Luftfahrt

Lufthansa bittet Aktionäre um Milliarden

Die Lufthansa zieht Lehren aus der Coronakrise. Künftig soll deutlich mehr Liquidität vorgehalten werden, 6 bis 8 Mrd. Euro statt 2,3 Mrd. Euro zu Beginn der Pandemie. Die Aktionäre sollen auf der HV einer möglichen Kapitalerhöhung von bis zu 5,5 Mrd. Euro zustimmen – laut Lufthansa eine „theoretische Größe“.

Lufthansa bittet Aktionäre um Milliarden

Von Lisa Schmelzer, Frankfurt

Die Lufthansa will sich bei der Hauptversammlung am 4. Mai von ihren Aktionären eine mögliche Kapitalerhöhung über bis zu 5,5 Mrd. Euro einräumen lassen. Es soll sogenanntes genehmigtes Kapital für einen Zeitraum von fünf Jahren geschaffen werden. „Dadurch soll das Unternehmen in die Lage versetzt werden, Finanzierungsgelegenheiten flexibel nutzen zu können, um Eigenkapital am Kapitalmarkt zu beschaffen“, heißt es in der Einladung zum Aktionärstreffen, das wegen der Corona-Pandemie zum zweiten Mal in Folge virtuell stattfindet.

Der Betrag von 5,5 Mrd. Euro wirkt auf den ersten Blick gigantisch. Zum Vergleich: Die Lufthansa kommt aktuell auf eine Marktkapitalisierung von 6,5 Mrd. Euro. Die Kapitalerhöhung würde womöglich noch deutlich höher ausfallen als 5,5 Mrd. Euro, da dieses Volumen auf dem Nominalbetrag je Aktie von 2,56 Euro basiert, der aktuelle Kurs aber bei knapp 11 Euro liegt. Insgesamt würde die Fluggesellschaft berechtigt, bis zu 2,1 Milliarden neue Aktien auszugeben, derzeit sind knapp 600 Millionen Anteilscheine im Umlauf. So könnten der Lufthansa im Falle der Kapitalerhöhung rund 20 Mrd. Euro frisches Kapital zufließen. „Das würde nicht funktionieren“, weiß auch das Unternehmen, wo betont wird, es handele sich bei der avisierten Höhe des genehmigten Kapitals C um eine „theoretische Größe“, die sich technisch aus der Höhe der stillen Einlagen des staatlichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) von insgesamt 5,5 Mrd. Euro ableite. Den Aktionären würde im Fall einer Kapitalerhöhung ein Bezugsrecht eingeräumt, erklärte der Konzern. Der WSF bekäme die Möglichkeit, zum Erwerb von Aktien die stille Beteiligung einzubringen. Der WSF hält gut 20% an der Lufthansa, Familie Thiele kommt auf 10%.

Buchgewinn 1 Mrd. Euro

Wie hoch eine Kapitalerhöhung am Ende tatsächlich ausfallen könnte und wann sie stattfinden wird, steht in den Sternen. Noch lässt sich nicht genau abschätzen, wie sich die von der Coronavirus-Pandemie schwer getroffene Luftfahrtbranche in diesem Jahr entwickeln wird. Die Lufthansa wird voraussichtlich auch 2021 Verluste schreiben. Die Investmentbank Stifel kalkuliert, dass die Fluggesellschaft rund 7 Mrd. Euro an frischen Eigenmitteln bräuchte, um die Corona-Effekte auszugleichen. Durch Verkäufe von Unternehmensteilen wie dem Rest der Cateringtochter LSG oder dem Reisekostendienstleister Airplus könne der Betrag, den eine Kapitalerhöhung bringen müsste, reduziert werden.

Weil der Flugverkehr infolge der Coronavirus-Pandemie nahezu zum Erliegen kam, musste sich die Airline Staatshilfen in Höhe von bis zu 9 Mrd. Euro sichern, von denen 6,8 Mrd. Euro vom deutschen Staat und der Rest von der Schweiz, Österreich und Belgien zur Verfügung gestellt wurden. Nach jüngsten Konzernangaben sind von dem deutschen Paket bisher 2,3 Mrd. Euro gezogen worden, wobei der KfW-Kredit über 1 Mrd. Euro bereits zurückgezahlt worden ist. Aktuell sei aus dem deutschen Paket nur die rückzahlbare stille Beteiligung II gezogen, so die Lufthansa, die zudem betont, dass das Aktieninvestment über 306 Mill. Euro dem Bund aktuell einen Buchgewinn von über 1 Mrd. Euro beschert. Geprüft wird, ob auch die stille Beteiligung I über 4,5 Mrd. Euro gezogen werden soll, da angesichts des weiter darniederliegenden Flugverkehrs nach wie vor Cash verbrannt wird. Das ist bis Ende dieses Jahres möglich; die kleinste Tranche, die gezogen werden kann, sind 250 Mill. Euro.

Gut gebrauchen könnte die Fluglinie neues Kapital auch, um die dünne Eigenkapitaldecke aufzupolstern. Die Eigenkapitalquote der Lufthansa ist 2020 von 24% (2019) auf 3,5% geschrumpft. Das EK-Polster betrug Ende 2020 nur noch 1,4 Mrd. Euro, nach 10,3 Mrd. Euro ein Jahr zuvor. Würde es zu einer Kapitalerhöhung kommen, so wäre es gemäß den Bedingungen der stillen Einlagen erforderlich, mindestens 50% des Erlöses zur Rückzahlung dieser Verbindlichkeiten zu verwenden.

Ziel der Fluglinie ist es, zu einem Investment-Grade-Rating zurückzukehren. Dafür muss die Verschuldung deutlich zurückgefahren werden – derzeit habe man eine „Unwucht“ in der Bilanz, obwohl das Unternehmen liquiditätsseitig gut aufgestellt sei, heißt es bei der Lufthansa. Zudem will der Konzern künftig eine Liquidität von 6 bis 8 Mrd. Euro vorhalten, um krisenfester zu sein. In die Pandemie gegangen ist Lufthansa nur mit einer Liquidität von 2,3 Mrd. Euro. In der Vergangenheit hatte man sich stets darauf verlassen, mit Hilfe der unbelasteten Flotte über 10 Mrd. Euro an finanziellen Mitteln generieren zu können. Eine Lehre aus der Coronakrise ist, dass auch der Markt für Flugzeugfinanzierungen zusammenbrechen kann und man dann schnell auf einen Liquiditätsengpass zusteuert.

Auch das Analysehaus Bernstein tut sich angesichts der großen Unsicherheiten für die Luftfahrtbranche schwer, einen genauen Zeitraum für eine mögliche Kapitalerhöhung vorauszusagen. Erwartet wird der Kapitalschritt dort aber vor Mai 2022. Dem Unternehmen stecke noch das Hickhack vor dem Einstieg des deutschen Staates im vergangenen Jahr in den Knochen, so dass man mit der nun erbetenen Zustimmung auf Nummer sicher gehen wolle. „Indem sie die Zustimmung jetzt erhalten, können sie den Markt anzapfen, sobald es die Marktbedingungen zulassen“, so Bernstein.