Mehr Firmenpleiten in Deutschland
Zahl der Firmenpleiten steigt deutlich
Creditreform: Mit 11.000 Firmenpleiten ist im ersten Halbjahr der höchste Wert seit neun Jahren erreicht – Unternehmensstabilität wackelt
Die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland ist mit 11.000 im ersten Halbjahr 2024 auf das höchste Niveau seit 2015 gestiegen. Zwar will die Auskunftei Creditreform nicht von einer Insolvenzwelle sprechen. Doch habe sich die Insolvenzdynamik beschleunigt. Die für 2024 gelegte Latte von 19.000 werde vermutlich gerissen.
ab Düsseldorf
Die Rezession im vorigen Jahr hinterlässt nun auch deutliche Spuren in der Insolvenzstatistik. Zwar will Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei der Auskunftei Creditreform, „nicht von einer Insolvenzwelle sprechen“, wie er bei der Vorlage der Daten für das erste Halbjahr 2024 sagte. „Doch es ist mehr als ein deutliches Signal.“ Mit 11.000 Insolvenzen sei in den ersten sechs Monaten der höchste Wert seit 2015 zu verzeichnen, ein Anstieg um 30%. Dabei hatte es im Jahr davor schon den höchsten Zuwachs gegeben.
Dahinter stecken vielfältige Ursachen. Angefangen bei Inflation und Zinsen bis hin zu Altlasten aus den Coronahilfen, die jetzt vielerorts zurückgezahlt werden müssten. Auch das Konsumklima falle als stützendes Momentum aus. „Das alles zusammengenommen bricht vielen Betrieben das Genick“, sagte Hantzsch. Die ursprüngliche Insolvenzprognose für 2024 – sie hatte bei 19.000 Firmenpleiten gelegen – werde sich nicht halten lassen.
Vor-Corona-Niveau in Sicht
Hantzsch geht im Gesamtjahr von einem Wert zwischen 20.000 und 22.000 Firmenpleiten aus, nach 18.020 Insolvenzen im Vorjahr. Dabei unterstellt Creditreform, dass die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland 2024 schwach ausfällt. Damit wäre erstmals das Vor-Corona-Niveau erreicht. Die unverändert hohen Zinsen erschwerten die Finanzierung der Unternehmen erheblich.
Wenngleich Insolvenzen Bestandteil einer funktionierenden Marktwirtschaft seien, müsse jedoch nachdenklich stimmen, dass „der Mittelstand SOS funkt“. Die Industrie als Stütze der deutschen Wirtschaft leide massiv. Hinzu komme der Anstieg der Schäden und der Arbeitsplatzverluste. Zumal man nicht nur die Zahl der Insolvenzen betrachten dürfe, sondern auch einen Blick auf freiwillige Marktaustritte werfen müsse, erläuterte Hantzsch.
Im ersten Halbjahr ist nach Berechnungen und Schätzung der Auskunftei ein Schadenvolumen von 19 Mrd. Euro zusammengekommen, die Zahl der Arbeitsplatzverluste summierte sich in dem Zeitraum auf 133.000. Grund dafür ist die steigende Zahl an Insolvenzen von mittleren und großen Unternehmen – angefangen bei Galeria Karstadt Kaufhof, die sich nun schon im dritten Verfahren seit 2019 befindet, über FTI Touristik, den AWO-Bezirksverband Westfalen-Lippe, den Klinikkonzern Regiomed sowie den Bekleidungshändler Esprit. Allein bei diesen Insolvenzen seien 36.600 Beschäftigte betroffen.
Die Zahl an Großinsolvenzen – Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 5 Mill. Euro – habe sich im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zur Vorjahreszeit verdoppelt. Das könne aber auch daran liegen, dass der Fokus im Insolvenzrecht inzwischen stärker auf der Sanierung und dem Erhalt von Arbeitsplätzen liege. Gleichwohl reiche es heute nicht mehr, sich auf die absoluten Insolvenzzahlen zu versteifen. „Die Auswirkungen einer Firmenpleite sind deutlich größer als beispielsweise zu Zeiten der Weltfinanzkrise 2009“, führte Hantzsch aus.
Alle Wirtschaftsbereiche betroffen
Zuwächse im Insolvenzgeschehen gab es in allen vier Hauptwirtschaftsbereichen. Dabei reiche die Bandbreite von 20,4% im Handel bis 34,9% im Dienstleistungssektor. Im Bauhauptgewerbe war ein Zuwachs um 27,5% zu verzeichnen, im verarbeitenden Gewerbe um 21,5%.
In der Entwicklung spiegelten sich die aufgestauten Probleme der zurückliegenden Krisen. Viele Unternehmen hätten zudem ein Schuldenproblem und könnten ihren Zahlungsverpflichtungen aus eigener Kraft kaum nachkommen. „Die Unternehmensstabilität ist Deutschland ist derzeit so wackelig wie seit vielen Jahren nicht mehr“, sagte Hantzsch.