Leerverkäufer nehmen Immobilienfirmen aufs Korn
Bloomberg Frankfurt
Nach dem Ende der Ära des billigen Geldes und der scheinbar endlos steigenden Immobilienpreise nehmen Leerverkäufer europäische Vermieter verstärkt ins Visier. Nun greift Muddy Waters mit einem Bericht die Immobiliengruppe Vivion Investments an, die Hotels und Büros in Deutschland und Großbritannien besitzt. Vivion ist mindestens das fünfte Immobilienunternehmen, das im Laufe von gut einem Jahr von Leerverkäufern öffentlich angeprangert wird.
Vivion Investments reiht sich ein in eine Liste, zu der auch Adler Group, die britischen Gesellschaften Civitas Social Housing und Home Reit sowie der schwedische Vermieter Samhallsbyggnadsbolaget i Norden (SBB) gehören.
Die unerbetene Aufmerksamkeit kommt in einer Phase, in der rasch steigende Zinssätze auf die Bewertungen drücken und die Refinanzierung der Schuldenberge der Vermieter schwieriger machen. Ein Großteil der Verbindlichkeiten wurde über die Anleihemärkte aufgenommen, auf denen die Ankaufprogramme der Europäischen Zentralbank für stabile Nachfrage sorgten, die die Zinsen niedrig hielten und auch risikoreicheren Emittenten halfen.
Kritik an Mietenhöhe
Muddy Waters wirft Vivion vor, Hotels von nicht näher genannten verbundenen Unternehmen betreiben zu lassen, denen überhöhte Mieten berechnet würden. Diese rechtfertigen dann eine höhere Bewertung der Immobilien, für die das Unternehmen großzügig Kredite aufnehmen konnte. Vivion entgegnet, der Bericht sei ungenau und fehlerhaft.
Viceroy Research hat Adler im Oktober 2021 mit einer Reihe von Anschuldigungen attackiert, die sich ebenfalls auf überhöhte Bewertungen und Geschäfte mit verbundenen Parteien beziehen. Adler bestreitet die Vorwürfe. KPMG untersuchte die Anschuldigungen und sprach das Unternehmen zwar von systematischem Betrug frei, konnte aber nicht alle Vorwürfe widerlegen.
SBB steht ebenfalls im Fadenkreuz von Viceroy. Dem Unternehmen wird angekreidet, seine relative Verschuldung zu niedrig angegeben zu haben. SBB hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Der Konzern hat inzwischen große Teile seines Portfolios veräußert, um die Schuldenlast zu reduzieren und die Solidität der Bewertungen nachzuweisen. Im Juli veröffentlichte SBB Details zum Cashflow, um auf die Vorwürfe zu reagieren, die ihre Rechnungslegung in Frage stellen.
Zu spüren sind die Auswirkungen auch bei Unternehmen, die Verbindungen zu den angegriffenen Vermietern haben. Das mussten beispielsweise Aggregate Holdings, Corestate Capital und Accentro Real Estate erfahren. Eine Welle von Umschuldungen und Portfolioverkäufen war die Folge.
„Für Vermieter war es recht einfach, sich massiv zu verschulden, da die zugrundeliegenden Preise jedes Jahr in die Höhe schossen“, meint Benoit Soler, ein High-Yield-Fondsmanager bei Keren Finance. „Dubiose Manager haben sich der EZB-Party einfach angeschlossen.“ Die Vorwürfe haben zu einem Ausverkauf europäischer Immobilienaktien und -anleihen beigetragen.
Ausverkauf
Auch Unternehmen mit robustem Geschäft wurden von dem Ausverkauf erfasst. „Der Abverkauf ist wahllos. Wir haben etwa 20 mittelgroße Firmen identifiziert, die grundsätzlich solide sind und/oder bei denen wir Wertpotenziale sehen, und die in einen Topf geworfen werden mit solchen, die aus verschiedenen Gründen zerschlagen werden“, sagt Saul Goldstein, Gründer des Private-Equity-Investors Activum SG Capital Management.
Eine Reihe von Immobilienunternehmen hat damit begonnen, Schulden umzustrukturieren – mit unterschiedlichem Erfolg. Adler hat mit einigen Gläubigern eine Umschuldung vereinbart, durch die frisches Kapital zugeführt und Fälligkeiten verlängert würden, stößt damit aber bei anderen Bondholdern auf Widerstand (Bericht Seite 7). Adler-Aktionär Aggregate hat Gläubiger seiner Tochter Vic Properties um Zahlungsaufschub gebeten. Corestate Capital erhält 10 Mill. Euro Brückenfinanzierung im Rahmen einer Umschuldung, während Accentro die Laufzeit einer Anleihe verlängert.
Da in einigen Fällen die Vorwürfe der Leerverkäufer die Vermieter von den Kapitalmärkten abgeschnitten haben, ist der Verkauf von Liegenschaften vielfach die einzige Option, um Geld für den Schuldendienst aufzubringen. Angesichts steigender Zinssätze, fallender Bewertungen und schwacher Konjunktur ist das ein schwieriger Kampf. Dennoch wagen einige Finanzinvestoren den Sprung. SBB hat im vergangenen Monat einen Anteil an einem Portfolio von Schulgebäuden für rund 1 Mrd. Euro an Brookfield verkauft. Blackstone hat Lagerhäuser von der schwedischen Corem Property Group für 5,35 Mrd. Kronen (490 Mill. Euro) übernommen.