Immer mehr Wagnis
hei Frankfurt – Der deutsche Beteiligungsmarkt zeigt von Krise keine Spur. Rund 6,6 Mrd. Euro wurden hierzulande in der ersten Jahreshälfte investiert, wie der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften mitteilt. Die Branche sei in allen Segmenten „sehr investitionsfreudig“, so Verbandschefin Ulrike Hinrichs. Nachdem auch im Coronajahr 2020 mit 14,8 Mrd. Euro nahezu ebenso viel Beteiligungskapital geflossen ist wie im vorausgehenden Rekordjahr 2019, zeigt sich der Markt damit offensichtlich ziemlich krisenresistent.
Hinrichs geht davon aus, dass die Beteiligungsgesellschaften die Pandemie hinter sich gelassen haben. Dazu trägt vor allem eine deutlich gestiegene Wagnisbereitschaft bei. Mit 2,25 Mrd. Euro floss in Deutschland bis Ende Juni so viel Venture Capital wie noch nie in einem ersten Halbjahr. Dies war nicht nur doppelt so viel wie in der Vorjahresperiode, sondern auch bereits mehr als die insgesamt 1,94 Mrd. Euro im Jahr 2020. Haupttriebfeder waren dabei die Finanzierungsrunden deutscher Unicorns (Einhörner), also reifer Start-ups in Spätphasen-Finanzierungen. Milliardenschwere Kapitalaufnahmen wie die von Celonis, die zum ersten Decacorn Deutschlands mit einer Bewertung von mehr als 10 Mrd. Dollar aufgestiegen ist, sowie bei Flixbus oder Trade Republic bestimmten das Geschehen. Deutsche Beteiligungsgesellschaften investierten hier an der Seite von internationalen Investoren. Hinrichs warb dafür, „diesen Schwung“ zu nutzen, um weitere „Leuchttürme“ in Deutschland zu bauen.
Deutlich verfehlt
Von insgesamt 627 mit Beteiligungskapital versorgten Unternehmen in der ersten Jahreshälfte erhielten 376 Venture Capital. Klassische Buy-out-Deals wurden bis Ende Juni nur 65 hierzulande gezählt. Die Investitionssumme verfehlte mit 2,39 Mrd. Euro deutlich den Wert des Vorjahreshalbjahrs von 5,08 Mrd. Euro. Insgesamt summierten sich Buy-outs 2020 auf 11,6 Mrd. Euro. Der BVK rechnet allerdings damit, dass in Richtung Jahresende einige der zuletzt angekündigten Transaktionen noch abgeschlossen werden und das Volumen daher noch erkennbar steigt. Zu den größten bisher verkündeten Übernahmen gehören der Kauf von Rodenstock durch Apax oder von Engel & Völkers durch Permira sowie auch der Eigentümerwechsel bei Birkenstock, die an L Catterton und die Arnault-Familienholding Financière Agache gingen.
Das Geschäft mit klassischen schuldenfinanzierten Übernahmen ist für Private Equity in den vergangenen Jahren härter geworden, wie zahlreiche Bietgefechte gezeigt haben. Aktuell balgen sich EQT und Hellman & Friedman um den Haustierbedarfshändler Zooplus. Die Bietgefechte treiben die Preise und schmälern die angestrebten Renditen. Das Hauen und Stechen im Beteiligungsmarkt ist auch ein Grund, warum viele große Private-Equity-Gesellschaften mit speziellen Growth-Fonds ihren Fokus zunehmend auf die spätphasige Start-up-Szene richten.
Mittelstandsorientierte Minderheitsbeteiligungen summierten sich in der ersten Jahreshälfte auf 1,91 (0,29) Mrd. Euro und übertrafen das Volumen der Vorjahresperiode damit deutlich.