Hellofresh muss sich neuer Normalität stellen
Hellofresh muss sich
neuer Normalität stellen
Kochboxen-Anbieter kämpft mit Fixkosten – Abschreibungen auf Fertigungskapazitäten
hek Frankfurt
Der Kochboxenversender Hellofresh hat das Nachfragewachstum überschätzt. „Wir waren bei der Vorhersage des künftigen Neukundenvolumens – ausgehend von den Verhältnissen kurz nach der Pandemie – zu optimistisch“, räumt der Vorstand in einem Brief an die Aktionäre ein. Nun ist die Fixkostenbasis zu hoch, Rentabilität und Cashflow liegen unter den langfristigen Zielwerten. Die Folge ist ein Niedergang des Aktienkurses um bis zu 95% im Vergleich zu den Topkursen aus dem Jahr 2021.
Abschreibungen auf Fertigungskapazitäten
Inzwischen arbeitet Hellofresh daran, die Kostenbasis an die neue Normalität anzupassen. Erste Auswirkungen zeigen sich im zweiten Quartal. Zwar schrumpfte die operative Umsatzrendite, gemessen am adjustierten Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda), von 10,0% im Vorjahreszeitraum auf 7,5%. Doch fiel der Rückgang schwächer aus als befürchtet. Die US-Bank J.P. Morgan und die Investmentbank Jefferies bezeichnen das Quartalsergebnis als überraschend stark. Die im MDax vertretene Aktie reagierte am Dienstag im Handelsverlauf mit einem Kurssprung von 11%. Angesichts der hohen Short-Position in der Aktie dürften Eindeckungen von Leerverkäufern zu dem Kursplus beigetragen haben.
Anlaufkosten einzelner Produktionsstätten hätten die Marge gedrückt, geht aus dem Zwischenbericht hervor. Die Neujustierung der Fertigungskapazitäten für Kochboxen in Nordamerika führte zu Wertminderungen von 45 Mill. Euro im ersten Halbjahr. Davon entfielen 32 Mill. Euro auf das zweite Quartal. CEO Dominik Richter stimmt die Analysten auf weitere Abschreibungen ein. Es sei möglich, „dass da noch mehr kommt“, sagt der Mitgründer in der Telefonkonferenz. Die weiteren Belastungen könnten auch das Geschäft außerhalb Nordamerikas betreffen.
Ausblick bestätigt
Am Jahresausblick mit 350 Mill. bis 400 Mill. Euro bereinigtem Ebitda und zwischen 2 und 8% währungsbereinigtem Umsatzwachstum hält das im November 2011 gegründete Unternehmen fest. Dieser am 8. März kommunizierte Ausblick hatte damals auf ganzer Linie enttäuscht und zu einem historischen Kurssturz von 42% an einem Tag beigetragen.
Im dritten Quartal, das traditionell schwach ausfällt, will Hellofresh besser abschneiden als im Startquartal 2024. Angepeilt werden zwischen 30 Mill. und 50 Mill. Euro bereinigtes Ebitda. Für das zweite Quartal berichten die Berliner 146,4 Mill. Euro adjustiertes Ebitda, ein Rückgang um 23,7% im Jahresvergleich. Dieses Ertragsniveau will der Konzern im Jahresschlussviertel übertreffen.
Bestellwert steigt
Während die Zahl der Bestellungen im zweiten Quartal um 3,6% auf 28,9 Millionen zurückging, legte der durchschnittliche Bestellwert zu konstanten Wechselkursen um 4,7% auf 66,60 Euro zu. Hinter diesen Trends steht die schrumpfende Zahl neuer Kochboxen-Kunden, während Premium- und personalisierte Mahlzeiten, Zusatzprodukte, niedrigere Preisanreize und der wachsende Fertigessen-Anteil den Orderwert stützen. Der durchschnittliche Bestellwert sei das zwölfte Quartal in Folge gestiegen, heißt es.
In Summe verharrte der Quartalsumsatz bei knapp 2 Mrd. Euro, währungsbereinigt 0,9% mehr als in der Vorjahreszeit. Wobei der Spartenaufriss stark gegenläufige Entwicklungen offenbart: Während das Hauptgeschäft mit Kochboxen, die sämtliche Zutaten zum Selberkochen eines Gerichts enthalten, zu konstanten Wechselkursen um 9,9% auf 1,41 Mrd. Euro schrumpfte, expandierte die auf Nordamerika konzentrierte Ready-to-Eat-Schiene um 45,2% auf 519 Mill. Euro. In Bezug auf die Marge liegen die Kochboxen mit 12,2% allerdings noch klar vor dem neuen Fertigessengeschäft mit 4,0%.
Investitionen werden eingebremst
Die Bruttomarge sackte vor allem infolge höherer Produktionskosten von 28,8% in der Vorjahreszeit auf 26,0%. Firmenchef Richter will mit weiteren Einsparungen gegensteuern: „Das beinhaltet die Optimierung von Kapazitäten, die Überprüfung von Investitionsplänen und die effiziente Nutzung bestehender Produktionsstätten“, kündigt der CEO an. Im ersten Halbjahr wurden die Investitionsausgaben von 169,3 Mill. auf 96,0 Mill. Euro zurückgeführt. Auf der Finanzierungsseite hat Hellofresh ein Darlehn von 190 Mill. Euro arrangiert, vor allem um bestehende Schulden abzulösen.
Hellofresh meldet für das zweite Quartal geringere Gewinneinbußen als befürchtet. Das gibt der schwer gebeutelten Aktie Auftrieb. Das neue Geschäft mit Fertiggerichten floriert, doch der Verkauf von Kochboxen schrumpft. Das Management muss sparen, Investitionspläne stehen auf dem Prüfstand.
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