Lieferprobleme belasten Firmen mehr als Inflation
kro Frankfurt
Steigende Preise und unterbrochene Lieferketten werden seit einiger Zeit als die zwei größten Plagen der Weltwirtschaft angesehen. US-Unternehmen aus dem Russell-1000-Index bewerten diese Belastungsfaktoren gemäß einer Studie bislang allerdings recht unterschiedlich. Während die Lieferkettenproblematik bei den Konzernen durchaus auf die Stimmung schlägt, versetzt die Inflation die Firmenlenker noch nicht ganz so arg in Alarmbereitschaft, heißt es in einer Untersuchung der japanischen Investmentbank Nomura, für die das Analystenteam mit Hilfe von intelligenten Algorithmen insgesamt 24 Millionen Sätze aus Analystenkonferenzen seit dem Jahr 2007 ausgewertet hat.
Dabei haben die Experten festgestellt: Auch wenn beide Aspekte in jüngster Zeit deutlich häufiger auf der Agenda stehen als in der Vergangenheit, werden sie von vielen Unternehmen nach wie vor überhaupt nicht angesprochen. So wurden Lieferkettenschwierigkeiten in der letzten untersuchten Dreimonatsperiode von etwas über 600 Unternehmen erwähnt. Die Inflation ist dagegen von weniger als der Hälfte aller Unternehmen diskutiert worden.
Dort, wo die Themen zur Sprache gekommen sind, war die Haltung der Unternehmen zwar überwiegend, aber auch nicht ausschließlich negativ. „Tatsächlich sehen sich einige Firmen dadurch sogar im Vorteil“, heißt es in der Studie. Andere wiederum würden in ihren Konferenzen nur darüber sprechen, um zu demonstrieren, dass sie die Problematiken auf dem Schirm haben, ohne dabei aber eine negative oder positive Haltung einzunehmen. Und dennoch: Unter dem Strich sei die negative Grundstimmung bei beiden Aspekten in jüngerer Zeit auf ein erschreckend hohes Niveau gesprungen, so die Autoren. Dabei ist es vor allem die Lieferkettenthematik, die den Unternehmen Sorgen bereitet. Hierzu haben sich von August bis November 2021 insgesamt 58 % der Firmen negativ geäußert; bei der Inflation waren es dagegen nur 30 %. Einige Unternehmen schienen sich demnach in einer guten Position zu sehen, um mit den steigenden Preisen klarzukommen, heißt es. Manche hofften sogar, davon zu profitieren. Letztlich könnten die Unternehmen auch vielfach selbst an der Preisschraube drehen, was ihnen möglicherweise mehr Zuversicht gibt.
Nicht erst seit Corona
Ein Blick auf die zurückliegenden Jahre zeigt auch, dass die negative Stimmung in Bezug auf die Lieferkettenthematik schon seit längerem zunimmt und nicht erst mit der Corona-Pandemie Einzug gehalten hat. Tatsächlich steigt der Anteil derjenigen, die das Ganze als Problem wahrnehmen, bereits seit 2017. Im gleichen Maße sinkt seitdem der Anteil jener Firmen, die für sich daraus positive Schlüsse ziehen. Die Autoren führen dies auf die Anfänge der Handelsstreitigkeiten zwischen China und den USA zurück, die 2018 in die ersten vom damaligen US-Präsidenten Donald Trump verhängten Strafzölle auf Importe aus China mündeten. In den Folgejahren kam es von beiden Seiten zu weiteren Beschlüssen über Sonderabgaben, die den Handel der beiden Wirtschaftsmächte stark einschränkten.
Ein zeitnahes Ende des geopolitischen Konflikts ist derzeit noch nicht in Sicht. Nach Einschätzung der Autoren dürften die daraus resultierenden Probleme für die Unternehmen daher auch über die Pandemie hinaus bestehen.