Hellofresh steht unter Dampf
hek Frankfurt – Der Kochboxanbieter Hellofresh ist im dritten Quartal unerwartet stark gewachsen, doch die operative Marge hat sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum halbiert. Das Management führt die Ertragseinbußen vor allem auf Anlaufkosten für neue Lieferzentren zurück. Das währungsbereinigte Umsatzwachstum im Gesamtjahr veranschlagt das vor zehn Jahren gegründete Unternehmen nun auf 57 bis 62%. Damit dürften die Erlöse etwa 6 (2020: 3,75) Mrd. Euro erreichen.
„Das Geschäft steht wirklich unter Dampf“, sagt CEO und Mitgründer Dominik Richter. Investoren honorierten Quartalsbericht und erhöhte Umsatzprognose mit einem Kurssprung von 17% am Dienstag. Damit macht die in den Dax aufgestiegene Aktie einen Teil der Kursabschläge seit Ende August wieder wett. Die Investmentbank Jefferies stuft die Zahlen als „beeindruckend“ ein.
An dem im August auf 8,25% bis 10,25% gesenkten Margenausblick hält Hellofresh fest. Nach neun Monaten stehen vor Sondereinflüssen 9% des Umsatzes als Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) in den Büchern. In dieser Region dürfte die Marge auch im Gesamtjahr liegen, wie im Analysten-Call deutlich wurde.
Im dritten Quartal gab das bereinigte Ebitda um 30,4% auf 79,8 Mill. Euro nach. Analysten hatten im Median mit 81,2 Mill. Euro und im Durchschnitt mit 87,5 Mill. Euro gerechnet. Die Marge plumpste von 11,8% im Vorjahreszeitraum auf 5,6%. Richter nennt dafür eine Reihe von Gründen. So kamen die saisonalen Einflüsse – Juli und August sind traditionell schwache Monate – wieder stärker zum Tragen. Die Fixkosten verteilen sich dann auf weniger Bestellungen, und der Konzern benötig zusätzliche Verpackungen, damit die Mahlzeiten frisch bleiben. Der saisonale Effekt, der im vergangenen Jahr durch den pandemiebedingten Schub abgeschwächt wurde, macht laut Richter etwa zwei Prozentpunkte aus. Hinzu kamen ein Produktionsausfall infolge von Sturmschäden in den USA, der Lockdown in Australien, Lohnsteigerungen und Preisanhebungen für Zutaten.
Ein zentraler Punkt sind offenbar die Anlaufkosten für neue Lieferzentren. Die hätten der Marge einen kleinen Schlag versetzt, räumt Richter ein. Aufgrund der boomenden Nachfrage baut Hellofresh die Kapazitäten stark aus. Inzwischen verfügt der Konzern weltweit über 25 Fulfillmentcenter. Die Hälfte der Kapazität befindet sich den Angaben zufolge in der Ramp-up-Phase. Typischerweise bräuchten neue Fertigungsstätten etwa neun Monate, bis sie reibungslos laufen. In den kommenden Jahren will Hellofresh „hunderte Millionen Euro“ in die Automatisierung der Werke stecken, um die Lieferzeiten von derzeit vier Tagen weiter zu verkürzen.
Japan im Blick
Auch für Marketing hat Hellofresh mehr ausgegeben als im dritten Quartal 2020. Diese Kostenposition absorbierte 14,8% des Umsatzes, zwei Prozentpunkte mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Ausgaben lägen aber noch unter der Jahres-Guidance von 15%, sagt Finanzvorstand Christian Gärtner. Im vergangenen Jahr hatte Hellofresh das Marketing zurückgefahren, weil das Unternehmen mit Kapazitätsengpässen kämpfte.
Die Kostenbelastungen zeigen sich auch in der Deckungsbeitragsmarge, die von 26,7% im dritten Quartal 2020 auf 22,5% absackte. Trotz der Investitionen in Lieferzentren, Technologie und Personal sei der Cash-flow positiv geblieben, hebt Richter hervor. Der freie Mittelzufluss erreichte im dritten Jahresviertel noch 17,7 Mill. Euro, was freilich weit hinter dem Vorjahreswert von 118,5 Mill. Euro zurückbleibt.
Nach dem Markteintritt in Norwegen und zuletzt in Italien bereitet Hellofresh nun die Expansion nach Japan vor. Die ersten Auslieferungen könnten im Dezember erfolgen, vielleicht werde es auch Anfang 2022, kündigt Richter an.
Im dritten Quartal legten die Erlöse währungsbereinigt um 45% auf gut 1,4 Mrd. Euro zu. Analysten hatten im Median lediglich mit 1,32 Mrd. Euro gerechnet. Der Konzern, dessen Kochboxen im Abo-Modell mit Rezepten und abgemessenen Zutaten direkt an die Haustür geliefert werden, kommt mittlerweile auf 6,94 Millionen Kunden, knapp 39% mehr als Ende September 2020. Die Übernahme von Factor75 in den USA und Youfoodz in Australien wertet Richter als großen Schritt, um die Fertigessenschiene weltweit auszurollen. Wichtigster Markt des in Berlin ansässigen Konzerns sind die USA mit einem Umsatzanteil von 55%.
Kommentar Seite 1
Hellofresh | ||
Konzernzahlen nach IFRS | ||
9 Monate | ||
in Mill. Euro | 2021 | 2020 |
Kundenzahl (Mill.) | 6,9 | 5,0 |
Bestellungen (Mill.) | 27,6 | 19,5 |
Umsatz | 1 416 | 970 |
Ebitda | 80 | 115 |
in % des Umsatzes | 5,6 | 11,8 |
Periodenergebnis | 23 | 75 |
Operativer Cash-flow | 85 | 135 |
Zahlungsmittel | 955 | 723 |
Warenkorb (Euro) | 51,30 | 49,70 |
Börsen-Zeitung |