversorger moderat wachsen und die Aktivitäten jenseits fossiler Energie klimagerecht diversifizieren.

Die finanziellen Konsequenzen des vollständigen Rückzugs aus Russland sind für Wintershall und die Muttergesellschaft BASF fatal. Wintershall wird im Jahr 2023 in Summe Wertberichtigungen von rund 7 Mrd. Euro auf die Russland-Aktivitäten zu verdauen haben. Darin enthalten sind Abschreibungen auf die Joint Ventures mit Gazprom in Russland, auf die Ostseepipeline Nord Stream und auf das in der Wiga gebündelte deutsche Transportnetz.

Konten abgeräumt

Wintershall ist nach den Worten von Mehren in Russland über mehrere Dekrete der Regierung faktisch wirtschaftlich enteignet worden. „Wir haben noch Aktien, aber das sind wertlose Hüllen“, sagt er. Wintershall habe keine Stimmrechte und keine Gewinnanteile mehr, Gewinne seien von russischer Seite rückwirkend abgeschöpft worden.

Die zuletzt noch auf russischen Konten gesperrten 2 Mrd. Euro „sind weg“, ergänzt Mehren. Gazprom habe die Konten der Joint Ventures „abgeräumt“. Wintershall könne nichts dagegen tun, könne es nur „hinnehmen“. Wintershall wiederum wolle den Rückzug aus Russland unter Einhaltung aller anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen vollziehen. In Russland seien 60 Mitarbeitende an Bord, davon 25 delegierte nichtrussische Beschäftigte.

Wie die Gesellschaftsanteile in Russland am Ende verwertet werden können, sei noch zu klären. Es existierten Bundesgarantien – BASF sprach zuletzt davon, dass Assets von etwas mehr als 2,5 Mrd. Euro abgesichert seien. Laut Mehren wird Wintershall alle Möglichkeiten prüfen, um den Schaden zu reduzieren.

Wintershall bewahrt sich nach Angaben des Managements trotz der hohen Wertberichtigungen ihre finanzielle Flexibilität. Mehren verweist auf die zum Ende des dritten Quartals 2022 ohne die in Russland feststeckenden Gelder ausgewiesene Liquidität von 4 Mrd. Euro. Die für 2021 noch an die beiden Gesellschafter BASF und Letter One ausstehende Dividende sei im vierten Quartal 2022 gezahlt worden.

Winterhall hat sich nach den Worten von Mehren seit Beginn des Ukraine-Krieges mit einem „disziplinierten Ausgabenverhalten“ auf den Fall des Falles vorbereitet. Es habe Ende des dritten Quartals keine Nettoverschuldung gegeben. Einen Einblick in die Jahreszahlen will Mehren erst am 23. Februar mit der Bilanzvorlage geben. Das Eigenkapital war Ende September mit 8,6 Mrd. Euro ausgewiesen worden. Eine starke Bilanz und ein Investment-Grade-Rating sollen gewährleistet werden.

Mit Blick auf das mehrfach verschobene IPO sagt Mehren, der Rückzug aus Russland helfe sicher, das Unternehmen börsenfähiger zu machen. Das konkrete Timing sei Sache der Gesellschafter.

Bei BASF spiegelt sich das Russland-Desaster in einem erwarteten Jahresverlust von 1,4 Mrd. Euro. An der Börse führte das nicht dauerhaft zu Kursverlusten, zumal der Cashflow eine veritable Dividende zulassen sollte und es im operativen Geschäft keine Überraschung gibt.