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Mehr Aktienkultur in Vorständen und Aufsichtsräten

Börsen-Zeitung, 1.12.2018 Der deutsche Sparer ist bekanntlich ein Aktienmuffel. Aber auch der Vorstand deutscher börsennotierter Aktiengesellschaften ist ein Aktienmuffel. Denn in der Vergütung der Vorstandsmitglieder von Dax-, MDax- oder...

Mehr Aktienkultur in Vorständen und Aufsichtsräten

Der deutsche Sparer ist bekanntlich ein Aktienmuffel. Aber auch der Vorstand deutscher börsennotierter Aktiengesellschaften ist ein Aktienmuffel. Denn in der Vergütung der Vorstandsmitglieder von Dax-, MDax- oder SDax-Unternehmen spielt die Bezahlung in Aktien des eigenen Unternehmens eine deutlich geringere Rolle als beispielsweise in den USA oder der Schweiz. Eine jüngst von der Beratungsgesellschaft PwC vorgelegte Vergleichsstudie über die Vorstandsvergütungen in Deutschland und der Schweiz kommt zum Ergebnis, dass nur 27 % der Dax-Unternehmen über Shareholding-Guidelines für ihre Vorstände verfügen, während es in der Schweiz für 70 % der im Aktienindex SMI enthaltenen Firmen solche Richtlinien gibt. Im MDax liegt die Quote sogar nur bei 12 %, im SDax bei 4 %. Mutiger ReformansatzDer Rückstand hat seine Gründe. Erstens gilt vielen Aufsichtsräten, die ja über die Vorstandsvergütung entscheiden, die Aktie als Instrument variabler Vergütung als zu “einfach” und zu wenig auf die unternehmensspezifischen Erfolgsziele ausgerichtet. Zweitens liegt die Ausgestaltung der Vorstandsvergütung bei vielen Gesellschaften fest in der Hand von einschlägigen Beratungsunternehmen, die sich dieses Geschäft – je komplizierter, desto lukrativer – nicht nehmen lassen wollen. Drittens kann man mit komplizierten kurz- und langfristigen Vergütungskomponenten die tatsächlichen Vergütungshöhen besser verschleiern und Vergleiche zwischen Unternehmen erschweren. Viertens kann der als Directors Dealings bekannt zu machende Erwerb oder auch Verkauf von Aktien von der Investorengemeinde missverstanden werden oder gar als vermeintliches Insider-Trading die Finanzaufsicht auf den Plan rufen, wie besonders spektakulär im Fall des früheren Börse-Vorstandschefs Carsten Kengeter geschehen. Und fünftens gilt vielen die Incentivierung des Vorstands über den Aktienkurs als überholte Shareholder-Value-Orientierung, die nicht mehr in die heutige Zeit der nachhaltigen Ausrichtung und Stakeholder-Orientierung passe.Insofern ist es sehr mutig, dass im Reformentwurf zum Deutschen Corporate Governance Kodex vorgeschlagen wird, die langfristige variable Vergütung (Long Term Incentive, LTI) ausschließlich in Aktien der Gesellschaft zu gewähren, die dann mindestens vier Jahre zu halten sind. Dieser Vorschlag ist aus drei Gründen zu begrüßen. Erstens hat seine Radikalität schon jetzt eine intensive Debatte über angemessene und zugleich transparente variable Vergütung ausgelöst, und zwar sowohl für kurzfristige Anreize (STI) als auch langfristige (LTI). Denn das Aktiengesetz gibt mit § 87 1 II ja vor, dass die Vergütungsstruktur auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten ist. Ob diese Forderung allein durch eine vierjährige Haltefrist der Aktien zu erfüllen ist, darüber lässt sich streiten.Zweitens rückt mit der Vergütung in Aktien die Rolle des Vorstands als “Agent” der Eigentümer wieder stärker in den Fokus und das Ziel, mit der Vergütungsstruktur eine größtmögliche Zielkongruenz zwischen Eigentümern und Management zu erreichen. Denn drittens verschiebt sich mit dem Umsetzungsgesetz der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) und der Neufassung des Governance-Kodex die faktische Zuständigkeit für die Vorstandsvergütung vom Aufsichtsrat zu den Aktionären. Denn künftig müssen die Vergütungspolitik und der Vergütungsbericht regelmäßig den Aktionären in der Hauptversammlung zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Ob diese Beschlüsse dann rechtlich bindend sein sollen oder nur empfehlend, auch darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Dem Argument, die Empfehlung wirke faktisch wie eine Bindung, lässt sich entgegenhalten, dass man dann gleich die rechtliche Bindung einführen könne, um Rechtsklarheit zu haben. Bindende HV-EntscheidungFür das “Say on Pay”, die Abstimmung über das Vergütungssystem und den Vergütungsbericht in der Hauptversammlung, ist ein transparentes und möglichst einfaches System ohne zig Ausnahmen und Einzelfallregelungen die Voraussetzung. Selbst viele Vorstände räumen ja ein, dass sie nicht verstehen, nach welchen Regeln sie vergütet werden. Wie sollen dann die Investoren solche Vergütungssysteme verstehen und darüber beschließen können, ohne vorher mehrtägige Seminare dafür zu belegen? Insofern ist die mit dem Kodexentwurf geplante Vereinfachung ein notwendiger Schritt. Die Kritik, dass die langfristige Vergütung durch Aktien die Leistung des Managements zu wenig spiegelt, weil die Flut eben alle Schiffe hebt, greift nur auf den ersten Blick. Schließlich wird die operative Performance durch die kurzfristige variable Vergütung honoriert, die jährlich bar ausgezahlt wird. In die langfristige Vergütung durch Aktien fließen darüber hinaus strategische Ziele ein, aber über den Aktienkurs auch nichtfinanzielle Aspekte. Und letztlich wird es das Ziel des Vorstands sein, in der Flut noch ein wenig höher zu steigen als andere, und in der Ebbe nicht ganz so tief zu fallen wie andere. Diese Volatilität ist bei börsennotierten Unternehmen systemimmanent und hebelt die Anreizwirkung nicht per se aus.Ob Aktien nicht nur für den Vorstand, sondern auch für den Aufsichtsrat zum Vergütungspaket gehören sollten, ist weniger klar mit Ja zu beantworten. Bei Aufsichtsräten dominiert derzeit aus gutem Grund die fixe Vergütung. Der Aufsichtsrat ist primär Kontrolleur und Coach des Vorstands, ohne Verantwortung für das operative Ergebnis. Allerdings hat sich die Rolle zumindest des AR-Vorsitzenden gravierend gewandelt, der in erheblichem Maße in strategische und manchmal auch operative Entscheidungen eingebunden ist. Dafür bekommt er auch eine meist doppelt so hohe Vergütung wie ein “normales” Aufsichtsratsmitglied. Es wäre im Geiste der Kodexreform, diese Mehrvergütung in ebenfalls vier Jahre gesperrten Aktien auszuzahlen und die Basisvergütung der Aufsichtsräte als fixe monatliche Barzahlung zu gestalten.—– c.doering@boersen-zeitung.de—–Von Claus Döring Nicht nur für Vorstände, auch für Aufsichtsratsvorsitzende sollten Aktien ein wesentlicher Bestandteil der variablen Vergütung sein. —–