Im BlickfeldDigitale Infrastruktur

Flickenteppich bremst das Wachstum bei Glasfaser

Der Nachholbedarf bei digitaler Infrastruktur beflügelt derzeit die Investorenfantasie bei Rechenzentren. Derweil kehrt nach der Goldgräberstimmung bei Glasfaser Ernüchterung ein: Pleiten, Pech und Pannen bestimmen das Bild.

Flickenteppich bremst das Wachstum bei Glasfaser

„Konsolidierung ist kein Allheilmittel“

Ein Flickenteppich bremst Wachstum bei Glasfaser, Kreditgeber erhöhen Risikoaufschläge und ein 1-Euro-Deal lässt die Warnlampen angehen.

Der Nachholbedarf bei digitaler Infrastruktur beflügelt derzeit die Investorenfantasie bei Rechenzentren. Derweil kehrt nach der Goldgräberstimmung bei Glasfaser Ernüchterung ein: Pleiten, Pech und Pannen bestimmen das Bild, M&A steht unter schlechten Vorzeichen.

Von Heidi Rohde, Frankfurt

Während Rechenzentren – getrieben vom globalen KI-Fieber – gerade den nächsten Goldrausch unter Investoren auslösen, stellt sich bei einer anderen digitalen Infrastruktur immer mehr Ernüchterung ein. Obwohl Deutschland im internationalen Vergleich bei der Glasfaserpenetration aufholt, lässt die Wachstumsdynamik merklich nach. „Die ganze Branche hat Herausforderungen, was den Tiefbau angeht", stellt Branchenpionier David Zimmer, Mitglied im Beirat der Deutsche Glasfaser, fest. Mitunter gebe es beim „Ausbau zwei Jahre Wartezeit“. Jüngste Gerüchte, dass die Investoren des zweitgrößten Glasfaserunternehmens hierzulande versucht haben sollen, Teile der Firma abzustoßen, bezeichnete er als „vollkommen aus der Luft gegriffen“. Deutsche Glasfaser habe ein Ausbauziel von 6 Millionen Anschlüssen (homes passed), das allerdings erst 2030 erreicht werden soll. Bisher hat der Anbieter 4,2 Millionen Häuser erschlossen. Insgesamt sollen deutlich über 5 Mrd. Euro investiert werden.

Perspektiven eingetrübt

Dass sich gleichwohl in der Branche Krisensymptome mehren, weiß indes auch Zimmer. „Wer mit einer Penetration von 25% in einem Ausbaugebiet arbeitet, kann seine Investition nicht zurück verdienen“, so der Manager und unterstreicht, dass Deutsche Glasfaser im Durchschnitt mit 50% unterwegs sei, teilweise darüber. Dennoch haben sich die Perspektiven in Deutschland insgesamt eingetrübt, weil die noch unversorgten Gebiete zunehmend einem Flickenteppich gleichen, was eine Anbindung und die Skalierung des Geschäfts erschwert. Das „organische Wachstum“ erweist sich also in der Branche „als immer schwieriger, weil immer mehr Gebiete bereits im Ausbau beplant sind und zudem die Deutsche Telekom Wettbewerber strategisch überbaut, aber M&A ist komplex", betont Zimmer.

„Die Integration ist so komplex, dass sich die Übernahme einer Firma mit weniger als 100.000 potenziellen Kunden in der Regel nicht lohnt.“

Mit gestiegenen Zinsen in den zurückliegenden Jahren und Bremsspuren beim Wachstum sind die Bewertungen ohnehin unter Druck. Multiples zwischen 15 und 18 bezogen auf das operative Ergebnis vor Abschreibungen sind Experten zufolge noch möglich, gehören aber zugleich für viele kleinere Player ins Reich der Wunschträume. Denn die größeren Spieler, die den Markt konsolidieren könnten, sind zögerlich. „Die Integration ist so komplex, dass sich die Übernahme einer Firma mit weniger als 100.000 potenziellen Kunden in der Regel nicht lohnt“, so Zimmer. Infrafibre Germany, die Ende vergangenen Jahres dem Vernehmen nach für einen symbolischen Euro den Besitzer gewechselt hat, soll nur 50.000 Kunden gehabt haben. Das Unternehmen wurde von UGG geschluckt, hinter der Allianz Capital und Telefónica als Investoren stehen.

Lücken im Geschäftsmodell

Christoph Forster, Partner und Restrukturierungsexperte bei Strategy&, rechnet damit, dass sich eine Bereinigung der Branche „nach einem ähnlichen Muster wie in Großbritannien abspielen könnte“. Dort gab es neben einer Reihe von Insolvenzen auch Übernahmen durch Private Equity. Die Finanzinvestoren profitieren beim Aufkauf angeschlagener Glasfaserunternehmen davon, „dass sie direkt über eine fertiggestellte Infrastruktur und stabile Prozesse verfügen. Das ist attraktiv“, unterstreicht Michael Weiß, ebenfalls Partner und Restrukturierungsexperte bei Strategy&. Unterdessen sei die vielbeschworene „Konsolidierung kein Allheilmittel“, sagt er. Zum einen skalieren viele kleinere Marktteilnehmer in Deutschland dann „immer noch nicht im messbaren Bereich“, zum anderen tun sich mitunter noch „weitere Lücken im Geschäftsmodell auf“, etwa in der Content-Vermarktung.

„Zinssenkungen reichen nicht, wenn das Geschäftsmodell ursprünglich auf Nullzinsen gestützt war.“

Zur wachsenden Herausforderung wird für viele Firmen in dem kapitalintensiven Geschäft die Refinanzierung. Denn der jüngst von der EZB eingeleitete Zinssenkungszyklus hilft wenig. „Zinssenkungen reichen nicht, wenn das Geschäftsmodell ursprünglich auf Nullzinsen gestützt war“, so Weiß. Hinzu kommt: „Kreditgeber und Investoren haben ihre Frühindikatoren stark verschärft.“ In einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld wächst die Sorge der Banken vor Kreditausfällen. In der Glasfaserbranche wird ein Risikoaufschlag schon deshalb fällig, weil 1-Euro-Deals wie der bei Infrafibre oder handfeste Pleiten wie die von Glasfaser Direkt oder Hello Fiber die Warnlampen angehen lassen.

Auch die Globalconnect Group, die bisher in Norddeutschland tätig war, zieht den Stecker. Die schwerpunktmäßig in Skandinavien tätige Gesellschaft „setzt neue Prioritäten in Wachstumsmärkten“, zu denen Deutschland künftig nicht mehr zählt. Ein Exit ohne Käufer, wie er möglicherweise noch häufiger vorkommen wird. EY Parthenon rechnet in den kommenden Jahren mit einer Konsolidierungswelle in der Glasfaserbranche, bei der von den derzeit rund 260 Anbietern, zu denen auch zahllose kleine Stadtwerke zählen, nur rund 90 übrig bleiben dürften.

Viele Hürden

Derweil erscheint der Ausbaufortschritt bei Glasfaser in den Augen von Sören Grabowski, Partner bei EY-Parthenon, ohnehin etwas „geschönt“. Irreführend ist auch die Kennzahl „homes passed“, denn die bloße Erschließung von Straßenzügen „erzeugt noch keinen realen Cashflow“, so der Experte. Die sogenannte Take-up-Rate liege demgegenüber nur bei 25% im Schnitt der Branche und „vielleicht 10% sind tatsächlich in Nutzung“. Auch wenn Beobachter nicht müde werden, den „stetig und langfristig steigenden Bedarf an Bandbreite“ zu betonen, kommt die Nachfrage tatsächlich nur schleppend in Gang. „Viele Kunden benötigen soviel Bandbreite heute noch nicht, entsprechende Applikationen fehlen und daher auch die Zahlungsbereitschaft.“ Die „mangelnde organisatorische Erfahrung“ und die „wachstumsbedingten prozessualen Probleme“ vieler Anbieter tun aus Sicht von Grabowski ein Übriges, um die Marktentwicklung zu bremsen.

Open Access läuft nicht an

Einen Schub könnte der Markt durch „eine Terminierung des Kupfernetzes der Telekom bekommen oder durch neue Produkte, die auf die Leistungsfähigkeit von Glasfaser angewiesen sind", befindet der Manager. In anderen Ländern sei das teilweise geschehen, womit mehr Transformationsdruck entsteht. In Deutschland ist ein solches Vorgehen allerdings nicht absehbar. Auch Grabowski hält eine Konsolidierung für unausweichlich, aber schwierig. Zu den großen Playern gehören neben der Telekom, die auf Kartellhürden stößt, die Deutsche Glasfaser und die Deutsche Giganetz. Hinter letzterer steht die DWS und der internationale Infrastrukturinvestor Infrared Capital Partners. Selbst für diese Firmen, die ihre Finanzierung solide aufgestellt haben – im Falle von Deutsche Glasfaser und Deutsche Giganetz auch mit einer breitangelegten Fremdkapitalaufnahme bei einem vielzähligen Bankenkonsortium – steckt ein Geschäftsmodell, das eine gute Netzauslastung gewährleistet, noch in den Kinderschuhen. Denn Wholesale, also die Vermietung von Netzkapazitäten an Dritte, kommt nicht mal bei bei den größeren Playern in Gang. „Die Verhandlungen sind komplex, die Preisfindung, technische Schnittstellen und anderes mehr behindern den Fortgang“, so Grabowski.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.