M Ventures setzt finanzielle und strategische Ziele
Serie − So finanziert Deutschland Wachstum: Merck (4)
M Ventures setzt finanzielle und strategische Ziele
Corporate-Venture-Capital-Arm des Pharma- und Technologiekonzerns sucht Innovationen entlang des Portfolios
Von Sabine Wadewitz, Frankfurt
Merck ist seit vielen Jahren über den Corporate-Venture-Capital-Arm als Wagniskapitalgeber aktiv. Die Investments folgen den strategischen Interessen des Dax-Konzerns in Biotechnologie und Lösungen für die Halbleiterindustrie. In den Renditeerwartungen sieht sich M Ventures auf Augenhöhe mit den leistungsstärksten institutionellen Adressen.
Das Darmstädter Familienunternehmen Merck ist sei vielen Jahren auch als Wagniskapitalgeber im Markt aktiv. Die im operativen Geschäft auf Life Science, Healthcare und Electronics fokussierte Gesellschaft hat das Corporate-Venture-Segment „M Ventures“ 2009 gegründet. Motivation sei damals gewesen, ein Instrument zu schaffen für den Zugang zu frühen Innovationen analog der strategischen Prioritäten des Konzerns, erklärt Roman Werth, Head of Group Strategy, M&A and Venturing bei Merck.
Merck setzt doppelten Fokus
Das Mandat habe von Beginn an und bis heute einen doppelten − finanziellen und strategischen − Fokus. „Ohne auf finanzielle Erträge zu schauen ist es schwer, sich als M Ventures im langfristigen Wettbewerb zwischen finanziellen und strategischen Venture-Capital-Playern zu behaupten“, sagt Werth. Für den strategischen Aspekt sei M Ventures gegründet worden, um ein tiefes Verständnis für neue Märkte und neue Technologien zu erlangen und Merck bei frühen Innovationen zu vertreten.
Bei Gründung der Corporate-VC-Arms stand das Segment Healthcare im Fokus. „Mit M-Ventures-Investitionen sind wir in der Lage, die Risiken von Innovationen zu teilen, die noch zu früh/unreif sind, um vollständig in große Unternehmen integriert zu werden, und sie so zu ergänzen, dass sie Merck insgesamt mehrere Optionen für Wachstum biete“, erläutert Werth.
Evergreen-Fonds
Merck hat die Kapitalbasis für das VC-Segment 2021 zum dritten Mal aufgestockt, damals um 600 Mill. Euro. Über den aktuellen finanziellen Spielraum und das Volumen an investiertem Kapital lässt sich der M&A-Verantwortliche keine Angaben entlocken. „M Ventures ist als Evergreen-Fonds konzipiert, bei dem die Erträge die Investitionskraft wieder auffüllen“, sagt Werth. Nach der anfänglichen Zuteilung von 40 Mill. Euro im Jahr 2009 habe Merck diesen Betrag 2013 auf 150 Mill. und 2016 auf 325 Mill. Euro aufgestockt.
Der Merck-Konzern hat sein Geschäft über die Jahre sukzessive neben den Healthcare-Aktivitäten in den Marktsegmenten Life Science und Electronics ausgebaut. Parallel sollte M Ventures finanziell in die Lage versetzt werden, den Umfang der VC-Investitionen entlang der verbreiterten strategischen Interessen von Merck und darüber hinaus zu erweitern.
Größeres Portfolio
Mit der jüngsten Zuteilung von 600 Mill. Euro nutzt M Ventures nach den Worten von Werth „weiterhin seine Expertise, um ein neues und größeres Portfolio innovativer Unternehmen zu schaffen und zu finanzieren, die mit den Strategien der Unternehmensbereiche von Merck übereinstimmen“. Die erhöhte Zuweisung verbessere die Fähigkeit von M Ventures, Unternehmen zu finanzieren, „die entweder größer sind oder länger brauchen, um ihr maximales Wertversprechen zu erreichen“. Dabei behalte M Ventures „genügend Anteile, um sich konstruktiv an der Unternehmensentwicklung zu beteiligen, was unseren Fonds auf Augenhöhe mit größeren Unternehmen dieser Branche bringt“, ergänzt Werth.
Mehr als 60 aktive Investments
M Ventures hat sich über die Jahre ein stattliches Portfolio aufgebaut. Die VC-Einheit habe bis heute in 100 Unternehmen investiert. Derzeit bestehe das Portfolio aus mehr als 60 aktiven Investments. Das Portfolio reicht von innovativen Arzneimitteln über revolutionäre Life-Science-Tools bis hin zur Zukunft der Computertechnik, erklären Hakan Goker und Owen Lozman, die M Ventures als Geschäftsführer in Amsterdam gemeinsam leiten.
„Mit der Reifung des Fonds umfasst das M-Ventures-Portfolio sowohl Unternehmen in der Frühphase als auch Unternehmen in der Spätphase, die die Möglichkeit eines gut getimten Ausstiegs haben – sei es durch eine Übernahme oder einen Börsengang“, sagt Goker.
Zu Beteiligungshöhen und Finanzierungstickets wollen sich die beiden Geschäftsführer nicht im Detail äußern. „Im Allgemeinen investieren wir in einer Beteiligungshöhe, über die wir einen konstruktiven Beitrag in den Gremien der Unternehmen leisten können. Der Betrag variiert natürlich mit dem Stadium der Unternehmen. Wir haben bereits in frühen Seed-Runden investiert, aber in letzter Zeit haben wir uns auch an späteren Runden beteiligt, die höhere Anfangsinvestitionsbeträge erfordern“, so Lozman.
Aktiv in Konsortien
In der Regel geht M Venture als Teil eines Konsortiums in Finanzierungsrunden, um finanzielle Verantwortung und Risiko auf mehrere Schultern zu verteilen. „Es gibt jedoch auch Ausnahmefälle, in denen wir einen Technologie- oder Marktbedarf festgestellt haben, für den es derzeit kein Unternehmen gibt. In diesen seltenen Ausnahmen haben wir auch Ausgründungen oder Unternehmensgründungen in enger Zusammenarbeit mit einem Gründer oder Unternehmer durchgeführt, bei denen wir der einzige Investor in der ersten Runde waren. Aber auch in solchen Fällen ziehen wir es vor, mit einem Konsortium zusammenzuarbeiten“, sagt Goker.
An potenziellen Kandidaten herrscht kein Mangel. „Im Jahr 2023 haben wir fast 1.900 Geschäftsmöglichkeiten in den Bereichen Biotechnologie und Technologie geprüft. Davon haben wir dann bei 19 Unternehmen eine eingehende Due Diligence durchgeführt und in 7 investiert“, so Lozman.
Es gebe keine regionalen Schwerpunkte für Risikokapitalfinanzierungen. „A priori sind wir geografisch ungebunden, da wir in visionäre Unternehmen, bahnbrechende Technologien und kluge Köpfe investieren wollen, wo auch immer auf der Welt sie sich befinden mögen“, unterstreicht Lozman. M Ventures habe aber durchaus eine Reihe von Investitionen in deutsche Unternehmen getätigt.
Hohe Flexibilität
Die übliche Haltedauer liege derzeit zwischen 7 und 10 Jahren. „Als Corporate Venture Capital mit einer Evergreen-Struktur haben wir die Möglichkeit, Unternehmen bis zum Exit zu halten und zu finanzieren“, sagt Goker. „Gemeinsam mit dem Unternehmen können wir Zeiten mit ungünstigen wirtschaftlichen Bedingungen für Finanzierungsrunden und den Ausstieg − sei es durch eine Übernahme oder einen Börsengang − überstehen.“
M&A und IPO
Zur Rentabilität von M Ventures wollen die Verantwortlichen keine Zahlen nennen, versichern aber, mit der erzielten Rendite „sehr zufrieden“ zu sein. „Die Gesamtrenditeerwartungen entsprechen denen der leistungsstärksten institutionellen Anleger“, sagt Goker und verweist auf erfolgreiche Exits via M&A oder IPOs. Als Beispiele nennt er die Firmen Calypso, Synaffix, Forendo und Progyny.
Vielfach ausgezeichnet
Ein gutes Beispiel ein erfolgreiches Listing sei Progyny mit einer aktuellen Marktkapitalisierung von über 2 Mrd. Dollar − hier war M Ventures früher Investor in der Serie A. Ein Beispiel für Fusionen und Übernahmen sei Calypso, „ein Unternehmen, das wir gegründet haben und das Anfang dieses Jahres von Novartis übernommen wurde“, sagt Lozman. Bei Synaffix hat Lonza zugegriffen, Forendo wurde von Organon erworben.
Mit Blick auf den „strategischen Benefit“ für Merck, erläutern die Geschäftsführer, es gebe viele Kollaborationen mit Unternehmen, in die M Ventures investiert ist. Merck habe aber bisher kein Investment selbst übernommen.
Der Investmenterfolg hat M Ventures viel positives Echo eingebracht. So seien Teammitglieder von M Ventures wiederholt mit Rising Stars und Emerging Leaders Awards von Global Corporate Venturing ausgezeichnet worden. In Bezug auf Rankings wurde M Ventures im Oppenheimer-Ranking 2023 unter den 20 besten Biotech-Venture-Capitals (Unternehmen und institutionelle Investoren) aufgeführt und ist in verschiedenen von der Fachpresse veröffentlichten Ranglisten unter den 20 bis 50 besten Venture Capitals weltweit gelistet. „Ein weiterer Maßstab für unsere führende Position in der Branche ist die Betrachtung unserer Investitionspartner. Hier zeigt sich, dass wir mit den führenden globalen VCs im Biotech- und Tech-Bereich gleichauf liegen, die fast alle über größere Investitionszuweisungen verfügen“, sagt Werth.
Nicht in Fondszyklen handeln
M Ventures unterscheidet sich nach eigenen Selbstverständnis „in einigen Punkten von institutionellen Fonds“. „Zum einen ist es ein Evergreen-Fonds“, betont Werth. „Während die Gesamtrenditeerwartungen mit denen der leistungsstärksten institutionellen Investoren übereinstimmen, sind wir flexibler bei der Suche nach der besten Ausstiegsmöglichkeit für ein Portfoliounternehmen, da wir nicht in Fondszyklen denken und handeln müssen“, ergänzt er. Ein weiteres wichtiges Unterscheidungsmerkmal bestehe darin, „dass unsere Beteiligungsunternehmen von unserer Zugehörigkeit zu Merck profitieren können, indem sie die Möglichkeit − ohne Verpflichtung − haben, unser Expertennetzwerk für Expertenfeedback und Branchenperspektiven zu nutzen und Branchenkooperationen zu erkunden“.
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