Wettbewerbsrecht

Kartellamt verschärft Gangart bei Tech-Riesen

Deutschlands Kartellwächter lassen der Digitalwirtschaft keine lange Leine – die Reform des Wettbewerbsrechts macht es möglich. Sie lässt auch die Sorge vor zunehmenden Fusionsmeldungen infolge der Pandemie schwinden. Kartellprüfungen kamen derweil coronabedingt bislang noch zu kurz.

Kartellamt verschärft Gangart bei Tech-Riesen

dwo Düsseldorf

Das Bundeskartellamt fokussiert sich auch künftig auf die Überprüfung von US-Techriesen wie Facebook und Amazon. Das Vorgehen gegen digitale Plattformen, seit Jahren ein Schwerpunkt der Bonner Behörde, war nie wichtiger als heute, wie Präsident Andreas Mundt vor der Presse erläuterte. „Manche Entwicklungen in der Wirtschaft wurden durch die Pandemie weiter beschleunigt. Das gilt vor allem für die Macht großer Internetkonzerne.“

Die Bonner Behörde ist seit Jahren darauf bedacht, diese Marktmacht im Auge zu behalten und Missbräuche zu unterbinden – und rühmt sich mit mehreren gewonnenen Verfahren. Im Januar verschaffte ihr das novellierte Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) mehr Befugnisse auch zur Prävention. Die Kartellwächter können seitdem bei Unternehmen mit „überragender marktübergreifender Bedeutung“ früher eingreifen und Verhaltensmaßnahmen gegen mögliche Marktbehinderung vorschreiben.

Der erweiterten Missbrauchsaufsicht kam das Bundesamt laut Mundt sofort „beherzt“ nach. Neben den teils langwierigen Verfahren gegen Amazon, Apple, Facebook und Google wegen möglicher Marktverstöße laufen inzwischen auch vier Feststellungsverfahren gegen die Konzerne. Ob und wann diesen eine überragende Wettbewerbsstellung attestiert wird, kann Mundt nicht abschätzen – schließlich bewegten sich die Bonner auf rechtlichem Neuland. Sollten sie weitergehende Schritte machen und tiefer in die Wettbewerbspraktiken der Konzerne eingreifen dürfen, bedeutet das ohnehin nicht automatisch leichtes Spiel: Denn noch sei unklar, wie die Unternehmen reagierten. „Sind sie kooperativ oder wehren sie sich mit allen Mitteln?“

Fusionswelle bleibt aus

Die nötigen Kapazitäten scheinen jedenfalls gegeben, denn die noch im vergangenen Jahr gefürchtete Flut an Fusionsverfahren infolge der Coronakrise sieht Mundt nicht mehr. Im Gegenteil: Durch hochgeschraubte Umsatzschwellen im GWB gingen die Fusionsanmeldungen derzeit zurück und dürften mittelfristig um 40% zum Schnitt der letzten Jahre abnehmen. 2019 hatten 1400 Vorhaben auf dem Tisch der Marktaufsicht gelegen, 2020 waren es 1200. Neun 2020 eingereichte Zusammenschlüsse gingen in die vertiefte Prüfung. Zwar seien gerade die großen Fälle in der Pandemie belastend und im Falle eines Insolvenzanstiegs drohten insgesamt schwierigere Verfahren. Gleichwohl bleibt die präventive Fusionskontrolle laut Mundt „unser schärfstes Schwert“, auch im Digitalbereich, da sich Monopole verhindern lassen.

Einen „Fusionsbonus“ will der Kartellamtspräsident in der Pandemie niemandem einräumen. Er gestand aber ein, dass der Lebensmittelhandel derzeit ein schwieriges Feld sei – sichtbar ist das am Geschachere um die Real-Standorte mit Wettbewerbern wie Kaufland und Edeka. Kooperationen stehen die Kartellwächter außerdem weiterhin wohlwollender gegenüber, wenn es um Corona und das Hochfahren von Produktion oder Lieferketten geht. Neben der Freigabe einer B2B-Notfallplattform für Impfzubehör in diesem Frühjahr verwies Mundt auf Anfragen aus der Automobil- und Zuliefererbranche, die früher vielleicht nicht so schnell durchgewunken worden wären. Von Aushöhlen des Wettbewerbs will er aber nichts wissen: Jede Kooperation werde „im Lichte der veränderten wirtschaftlichen Bedingungen“ geprüft.

Gelitten hatte zuletzt die Kartellverfolgung, weil Durchsuchungen pandemiebedingt schwieriger oder ausgesetzt waren. Ab dem Sommer erwarten die Prüfer eine Normalisierung der Lage. „Wir freuen uns jetzt schon sehr darauf, wenn wir wieder rausgehen können“, sagte Mundt.