Start-up-Kooperationen im Fokus

Kartellärger gefährdet KI-Ambitionen von Big Tech

US-Kartellbehörden greifen die KI-Kooperationen der Tech-Riesen an. Gerade Microsoft rückt wegen eines Deals mit dem Start-up Inflection AI in den Fokus. Investoren befürchten nun, dass der regulatorische Druck Kooperationen schwieriger macht.

Kartellärger gefährdet KI-Ambitionen von Big Tech

Kartellärger gefährdet KI-Ambitionen von Big Tech

Kooperationen von Microsoft, Alphabet und Amazon im Fokus der Behörden – Risiko für Entwicklungsfähigkeit der „großen Drei“

US-Kartellbehörden greifen die KI-Kooperationen der Tech-Riesen an. Gerade Microsoft rückt wegen eines Deals mit dem Start-up Inflection AI in den Fokus. Investoren befürchten nun, dass der regulatorische Druck Kooperationen schwieriger macht – und damit die Innovationsfähigkeit der Großkonzerne beschneidet.

xaw New York

Amerikas Technologieriesen drohen auf ihrem hoffnungsvollsten Zukunftsfeld schwere Rückschläge. Denn nachdem die US-Wettbewerbsaufsicht FTC eine Untersuchung zur Partnerschaft zwischen Microsoft und dem Start-up Inflection AI eingeleitet hat, herrscht auch um andere Kooperationen einiger der größten US-Konzerne zu künstlicher Intelligenz (KI) bedeutende kartellrechtliche Unsicherheit.

Seriengründer angeheuert

Das Einfallstor für die FTC, die unter ihrer seit 2021 amtierenden Vorsitzenden Lina Khan um eine stärkere Kontrolle von Big Tech ringt, öffnete sich im März. Damals heuerte Microsoft den Seriengründer Mustafa Süleyman als Leiter einer Einheit an, die Endkundenprodukte auf KI-Basis entwickelt. Der Brite ist für sein Engagement bei der 2014 von Google übernommenen Deepmind bekannt, die er 2010 mit Geschäftspartnern ins Leben rief. Süleyman verließ das Unternehmen Anfang 2022, um seine neue Firma Inflection AI zu gründen. Mit dieser sammelte er in den beiden Folgejahren 1,5 Mrd. Dollar von Investoren um Microsoft und den Chipdesigner Nvidia ein und erzielte eine Bewertung von 4 Mrd. Dollar.

Inflection-AI-Gründer Mustafa Süleyman ist im März zu Microsoft gewechselt. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Alastair Grant.

Dann jedoch folgte der Wechsel zu Microsoft AI, bei dem er große Teile seines Teams mitbrachte. Im Gegenzug zahlte der Softwareriese aus Redmond, Washington, eine Lizenzgebühr von rund 650 Mill. Dollar, um Kunden die zugrundeliegende Technologie von Inflection AI über seine Cloud-Computing-Einheit zur Verfügung stellen. Die Bestandsinvestoren des Start-ups erhielten die Mitteilung, dass sie langfristig durch die Erlöse aus den entsprechenden Microsoft-Verkäufen ausgezahlt würden.

Vorwurf Schattenübernahme

Was der Tech-Konzern als nächsten Schritt auf dem Weg vermarktete, die KI-Aktivitäten nach Investments in den ChatGPT-Entwickler OpenAI und das französische Start-up Mistral zu diversifizieren, ist der FTC nun ein Dorn im Auge. Die Wettbewerbsaufsicht wirft gegenüber Microsoft und Inflection AI die Frage auf, ob der Softwareriese sich mit dem Deal die Kontrolle über Inflection AI gesichert und zugleich eine kartellrechtliche Prüfung umgangen hat. Angefordert habe die Behörde dabei Dokumente, die rund zwei Jahre zurückreichen.

Kurz darauf erzielte die FTC auch eine Einigung mit dem anderen großen US-Kartellregulator, dem Justizministerium in Washington. Der Generalbundesanwalt der Vereinigten Staaten erhält dabei die Untersuchungsgewalt darüber, ob der Chipdesigner Nvidia gegen Wettbewerbsrecht verstoßen hat. Die Wettbewerbsbehörde prüft hingegen die Praktiken von Microsoft und OpenAI.

Putschversuch abgewürgt

Der Konzern hat seit 2019 rund 13 Mrd. Dollar in das Start-up investiert. Im Gegenzug sicherte sich das Unternehmen eine effektive Beteiligung von 49% an den künftigen Gewinnen des jungen Unternehmens, rüstete die Suchmaschine Bing auf und lancierte einen KI-Copiloten für die Office-Produktsuite. Im vergangenen November würgte Microsoft-CEO Satya Nadella einen Putschversuch des OpenAI-Verwaltungsrats gegen Sam Altman, den Mitgründer und Chef des Start-ups, ab – was Analysten als weiteren Beweis für die tiefgreifende Kontrolle des Softwareriesen über die Tech-Schmiede werteten.

Microsoft-Chef Satya Nadella würgte im vergangenen Jahr einen Putschversuch bei OpenAI ab. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Alex Brandon.

Darauf rückten die KI-Aktivitäten der Tech-Riesen noch stärker in den Fokus der Kartellregulatoren. Mit Alphabet, Microsoft und OpenAI sowie Amazon und deren Kooperationspartnerin Anthropic forderte die FTC zu Jahresbeginn mehrere Unternehmen auf, tiefere Informationen zu ihren Anlagen in die Technologie vorzulegen. Die Aufsicht wolle „ein Licht darauf werfen, ob Investitionen und Kooperationen dominanter Unternehmen das Risiko bergen, Innovation zu beeinträchtigen und einen fairen Wettbewerb zu unterminieren“, betonte Behördenchefin Khan.

Konzerne wehren sich

Die Tech-Riesen wehren sich gegen Vorwürfe des Fehlverhaltens. Microsoft betont, durch die Partnerschaft mit OpenAI sogar den Wettbewerb gestärkt zu haben. Denn ihre Investments in das Start-up hätten dazu beigetragen, dessen große Sprachmodelle weiterzuentwickeln und zu verfeinern und somit einen neuen Herausforderer in der Szene geschaffen.

FTC-Chefin Lina Khan ringt um eine stärkere Kontrolle von Big Tech. Foto: picture alliance / Sipa USA | Michael Brochstein.

„Solche Deals verschaffen Microsoft Rechte am intellektuellen Eigentum der Start-ups“, betont Karen Kharmandarian, Chief Investment Officer bei der Natixis-Tochter Thematics Asset Management. Auch wenn es sich technisch gesehen wohl nicht um M&A-Deals handle, könnten sich US-Regulatoren allein dadurch in ihren Untersuchungen legitimiert sehen, dass die Technologieriesen sich einer formellen Kartellprüfung der Kooperationen bisher entzogen hätten.

Inwieweit Amerikas Wettbewerbsbehörden den KI-Partnerschaften dauerhaft im Weg stehen könnten, sei aktuell zwar noch schwierig einzuschätzen. Allerdings seien lang anhaltende Rechtsstreitigkeiten um die Kooperationen möglich – mit ungewissem Ausgang. „Das könnte heißen, dass andere, ähnlich strukturierte Deals sich als wesentlich schwieriger realisierbar erweisen, weil der regulatorische Fokus sich so stark geschärft hat“, führt Kharmandarian aus.

Start-ups treiben Innovation

Dies habe Folgen für die Innovationsfähigkeit der Tech-Riesen. Neue Entwicklungen seien zuletzt vor allem durch junge Unternehmen wie OpenAI, Inflection AI oder Anthropic und nicht durch die „großen Drei“ getrieben. „Haben Amazon, Alphabet und Microsoft keinen Zugang mehr zum intellektuellen Eigentum und den großen Sprachmodellen der Start-ups, würde dies einen klaren Rückschlag bedeuten“, unterstreicht Kharmandarian.

Schließlich setzten sie deren KI-Anwendungen in bestehenden Produkten ein und hätten daran Milliardeninvestments in ihren Cloud-Sparten geknüpft. Zwar verfügten die Großkonzerne über ausreichend Finanzkraft, Datensätze und Rechenkapazitäten, um auch intern noch innovativ zu sein. Allerdings werde ihre Entwicklungsfähigkeit dadurch gehemmt, dass Schwächen und Fehlschläge sich stark negativ auf ihre Markenimages auswirken und damit schwer kontrollierbare finanzielle Risiken nach sich ziehen könnten.

Für die Start-ups seien die Kooperationen indes entscheidend, um auf die Infrastruktur und Finanzkraft der Tech-Riesen zugreifen und ihre Sprachmodelle trainieren zu können. Sorge der schärfere regulatorische Fokus dafür, dass Kooperationen infrage stünden, müssten die jungen Firmen im Zweifel andere Finanzierungsquellen anzapfen. Neben Kapitalspritzen durch Private Equity würden dann auch vermehrt Börsengänge auf den Plan rücken – die angesichts des Booms um generative KI an den öffentlichen Märkten auf reges Interesse stoßen dürften.

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