Erhebung von Air Street Capital

KI-Investoren wenden sich von der EU ab

Investoren haben in diesem Jahr gigantische Summen in KI-Firmen gepumpt. Allerdings profitieren vor allem die USA von dem Hype. Die Europäische Union gerät trotz einzelner Erfolge ins Hintertreffen.

KI-Investoren wenden sich von der EU ab

KI-Investoren wenden sich von der EU ab

Air Street Capital: Finanzierung für Start-ups in der Union geht deutlich zurück – Investitionen in Großbritannien über Vorjahr

kro Frankfurt

Konjunkturschwäche, Zinswende und Inflation haben Investoren in diesem Jahr nicht davon abgehalten, gigantische Summen in KI-Firmen zu pumpen. Ein Blick auf die weltweite Verteilung zeigt allerdings, dass vor allem die USA von dem Hype profitieren. Die Europäische Union gerät dagegen trotz einzelner Erfolge ins Hintertreffen.

Während Europa derzeit an der Ausgestaltung des weltweit ersten umfassenden Regelwerks für künstliche Intelligenz feilt, verliert die Region in der weltweiten KI-Mittelverteilung laut einer Studie an Bedeutung. So haben Wagniskapitalinvestoren im laufenden Jahr bislang 3,4 Mrd. Dollar in KI-Unternehmen mit Sitz in der EU gesteckt, wie aus dem "State of AI Report 2023" des Londoner Wagniskapitalgebers Air Street Capital hervorgeht. Im vergangenen Jahr waren es fast 9 Mrd. Dollar. Für die Analyse haben sich die Studienautoren auf Zahlen des Datenanbieters Dealroom gestützt.

Auch wenn das laufende Jahr noch nicht vorbei ist, steht die Region damit deutlich schlechter da als die Vereinigten Staaten oder Großbritannien, wo die bisherigen Investitionen mit knapp 38 Mrd. Dollar bzw. 3,6 Mrd. Dollar schon jetzt jeweils das gesamte Vorjahr übersteigen. Der Anteil der beiden Länder an den weltweiten KI-Investitionen ist dadurch gleichermaßen gestiegen: Die USA vereinten zuletzt 74% aller Mittel auf sich, nach 54% im Vorjahr. In Großbritannien wuchs der Anteil von 5,5% im Jahr 2022 auf nun 7%. In der EU schrumpfte der Anteil hingegen von fast 14% im Vorjahr auf nun knapp 9%.

USA haben die meisten KI-Einhörner

Durch die gestiegenen Investitionen konnten Großbritannien und die USA die Anzahl ihrer sogenannten KI-Einhorn-Unternehmen – also Start-ups, die mit mehr als 1 Mrd. Dollar bewertet werden – in diesem Jahr ausbauen: In den USA wuchs die Herde von 307 im Vorjahr auf mittlerweile 316. In Großbritannien stieg die Zahl von 23 auf 26.

In der Europäischen Union kam in diesem Jahr bislang dagegen nur ein KI-Einhorn hinzu: das Kölner Übersetzungs-Start-up DeepL, das aus dem Online-Wörterbuch Linguee hervorgegangen ist und das im Januar laut Medienberichten eine 100 Mill. Dollar schwere Finanzspritze von Bessemer Venture Partners und Institutional Venture Partners aus Kalifornien, von Atomico aus London und vom US-japanischen World Innovation Lab-Fonds erhalten hat. Damit zählt die EU derzeit 36 KI-Einhörner.

Run auf generative KI

Weltweit flossen in diesem Jahr bislang gut 51 Mrd. Dollar in junge KI-Unternehmen. Im gesamten vergangenen Jahr waren es 64 Mrd. Dollar. Dabei zeigen die Zahlen, dass es hauptsächlich generative KI war – also Technologien zur Erzeugung von Texten, Bildern, Videos oder anderen Inhalten –, auf die sich die Investoren 2023 gestürzt haben. Ohne den Boom bei generativer KI wären die Investitionen im Vergleich zum Vorjahr um 40% eingebrochen, schreiben die Autoren des Berichts von Air Street Capital.

Bei Dealroom finden sich derzeit 20 Start-ups, die generative KI anbieten und die zuletzt mit mindestens 1 Mrd. Dollar bewertet wurden. Das größte Schwergewicht ist dabei ChatGPT-Macher OpenAI, der zuletzt eine Bewertung von 90 Mrd. Dollar angestrebt haben soll. Danach folgt mit großem Abstand die Entwicklerplattform Github mit 7,5 Mrd. Dollar.

In Großbritannien ist dieses Jahr noch die 2017 gegründete Synthesia hinzugekommen, die sich auf Text-zu-Video-Technologie spezialisiert hat. Dabei können Nutzer Videos von Menschenköpfen kreieren, die einen zuvor eingegebenen Text sprechen. Mitte Juni hatte die Firma 90 Mill. Dollar in einer Series-C-Finanzierungsrunde eingesammelt.

Drei Ansätze zur Regulierung

Die Autoren der "State of AI"-Studie haben auch die unterschiedlichen Herangehensweisen an das Thema KI-Regulierung analysiert und dabei eine Festigung dreier grundlegender Ansätze festgestellt. So würden Länder wie Großbritannien und Indien auf bestehende Vorschriften und Datenschutzgesetze bauen und in der Kommunikation die wirtschaftlichen und sozialen Vorteile von KI betonen. Das heißt aber nicht, dass die Länder in der Angelegenheit komplett untätig sind. Die britischen Wettbewerbshüter haben etwa im September Prinzipien für den Einsatz von KI vorgeschlagen, die sowohl den Wettbewerb als auch den Verbraucherschutz stärken sollen.

Im Gegensatz zu diesem eher zurückhaltenden Regulierungsansatz stehen der Studie zufolge die Europäische Union und China. In beiden Fällen ist hier eine sehr weitreichende Gesetzgebung in Arbeit. In der EU verhandeln die Kommission, der Rat und das Parlament derzeit über die finale Version des AI Acts, der zwischen Ende 2024 und Anfang 2026 erwartet wird. In China, wo die KI-Investitionen in diesem Jahr ebenfalls deutlich eingebrochen sind, sind zudem Mitte August vorläufige KI-Richtlinien in Kraft getreten, denen ein umfassendes Gesetz noch in diesem Jahr folgen soll.

In den USA sei es hingegen unwahrscheinlich, dass es in naher Zukunft zu einem Bundesgesetz zur KI-Regulierung kommt, schreiben die Autoren. Das Land verfolge vielmehr einen Mittelweg, der auf freiwilligen Verpflichtungen basiere und auf Gesetzen, die von einzelnen Bundesstaaten erlassen wurden.

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