Markenbekanntheit und Größe sind keine Erfolgsgarantien für Modefirmen
Von Martin Dunzendorfer, FrankfurtDie Liste klassischer Einzelhandelsketten, denen der seit Jahren stark wachsende Online-Handel zunächst Umsatz gekostet und schließlich den Todesstoß versetzt hat, wird immer länger. Dabei handelt es sich nicht mehr nur um kleine oder mittelgroße Gesellschaften, die nicht über die nötige Kapitaldecke verfügten, um in der Ära des mobilen Einkaufs mit notwendigen Investitionen, zum Beispiel in den Internetauftritt, mithalten zu können. Auch ehemals große Konzerne mit weltweit bekannten Namen finden sich inzwischen unter den Opfern des E-Commerce. Zuletzt erwischte es die britische Debenhams, zuvor waren bereits die US-Konzerne Toys R Us, J.C. Penny und Kmart unter die Räder gekommen.Auch robuste Konjunkturen verhinderten nicht, dass traditionelle Ladenketten durch eine sich verändernde Einzelhandelslandschaft und sich rapide wandelnde Einkaufsgewohnheiten der Konsumenten aus dem Markt gedrängt wurden bzw. kurz davor stehen. Denn der Kunde will heutzutage jederzeit, von jedem Ort aus alles bestellen können, berichten Einzelhändler.Der Erfolg in der Bekleidungsindustrie hängt u. a. davon ab, zeitgenössische Mode anzubieten, die sich mit den sich ändernden Vorlieben der Verbraucher weiterentwickelt, wie die Bank Vontobel erkannt haben will. Viele Unternehmen begännen zeitgemäß, entwickelten sich dann aber nicht weiter. Ein Beispiel für Anpassungsfähigkeit ist die spanische Inditex, der die Marke Zara gehört. Inditex ist in der Lage, Mode und Designs anzubieten, die erst kurz zuvor auf den Laufstegen in Mailand und New York präsentiert und von dieser Haute Couture inspiriert wurde. Der Unterschied: Inditex bietet diese Looks zu erschwinglichen Preisen an. Das Unternehmen kann die Kollektionen innerhalb von 15 Tagen anpassen, wenn ein Produkt sich nicht verkauft – was drei- bis viermal schneller ist als bei klassischen Einzelhändlern. Um dies zu erreichen, nutzt Inditex eine schnell reaktionsfähige Logistik- und Lieferkette. Inditex ist schnell Dies führt nach Angaben von Vontobel zu einem konstanten Umsatzplus auf bestehender Verkaufsfläche im mittleren einstelligen Prozentbereich, während Rivalen keinen Zuwachs oder Rückgänge verzeichnen. Ein weiteres Resultat der kurzen Frist zwischen Fertigung und Auslage im Laden: Die im Vergleich zur Konkurrenz höheren realisierten Bruttomargen (58 bis 60 %), unterstützt durch seltener erforderliche Preisreduzierungen. Dies hat sich nach Einschätzung von Vontobel “als sehr schwer nachahmbar erwiesen – insbesondere auf globaler Ebene”.Für den direkten Vertrieb an den Endkunden sind die Marke und das Angebot entscheidend. Nur wenige Unternehmen haben die Markenstärke, um die Kundenzahlen profitabel zu steigern. Im Bereich Sportschuhe dominieren die beiden Global Player – Nike und Adidas – in fast allen Regionen. Zusammengenommen liege der Marktanteil bei Sportbekleidung insgesamt bei 40 % weltweit; im Schuhbereich liege er gar bei 60 %In den vergangenen zehn Jahren ist der Marktanteil von Nike und Adidas stetig gestiegen. Ein Grund dafür sei, dass die Firmen über Jahrzehnte hinweg sehr stark in Marketing und Produkte investierten. Dagegen ist der US-Rivale Under Armour mit dem Versuch gescheitert, eine deutliche Präsenz außerhalb des US-Heimatmarktes zu erreichen.Nike ist überwiegend vom Großhandel abhängig, da 70 % ihrer Erlöse über diesen Kanal erzielt werden. Der Direktvertrieb macht nach Vontobel-Angaben inzwischen 30 % der Erlöse aus (2008: 15 %) und wird nach Ansicht der Analysten in den nächsten fünf bis zehn Jahren 50 % erreichen, besonders wenn der Anteil des E-Commerce zunimmt.Im Luxussegment profitieren die Qualitätsmarken von einer langen Historie, die in einigen Fällen wie bei Louis Vuitton, Hermès und Bulgari mehr als hundert Jahre zurückreicht. Für neue Marken ist es schwierig, gegen die etablierten anzukommen. Schwierig ist auch die Diversifizierung von Luxusmarken bzw. der Verkauf von Lizenzen; das kann erfolgreich bzw. eine Ertragsquelle sein, kann aber auch zur Verwässerung und im schlimmsten Fall zu Glaubwürdigkeitsverlust führen.Flächenerweiterung ist an sich positiv, muss aber maßvoll sein. Aggressivität kann hier schnell kontraproduktiv werden, denn es kann eine Vielzahl von Problemen auftreten – etwa die Übernahme suboptimaler Standorte, die Kannibalisierung bestehender Geschäfte und eine negative Markenwahrnehmung.Eine zu ehrgeizige Expansion kann zu schwächeren Verkäufen in bestehenden Filialen führen und Margen auf einen Abwärtstrend bringen, der schwer umzukehren sein könnte. Ein Beispiel dafür ist der Modehändler H&M (Hennes & Mauritz). Trotz Anzeichen von Kannibalisierung und einer deutlichen Belebung im Wettbewerb durch Primark und ähnliche Händler hat H&M über Jahre hinweg an seinem Wachstumsziel von 10 bis 15 % festgehalten. Es folgte der Margenverfall. Vorbilder LVMH und Hermès Eine entscheidende Rolle spielt die Kontrolle des Flächenwachstums, da eine zu starke Expansion zu einem Verlust an Attraktivität und Exklusivität führen kann. Unternehmen wie Hermès und LVMH agieren diszipliniert, wohingegen Prada als Negativbeispiel dient: Das Unternehmen expandierte nach dem Börsengang 2011 mit einem angestrebten Flächenwachstum von 15 bis 20 % viel zu aggressiv. Seit 2015 sieht sich Prada laut Vontobel mit einem Erlösschwund konfrontiert (siehe Grafik).