Keine Rückstellungen für Aktienoptionen in der Steuerbilanz
Von Peter Oser *)Börsennotierte Gesellschaften, insbesondere Start-ups, incentivieren ihre Vorstände und (leitenden) Angestellten nicht selten auch mit Gewährung von Aktienoptionen, die regelmäßig – entsprechend der Empfehlung 4.2.3 des Deutschen Corporate Governance Kodex – an bestimmte künftige Erfolgsziele, beispielsweise Ebitda oder Ereignisse wie den Verkauf der Anteile an einen Investor anknüpfen.Für die Bilanzierung aktienbasierter Vergütungen ordnet IFRS 2 Share Based Payment an, dass der beizulegende Zeitwert, also der Fair Value der Aktienoptionen, zum Zeitpunkt ihrer Zusage (Grant Date) als Personalaufwand unter Dotierung der Kapitalrücklage über den Erdienungszeitraum (Service Period) aufwandswirksam zu erfassen ist. Im HGB ist die Bilanzierung von Aktienoptionsplänen weder durch Gesetz noch durch einen Standard des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee geregelt, und die Meinungen im Fachschrifttum gehen zum Teil weit auseinander. Dieser Befund scheint nicht ganz untypisch, wie zwei aktuelle EuGH-Urteile vom 15.6.2017 (C-444/16, C- 445/16 aus Belgien) belegen.Ganz anders erweist sich ein Blick ins (Ertrag-)Steuerrecht: So hatte der Bundesfinanzhof (BFH) bereits mit Urteil vom 25.8.2010 (I R 102/09) entschieden, dass ein Aktienoptionsprogramm, das durch die Ausgabe neuer Aktien im Zuge einer bedingten Kapitalerhöhung bedient wird, in der Steuerbilanz nicht steuermindernd geltend gemacht werden darf. Ratio des Urteils ist, dass durch die verbilligte Ausgabe neuer Aktien nicht das Vermögen der Gesellschaft, sondern das der Altaktionäre berührt wird.Mit Urteil vom 15.3.2017 (I R 11/15) hatte der BFH neuerlich über die steuerliche Behandlung von Aktienoptionen zu befinden und entschied, dass eine AG für Verpflichtungen aus einem Optionsprogramm keine Rückstellungen bilden kann, wenn die Optionen nur ausgeübt werden können, falls der Verkehrswert der Aktien zum Ausübungszeitpunkt einen bestimmten Betrag (hier: 10 % des Ausübungspreises) übersteigt und/oder wenn das Ausübungsrecht davon abhängt, dass es in der Zukunft zu einem Verkauf des Unternehmens oder einem Börsengang kommt. Der Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Ereignisse sei dabei ohne Belang. Kumulative BedingungenIm Streitfall konnten die Berechtigten ihr Bezugsrecht nur ausüben, wenn kumulativ ein Exit-Ereignis eintrat und wenn der Verkehrswert mindestens 10 % über dem Ausübungspreis pro Aktie lag. Zudem hatte die AG das Recht, bei Ausübung einer Option nach eigenem Ermessen zu bestimmen, dass statt der Ausgabe von Optionsaktien ein deren Verkehrswert entsprechender Barausgleich an den Teilnehmer gezahlt wird (Ersetzungsrecht), das sie denn auch ausübte. In ihren Bilanzen 2006 bis 2010 bildete sie sodann für ihre Zahlungsverpflichtungen entsprechende Rückstellungen.Der BFH lehnte die Bildung einer Rückstellung für die Pflicht zur Zahlung eines Barausgleichs ab, da sie an den Bilanzstichtagen weder rechtlich entstanden noch wirtschaftlich verursacht war. So belege bereits das in den Optionsbedingungen festgelegte Erfolgsziel (Verkehrswert größer 1,1-mal Ausübungspreis) einen “nicht unmaßgeblichen Zukunftsbezug der Optionsverpflichtungen”. Dies gelte selbst dann, wenn wie im Streitfall der Aktienwert zum jeweiligen Bilanzstichtag den Schwellenwert bereits überschritten habe und keine Anhaltspunkte für ein baldiges Sinken unter den Schwellenwert bestehen. Darüber hinaus scheitere die Rückstellungsbildung auch und bereits allein an dem zusätzlichen Ausübungserfordernis des Exit-Ereignisses, zumal dies im freien Ermessen der Anteilseigner der AG stehe.Die Entscheidung des BFH, die nicht zwingend ist, reiht sich in die Rechtsprechung des I. Senats ein und hätte auch auf das Kriterium der hier fehlenden Unentziehbarkeit der Verpflichtung gestützt werden können: Hätte die AG ihren Geschäftsbetrieb am Bilanzstichtag eingestellt, könnte sie sich ihrer Pflicht zur Zahlung eines Barausgleichs entziehen.Da der BFH im Anwendungsbereich des Maßgeblichkeitsgrundsatzes entschieden hat, können keine Einwendungen erhoben werden, wenn das Urteil auch für die Bilanzierung in der Handelsbilanz zugrunde gelegt wird. Indes bestehen gegen die in der Praxis bislang übliche ratierliche Aufwandserfassung über die Service Period in der Handelsbilanz gleichermaßen keine durchgreifenden Bedenken. Reale VermögensbelastungBedauerlicherweise hat sich der BFH nicht zu der Feststellung der Vorinstanz, des Finanzgerichts Münster, geäußert, dass auch eine Erfüllung von Aktienoptionsplänen durch zurückerworbene eigene Aktien keine Betriebsausgabe rechtfertigt, da eigene Aktien wie die Ausgabe echter neuer Aktien (Kapitalerhöhung) bilanziert würden. Dem ist entschieden zu widersprechen, da der Rückerwerb eigener Aktien – anders als bei einer Kapitalerhöhung – jedenfalls dann zu einer realen Vermögensbelastung der AG führt, wenn der Bezugspreis wie in der Praxis üblich günstiger als ihr Erwerbspreis ist.—-*) Prof. Peter Oser ist Partner von EY.