Macht der Stimmrechtsberater wächst

Studie: Bei Vorstandsvergütung spielen ISS & Co gewichtige Rolle - Forderung nach Verhaltenskodex

Macht der Stimmrechtsberater wächst

Institutionelle Investoren folgen in Abstimmungen auf Hauptversammlungen nach einer Studie von HKP Group und Ipreo zunehmend den Empfehlungen von Stimmrechtsberatern.ab Düsseldorf – Die Vorstandsvergütung deutscher Aktiengesellschaften gerät immer stärker ins Visier der institutionellen Investoren, und gerade an diesem Punkt verlassen sich die Aktionäre immer häufiger auf die Empfehlungen der Stimmrechtsberater. Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame Studie des IR-Beratungshauses Ipreo und der Unternehmensberatung HKP Group.Gemäß der Studie werden bis zu 40 % der von institutionellen Investoren gehaltenen Aktien im Dax inzwischen passiv gemanagt. Zugleich rücken Themen wie Umwelt, Soziales und Governance (ESG-Kriterien) immer stärker in den Mittelpunkt der Investoren und nehmen damit Einfluss auf das Stimmverhalten in der Hauptversammlung. Das ist kein Widerspruch, ist passives Investment doch keineswegs mit Passivität gleichzusetzen. “Die großen Investoren sind aktiver denn je. Dies ist letztlich das Resultat des Charakters ihres passiven Investments”, sagt Andreas Posavac, Managing Director Ipreo. Da die Investoren investmenttechnisch an einen Index gebunden seien, bleibe ihnen nur der Weg über die Hauptversammlung (HV), Veränderungen in Unternehmen herbeizuführen, erläutert Posavac.Die ESG-Kriterien betreffend werde in Deutschland die Vorstandsvergütung zunehmend kritisch geprüft. Das liegt nach Einschätzung von Michael H. Kramarsch, Managing Partner von HKP, weniger daran, dass die Vergütungssysteme hierzulande schlechter geworden sind, sondern daran, dass es in der Auseinandersetzung auch um andere Themen geht. “Die Investoren haben die Abstimmung zur Vergütung des Vorstands als Einfallstor erkannt, um Entscheidungen in völlig anderen, sachfremden Bereichen wie der Besetzung des Aufsichtsrats massiv beeinflussen zu können”, ist der HKP-Partner überzeugt. Hinzu kommt, dass in Deutschland grundsätzlich kritischer auf die Vergütungsthematik geschaut wird.Anschauungsmaterial lieferte die zurückliegende HV-Saison, in der acht Dax-Unternehmen ihre Vergütungssysteme zur Abstimmung stellten. Mit Merck, Munich Re und ProSiebenSat.1 fielen gleich drei Systeme bei den Investoren durch. Ohne Ankeraktionäre wäre es zu noch mehr Negativvoten gekommen, geht aus der Studie hervor.Besonders krass sei das Abstimmungsverhalten bei der Munich Re ausgefallen, habe der Rückversicherer sein Vergütungssystem doch seit 2011 alljährlich freiwillig in der Hauptversammlung präsentiert. “2016 bekam das Unternehmen von den führenden Stimmrechtsberatern ISS und Glass Lewis ein positives Feedback. Ein Jahr später bekommt das identische System die Gegenstimmen beider Dienstleister – mit dem Argument geänderter Richtlinien und bereits erfolgter Hinweise”, moniert Kramarsch. Grundsätzlich lasse sich seit 2014 eine Tendenz zu negativen Say-on-Pay-Voten konstatieren (siehe Grafik).Das Fallbeispiel ist wegweisend, zeigt die Studie doch, dass 44 % der Top-30-Investoren in ihrem Stimmverhalten den Empfehlungen der Proxy Advisor folgen oder zumindest übereinstimmen. Auch wächst die Gefolgschaft nach Einschätzung von Kramarsch bei kleineren Investoren auf nahezu 100 %. Bemerkenswert dabei: ISS bewegt nach den Angaben auf einer durchschnittlichen Dax-Hauptversammlung bis zum Fünffachen der Stimmen der BlackRock-Gruppe – ohne eine einzige Aktie zu besitzen. BlackRock selbst ist mit 49 Mrd. Dollar im Dax investiert.Problematisch sei, dass das Abstimmungsverhalten und dessen Zustandekommen wenig transparent sei. Nur wenige Investoren wie BlackRock veröffentlichten detaillierte Guidelines, nach denen abgestimmt werde. “Das Investorenverhalten in puncto Vorstandsvergütung ist weniger berechenbar geworden”, folgert Kramarsch. Daher sollten sich Unternehmen darauf einstellen, dass mit der EU-Aktionärsrechterichtlinie das Say-on-Pay künftig zum festen Bestandteil der jährlichen Hauptversammlung werde. Rechtzeitige KommunikationBasierend auf der Analyse fordern die Studienautoren einen Verhaltenskodex, der die relevanten Entscheidungsprozesse bei Investoren und Stimmrechtsberatern dokumentiert und reguliert. Zugleich wird den Investor-Relations-Managern in Unternehmen empfohlen, rechtzeitig die Kommunikation mit Investoren und Stimmrechtsberatern zu suchen.”Wer kurz vor der Hauptversammlung anklopft, wird kaum noch jemanden erreichen und schon gar nicht einmal gefestigte Meinungen zum eigenen Vorteil kippen”, glaubt Posavac. Umgekehrt sieht Kramarsch die Unternehmen in der Pflicht, die Vergütungsberichte investorenfreundlich zu gestalten: “Gesetzlich geforderte Angaben sind lediglich Pflicht. Aber es wird niemand daran gehindert, sinnvolle Informationen in einer logischen Gliederung und passenden Form aufzuarbeiten, und zwar so, dass diese auch von jedem verstanden werden können.”