Luftfahrt

Lufthansa vor turbulenter HV

Die heutige Hauptversammlung wird für die Lufthansa kein Spaziergang. Investoren übten vorab harsche Kritik an den geplanten Kapitalbeschlüssen. Die Großaktionäre WSF und Familie Thiele mit zusammen 30% der Anteile haben indes Zustimmung zur geplanten Kapitalerhöhung signalisiert.

Lufthansa vor turbulenter HV

Investoren haben anlässlich der heute stattfindenden Hauptversammlung der Lufthansa harsche Kritik am Kurs des Luftfahrtkonzerns geübt. Man sei nach der schwachen Bewältigung der Coronakrise nicht bereit, dem Management einen Blanko-Scheck auszustellen, erklärte Michael Gierse von der Fondsgesellschaft Union Investment am Montag laut vorab verbreitetem Redetext. Man werde daher gegen den „völlig überdimensionierten“ Kapitalvorratsbeschluss stimmen, mit dem sich der Vorstand einen Rahmen von bis zu 5,5 Mrd. Euro für neues Eigenkapital genehmigen lassen will. Vielmehr wolle man „kleinere, schrittweise Kapitalmaßnahmen, bei denen die Aktionäre gefragt werden müssen und die Lufthansa mit einem überzeugenden Restrukturierungsplan aufwarten muss, den wir bislang nicht erkennen können“.

Union Investment appelliert an die Lufthansa-Führung, sich ein stärker fokussiertes Geschäftsmodell zuzulegen. Außerdem hegt Gierse Zweifel an dem Konzept, unter der Marke „Eurowings Discover“ zusätzliche touristische Fernflüge anzubieten. Gemeinsam mit der Deka will Union Investment zudem gegen die Berufung der Chefin des Hamburger Hafens, Angela Titzrath, in den Aufsichtsrat stimmen. Sie habe zu viele Mandate inne, kritisierte die Deka. Titzrath und der frühere Chef des Flughafens München, Michael Kerkloh, sollen in das Kontrollgremium aufrücken, um dort die Interessen des größten Einzelaktionärs, des staatlichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), zu wahren.

Bei dem genehmigten Kapital von bis zu 5,5 Mrd. Euro, über das die Aktionäre heute abstimmen sollen, handelt es sich laut Lufthansa um eine „theoretische Größe“. Diese leitet sich technisch aus der Höhe der stillen Einlagen des WSF von insgesamt 5,5 Mrd. Euro ab. Womöglich würde die Kapitalerhöhung sogar noch deutlich höher ausfallen als 5,5 Mrd. Euro, da dieses Volumen auf dem Nominalbetrag je Aktie von 2,56 Euro basiert, der aktuelle Kurs aber bei knapp 11 Euro liegt. Insgesamt würde die Fluggesellschaft berechtigt, bis zu 2,1 Milliarden neue Aktien auszugeben, derzeit sind knapp 600 Millionen Anteilscheine im Umlauf. So könnten der Lufthansa im Falle der Kapitalerhöhung rund 20 Mrd. Euro frisches Kapital zufließen. Lufthansa-CFO Remco Steenbergen hatte in der vergangenen Woche betont, die Kapitalmaßnahme „so niedrig wie möglich“ halten zu wollen und mit viel Vorsicht ans Werk zu gehen, „denn das bedeutet immer Verwässerung.“ Eine Kapitalerhöhung könne „dieses Jahr oder nächstes Jahr“ kommen, über Zeitpunkt und Umfang sei noch nicht entschieden (vgl. BZ vom 30.April). Die Investmentbank Stifel hatte zuletzt kalkuliert, dass die Fluglinie rund 7 Mrd. Euro an frischen Eigenmitteln bräuchte, um die Corona-Effekte auszugleichen.

Dem Vernehmen nach haben die beiden größten Aktionäre, der WSF mit gut 20% und die Familie Thiele mit rund 10%, Zustimmung zum Tagesordnungspunkt Genehmigtes Kapital signalisiert. Allerdings steht noch nicht fest, ob die beiden Anteilseigner bei der Kapitalerhöhung mitmachen werden. Den Aktionären würde im Fall einer Kapitalerhöhung ein Bezugsrecht eingeräumt. Der WSF bekäme die Möglichkeit, zum Erwerb von Aktien die stille Beteiligung einzubringen.

Die angespannte finanzielle Situation hindert die Fluggesellschaft indes nicht an Investitionen. Am Montagabend wurde mitgeteilt, dass zehn neue Langstreckenmaschinen gekauft werden, fünf Flieger vom Typ Boeing 787-9 und fünf Airbus A350-900. Beide Flugzeugtypen haben Listenpreise von jeweils mehreren hundert Mill. Euro. Die neuen, laut Lufthansa „hochwirtschaftlichen und treibstoffeffizienten“ Flugzeuge sollen ältere Flugzeugtypen ersetzen.

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