J.P. Morgan erwartet Wende bei Firmen-Bonds
cru Frankfurt
Die Sommerpause, die von Mitte Juli bis Mitte August bei den Emissionen von Unternehmensanleihen in Europa geherrscht hat, ist vorbei. „Wir erwarten einen aktiven September“, sagt Matthias Reschke, Leiter Investment Grade Finance für Europa, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.
Der Kapitalmarkt für Unternehmensanleihen sei derzeit gespalten: „Bei den Investment-Grade-Bonds von Schuldnern mit guter Bonität ist wieder viel los. Umgekehrt sieht es bei Hochzinsanleihen von Emittenten mit schlechten Ratings aus. Dort ist die Preisfindung noch schwierig, das Volumen schrumpfte deshalb gegenüber dem Vorjahr um fast 75%“, sagte Reschke.
Die Zinserhöhungen der Notenbanken haben die Renditen nach oben getrieben: Die Rendite der 10-jährigen deutschen Bundesanleihe stieg im August um mehr als 0,7 Prozentpunkte auf 1,54% und verzeichnete damit den größten monatlichen Anstieg seit 1990. Die Rendite der 10-jährigen britischen Staatsanleihe kletterte von 1,8% Anfang August auf 2,8%.
Hochzinsanleihen schwierig
High-Yield-Emittenten verhalten sich nach Reschkes Beobachtung typischerweise opportunistisch: Sie nutzen die Gelegenheit, wenn die Konditionen gerade günstig sind, und refinanzieren dann ihr gesamtes Schuldenvolumen für einen langen Zeitraum. Doch derzeit sind die Konditionen relativ unattraktiv. „Dazu beigetragen hat auch die EZB, weil sie seit Juli keine zusätzlichen Anleihen mehr kauft. Damit gibt es jetzt erstmals seit langer Zeit wieder einen normalen Markt ohne neue Kaufprogramme der EZB.“ Finanzieren könnten sich Unternehmen auch jetzt theoretisch noch. Die Frage sei nur, ob man dies zu den jetzt geltenden Konditionen tun wolle.
Anders sieht es bei Investment-Grade-Anleihen aus. „Seit Mitte August ist der Investment-Grade-Markt sehr aktiv“, sagte Reschke. In den USA wurden im August Investment-Grade-Anleihen mit einem Gesamtvolumen von 117 Mrd. Dollar emittiert. Das war der dritthöchste August-Wert aller Zeiten. Das zeigt deutlich, dass sich die Risikobereitschaft der Anleger etwas erholt hat.
Investment Grade läuft gut
In Europa waren es 42 Mrd. Euro – ebenfalls ein Wert deutlich über dem langjährigen Durchschnitt. „Anfang Juli waren die Risikoaufschläge auf sichere Staatsanleihen noch relativ hoch. Im Juli und Anfang August erfolgte dann eine für Emittenten sehr attraktive Einengung der Spreads“, sagte Reschke. So begab etwa der Stromerzeuger RWE in der Woche vom 15. August eine Milliardenanleihe, bald danach auch Eon.
Ein Teil der Marktentwicklung im Sommer war technisch bedingt durch ein geringes Emissionsvolumen. Dies hat zu größeren Auftragsbüchern geführt, wie z.B. 3 Mrd. Euro für die jüngsten Volvo- und RWE-Transaktionen. „Danach hat sich der Markt gedreht und Risikoaufschläge sind jetzt fast wieder da, wo sie im Juli waren“, berichtet Reschke. Selbst Versorger könnten sich trotz der Energiekrise neu verschulden – selbst dann, wenn ihre Liquidität in Frage steht, weil sie hohe Nachschusspflichten für derivative Absicherungsgeschäfte haben.
Der Hintergrund: Stromerzeuger verringern gewöhnlich das Risiko ihrer Verkäufe an Haushalte und Unternehmen gerne, indem sie vor dem Verkauf des physischen Stroms Leerverkaufspositionen an den Terminmärkten eingehen. Bei solchen Geschäften muss der Erzeuger zusätzliche Sicherheiten – „Margin“ – bei der Clearingstelle der Börse hinterlegen, wenn der Wert des zugrunde liegenden Vermögenswerts steigt. Angesichts der sprunghaft angestiegenen Strompreise führt dies derzeit zu hohen Nachschusspflichten. Das auf Energiethemen spezialisierte Analysehaus Baringa beziffert die aktuellen „Margin Calls“ auf rund 1 Bill. Euro.
Die Energiekonzerne beraubt das aber nicht der Möglichkeit, Fremdkapital zu besorgen: „Alles ist eine Frage der Preisdiskussion“, sagt Reschke. „Es gibt keinen Sektor, der von den Investoren pauschal und grundsätzlich ganz gemieden wird.“