Kühne + Nagel spiegelt Optimismus wider
dz Zürich –
Die vielfältigen Verknappungserscheinungen im Güterhandel haben auf den globalen Transportmärkten zu massiven Preisverzerrungen geführt. Die besonders erfolgreichen Logistikkonzerne wie Kühne + Nagel (K+N) profitieren nicht nur von den massiv gestiegenen Frachtraten, sondern auch von einer günstigen Zusammensetzung der transportierten Waren.
Indirekt bestätigen lässt sich die Beobachtung durch die erstaunliche Entwicklung der Profitmargen, die sich im Fall von K+N in den vergangenen Jahren verdoppelt haben (siehe Grafik). Der weltweit führende Anbieter von See- und Luftfrachtdienstleistungen arbeitet zwar schon seit geraumer Zeit daran, die eigene Wertschöpfung zu vertiefen, um einem ausgewählten Kundenkreis mit besonderen Ansprüchen raffiniertere Logistiklösungen verkaufen zu können. Doch die Unterbrechungen der Lieferketten während der Jahre der Pandemie haben diesen Trend offensichtlich beschleunigt.
Dies zeigt sich nicht zuletzt am Umstand, dass K+N im zurückliegenden Jahr auch in der Seefracht eine Marge vor Abschreibungen (Ebitda) von etwa 10% erreichen konnte. Solche Renditen waren vor der Krise in der Branche nur aus der Luftfracht bekannt. Diese vergleichsweise teure Transportart ist naturgemäß besonders zeitkritischen oder wertvollen Lieferungen vorbehalten. Dennoch sind die Margen von Kühne + Nagel in den ersten beiden Pandemiejahren auch im Luftfrachtgeschäft deutlich gestiegen.
So lag der durchschnittliche Betriebsgewinn (Ebit) pro 100 Kilogramm auf dem Luftweg transportierte Ware 2021 bei 53 sfr – verglichen mit 31 sfr im Jahr davor. In der Seefracht schnellte das Ebit pro Standardcontainer in der gleichen Zeit aber von 93 sfr auf 331 sfr empor.
„Wir haben schon vor der Pandemie auf Kundennähe, nachhaltige Personalplanung und zukunftsweisende Technologie gesetzt. Das hat sich in der Pandemie ausgezahlt und wir konnten die Umsetzung unserer Strategie sogar noch beschleunigen“, beglückwünscht sich das Unternehmen selbst.
Unbesehen davon werden sich die K+N-Aktionäre aber auch die Frage stellen müssen, welchen Anteil an diesen Zusatzgewinnen das Unternehmen durch eigene Leistungen erarbeitet hat und im Idealfall auch längerfristig halten kann. Die schiere Dimension der Gewinnexplosion legt die Vermutung nahe, dass sich der größte Teil der aktuellen Zusatzprofite in den kommenden Jahren wieder verflüchtigen wird.
Derweil trauen die Bond-Analysten von Credit Suisse dem Konzern heuer den zweiten historischen Supergewinn in Folge zu. 2,6 Mrd. sfr lautet ihre Prognose für das Reinergebnis – 600 Mill. sfr mehr als 2021. Dabei war schon 2021 ein absolutes Ausnahmejahr, von dem zunächst nicht anzunehmen war, dass es sich schnell wiederholen, geschweige denn übertreffen ließe.
Mutige Aktieninvestoren gingen die Wette vor zwei Jahren aber entschlossen ein und verschafften den schon zuvor stark nachgefragten K+N-Valoren zwischen September 2020 und September 2021 einen Kursgewinn von rund 100%. Dreiviertel davon hat sich inzwischen in Luft aufgelöst. Die Kurskorrektur nimmt vorweg, dass die tief hängenden Früchte in der Logistik geerntet sind. Tatsächlich zeigen die einschlägigen Indizes über die Entwicklung der Seefrachtraten schon seit einiger Zeit einen starken Rückgang der Frachtpreise für Standardcontainer auf den wichtigsten Routen zwischen China, Europa und den USA.
Wie tief diese Raten noch fallen können, ist von der Entwicklung des Welthandelsvolumens abhängig. Dieses scheint mit der Zäsur der Finanzkrise vom langfristigen Wachstumspfad abgekommen zu sein. Manche Beobachter sehen darin bereits das Ende der Globalisierung.
Weniger spekulativ erscheint die These, dass viele Unternehmen inzwischen eine rasche Diversifizierung ihrer Lieferketten in Angriff genommen haben. Das ist derzeit auch die große Hoffnung der Logistiker. Nicht nur K+N verspricht sich viel davon, die Rolle als begehrte Partnerin von Industrie und Handel über die Krise hinaus behalten und ausbauen zu können.
Doch im Logistikmarkt kann der Wettbewerb jeden Businessplan schnell in Makulatur verwandeln. K+N operiert als globale Marktführerin mit einem Marktanteil von gerade mal 5%. Viele Investoren überlegen, was das bedeuten könnte, wenn ein rezessives oder mindestens weniger wachstumsträchtiges Geschäftsklima Einzug halten sollte. An eine problemlose Weitergabe des inflationsbedingten Kostenanstiegs ist in einem solchen Szenario kaum mehr zu denken.
Den K+N-Investoren sei in Erinnerung gerufen, dass ihre Aktien vor Ausbruch der Pandemie auf einem Niveau von etwa 165 sfr notierten und die Titel auch nach der scharfen Korrektur in den vergangenen zwölf Monaten bei Kursen um 220 sfr immer noch ein Drittel höher stehen. Damit suggeriert die Börse eine schmerzfreie Normalisierung bei K+N.