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Luftfrachtindustrie steht vor bestem Jahr seit 2010

Von Gesche Wüpper, Paris Börsen-Zeitung, 12.12.2017 Nach Jahren der Flaute hat die Luftfrachtbranche zu neuem Schwung zurückgefunden. Sie scheint auf dem besten Wege, 2017 die besten operativen und finanziellen Ergebnisse seit der Erholung 2010 von...

Luftfrachtindustrie steht vor bestem Jahr seit 2010

Von Gesche Wüpper, ParisNach Jahren der Flaute hat die Luftfrachtbranche zu neuem Schwung zurückgefunden. Sie scheint auf dem besten Wege, 2017 die besten operativen und finanziellen Ergebnisse seit der Erholung 2010 von der weltweiten Finanzkrise einzufliegen. So erwartet der Branchenverband IATA (International Air Transport Association), dass das Luftfrachtvolumen von 54,9 Mill. Tonnen um 9,3 % auf 59,9 Mill. Tonnen zulegen wird. Grund für den starken Anstieg ist das Bedürfnis von Unternehmen, ihre Lagerbestände aufzufüllen, um den unerwartet starken Anstieg der Nachfrage befriedigen zu können.In diesem Jahr dürfte der Wert der von Luftfrachtindustrie transportierten Waren laut IATA-Chefökonom Brian Pierce rund 6 Bill. Dollar und damit vom Wert her 35 % des Welthandels ausmachen. Die Luftfracht dürfte dank des zunehmenden Online-Handels auch im kommenden Jahr stärker als der weltweite Handel zulegen, allerdings dürfte sich das Wachstum nach Ansicht der IATA wieder etwas abschwächen. So dürfte das Luftfrachtvolumen 2018 um 4,5 % auf 62,5 Mill. Tonnen steigen und der Wert der transportierten Waren von 6 Bill. Dollar auf 6,2 Bill. Dollar. Die Umsätze der Luftfrachtindustrie dürften sich nächstes Jahr von den für 2017 erwarteten 54,5 Mrd. Dollar um 8,6 % auf 59,2 Mrd. Dollar erhöhen. Das Renditewachstum wiederum dürfte sich 2018 von 5 % in diesem Jahr auf 4 % abschwächen.”Die Luftfrachtnachfrage ist auf ihrem höchsten Stand seit über einem Jahrzehnt”, sagt IATA-Chef Alexandre de Juniac. Die Nachfrage steigt inzwischen wieder stärker als die Kapazitäten – im Gegensatz zu 2016 und 2015, als sich die Kapazitäten stärker erhöhten als die Nachfrage.Lufthansa Cargo sieht sich nach einem Verlustjahr 2016 wieder klar auf Gewinnkurs. In den ersten neun Monaten des Jahres stiegen die Nettoverkehrserlöse Außenumsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 15,9 % auf 1,64 Mrd. Euro. Während die Lufthansa-Tochter ihre Kapazität um lediglich 2 % erhöhte, verkaufte sie 6,4 % Frachttonnenkilometer mehr als ein Jahr zuvor. Air France-KLM berichtet ebenfalls von einem Turnaround des Frachtbereichs. Ihr Umsatz stieg im dritten Quartal um 1,2 % auf 493 Mill. Euro, gab allerdings in den ersten neun Monaten des Jahres um 1,3 % auf 1,5 Mrd. Euro nach. Die Cargo-Sparte der französisch-niederländischen Fluggesellschaft, die 2016 einen Betriebsverlust von 28 Mill. Euro einflog, hat ihre Kapazitäten letztes Jahr um 24 % reduziert. Rekord in SichtIm Oktober verbuchte die Luftfrachtindustrie einen neuen Rekord. Nach Angaben der Branchenanalysten von World ACD bestätigen die von 75 Airlines veröffentlichten Zahlen, dass es ein besonderer Monat war. Es sei bereits der 14. Monat in Folge, dass die Luftfrachtindustrie ein Wachstum von mehr als 5 % im Vergleich zum Vorjahresmonat ausgewiesen habe. “Es ist so gut wie sicher, dass die Rekorde vom Oktober gebrochen werden dürften, wenn die Zahlen für November kommen”, meint World ACD.Allerdings schwächten sich die Zuwachsraten im Vergleich zu September deutlich ab. Die europäischen Airlines verbuchten im Schnitt einen Anstieg des Frachtverkehrs um 6,4 %. Auf ihren wichtigsten Marktsegmenten, den Strecken von und nach Asien sowie den Transatlantikverbindungen, stieg er um 8,6 % und 8,1 %. Trotz Befürchtungen, dass europäische Exportunternehmen unter dem stärkeren Euro leiden könnten, steigen die Exportaufträge nach Angaben der IATA so stark wie in den letzten sieben Jahren nicht mehr.Der Frachtverkehr der nordamerikanischen Fluggesellschaften legte mit 6,5 % im Oktober ähnlich stark zu, wobei sie davon profitierten, dass die per Flugzeug transportierten Importe wesentlich stärker zulegten als die Exporte. Airlines aus der Asien-Pazifik-Region, die 37 % des weltweiten Luftfrachtverkehrs ausmachen, steigerten ihren Cargo-Verkehr dagegen im Oktober nur um 5 %.Doch laut IATA ist der Trend für die Luftfrachtindustrie dort nach wie vor positiv, da Hersteller in China und Japan vor allem dank der wirtschaftlichen Erholung in Europa weiterhin steigende Auftragsbücher verzeichnen. Den schwächsten Anstieg bei der Luftfracht wiesen im Oktober erneut die Airlines aus dem Mittleren Osten aus. Niedriger NutzladefaktorTrotz der erfreulichen Wachstumsraten steht die Luftfrachtindustrie vor großen Herausforderungen. Denn obwohl einige Airlines Frachtkapazitäten reduziert haben und die Nachfrage stärker als die Kapazität steigt, gibt es noch immer ein zu großes Angebot. Nach Angaben der auf die Luftfahrtbranche spezialisierten Unternehmensberatung CAPA – Centre for Aviation betrug der Nutzladefaktor der weltweiten Luftfrachtindustrie in den ersten neun Monaten im Schnitt gerade mal 44,4 % und fiel damit ähnlich aus wie in den vergangenen Jahren.Der Nutzladefaktor sei damit unerträglich niedrig, urteilen die CAPA-Spezialisten. “Anders ausgedrückt: Das Angebot für Luftfracht beträgt mehr als das Doppelte der Nachfrage.” In den Frachträumen von Passagierflugzeugen sei die Situation sogar noch dramatischer, da die Kapazität dort typischerweise gerade mal zu 27 % genutzt werde. “Kein Wunder, dass Luftfracht unter einer chronischen Renditeschwäche leidet”, meint die Unternehmensberatung.Zu den weiteren Herausforderungen, vor denen der Luftfrachtsektor steht, gehören der Einsatz von Drohnen und der Transport von Lithium-Ionen-Batterien. Internethändler wie Amazon und Alibaba experimentieren bereits damit, Waren mit Drohnen zu liefern. In Zukunft könnten auch Airlines Drohnen mit großer Nutzlast einsetzen, um Luftfracht auf Routen zu transportieren, die sich für Frachtmaschinen nicht lohnen. Die IATA arbeitet nun zusammen mit der internationalen Luftfahrtorganisation ICAO daran, Standards für die kommerzielle Nutzung von umbenannten Luftfahrtzeugen und ihre Integration in den Luftraum zu entwickeln. Batterien im FokusDie ICAO unterstützt auch den Vorschlag des Branchenverbandes, künftig den Transport von Gütern mit Lithium-Ionen-Batterien und gefährliche Güter der Klasse 1 in Ladeeinheiten und Frachträumen zu trennen. Nach der Untersuchung des Absturzes einer Maschine von Asiana Airlines hatten Luftfahrtbehörden empfohlen, Lithium-Ionen-Batterien und brennbare Stoffe nicht nah beieinander zu transportieren. Daraus entwickelte sich der Vorschlag, in Zukunft Lithium-Ionen-Batterien und gefährliche Güter in getrennten Frachträumen zu befördern. Er soll nächstes Jahr zunächst auf freiwilliger Basis angewandt werden, bevor ein Jahr später zwingende Vorschriften erfolgen.