Vorstoß von XXXLutz

Geplante Porta-Übernahme versetzt Möbelindustrie in Aufruhr

XXXLutz hat sich mit dem Wettbewerber Porta auf eine Übernahme verständigt. Noch steht die Prüfung durch das Bundeskartellamt aus, doch die Möbelhersteller laufen bereits Sturm gegen die geplante Verschmelzung. Sie fürchten die weiter steigende Marktmacht der Handelsgruppe.

Geplante Porta-Übernahme versetzt Möbelindustrie in Aufruhr

Geplante Großfusion versetzt Möbelindustrie in Aufruhr

Handelsriese XXXLutz vor Übernahme des Rivalen Porta – Hersteller fürchten steigende Marktmacht des Abnehmers

md Frankfurt

Deutsche Möbelproduzenten laufen Sturm gegen eine geplante Großfusion im Handel: Der österreichische Möbelgigant XXXLutz greift nach dem Wettbewerber Porta. Zu dem Unternehmen mit Sitz in Porta Westfalica zählen auch SB-Möbel Boss, die Asko-Gruppe in Tschechien und der Slowakei sowie der Möbelhändler Letz in Sachsen-Anhalt. Anfang 2023 hatte XXXLutz bereits den Online-Händler Home24 übernommen. Zudem schluckte das Unternehmen die Einrichtungshäuser von Möbel Buhl, der insolventen Kika/Leiner-Gruppe, von Möbel Hesse sowie die Conforama-Märkte in Frankreich, Spanien und Portugal. 

Auf Tuchfühlung zu Ikea

XXXLutz, die auf einigen Märkten auf Tuchfühlung zu Branchenführer Ikea geht und schon jetzt einer der größten Möbelhändler der Welt ist, würde durch die Übernahme der Porta-Gruppe mit 120 Filialen in Deutschland sowie 20 Einrichtungshäuser in Tschechien und der Slowakei die Marktmacht erheblich steigern. Die Gruppe um XXXLutz machte 2023 knapp 5,8 Mrd. Euro Umsatz mit über 370 Möbelhäusern in 14 Ländern Europas, davon 225 in Deutschland unter den Marken XXXLutz, Mömax und Poco. Die Gruppe hat 27.000 Beschäftigte (davon 12.000 in Deutschland), die Porta-Gruppe kommt auf rund 6.000 Beschäftigte. Laut Geschäftsbericht erzielte Porta Möbel im Geschäftsjahr 2023 einen Umsatz von 1,14 Mrd. Euro.

Grund für den Verkauf ist nach Angaben von Paul de Jong, Geschäftsführer der Porta-Holding, das harte Wettbewerbsumfeld in der Möbelbranche. Deswegen schreitet die Konzentration im deutschen Möbelhandel seit Jahren voran.

Eines von 120 Porta-Einrichtungshäusern in Deutschland. Foto: Porta

Käme der Porta-Kauf zustande, würde sich die ohnehin schon hohe Konzentration im Möbelhandel weiter verschärfen und eine bedrohliche Größenordnung erreichen, heißt es aus Reihen der Möbelhersteller. Die zumeist mittelständischen Produzenten gerieten durch die wachsende Marktmacht in Bedrängnis. Der Verband der deutschen Möbelindustrie (VDM) bezeichnete die Verschmelzungspläne bereits als „inakzeptable Konzentration“; die Entwicklung sei „eine dramatische Nachricht“ für die Möbelindustrie. XXXLutz nutze seine Marktmacht bereits massiv aus, so der VDM. Die Unternehmensgruppe und ihr Einkaufsverband Giga würden „die deutschen Lieferanten mit aus unserer Sicht unhaltbaren Forderungen unter Druck“ setzen, so der Verband in einer Mitteilung.

Dem Deal muss noch das Bundeskartellamt zustimmen. Erst dann könne etwas zu den weiteren Plänen gesagt werden, lässt Porta wissen. Ähnlich äußerte sich XXXLutz. Größere Umbauten dürften die Ausnahme bleiben, heißt es aus Branchenkreisen. Dazu dürfte es vor allem an Standorten kommen, an denen XXXLutz schon mit der Hauptmarke vertreten ist und auch Porta eine Filiale hat.

Größenunterschiede relevant

Die Frage, ob der Größenunterschied zwischen Hersteller und Händler bei einer Übernahmeprüfung eine Rolle spielt, bejaht Jan Joachim Dreyer. Der Kartellrechtsexperte und Partner der Wirtschaftskanzlei FPS weist auf Übernahmeverfahren im Lebensmitteleinzelhandel (Edeka/Kaiser’s Tengelmann und Edeka/Real) hin. Seither „ist klar, dass sowohl in Bezug auf die Nachfragemacht der Händler eine Abhängigkeit der Hersteller gegeben sein kann, die missbraucht werden kann – sogenannte ‘Hochzeitsrabatte‘ –, als auch horizontal ganz klassisch bei Überschneidungen der Einzugsgebiete eine lokale Marktkonzentration gegeben sein kann, die untersagt werden könnte."

Dr. Jan Joachim Dreyer, Kartellrechts- und Compliance-Experte, Rechtsanwalt und Partner der Wirtschaftskanzlei FPS in Düsseldorf; Foto: FPS

Dreyer nennt ein fiktives Beispiel: XXXLutz und Porta haben in einer Stadt jeweils eine Filiale, daneben gibt es nur einen weiteren kleinen Anbieter. Durch eine Übernahme von Porta würde sich der Angebotswettbewerb reduzieren, was zu einer Veräußerungsauflage in Bezug auf den Porta-Markt führen kann. Die Größe sei nur eines von vielen Kriterien, betont Dreyer. Es müsse „für Hersteller eine ausreichende Auswahl an alternativen Nachfragern, über die sie ihre Produkte absetzen können, verbleiben. Dies wird das Bundeskartellamt in Bezug auf Portfolioüberschneidungen und gegebenenfalls Spezialisierungen der Händler genau prüfen wollen.“

Dazu werde eine Abfrage im Markt stattfinden, bei der Hersteller und Wettbewerber ihre Sicht äußern können.

Wichtig für die Bestimmung der zuständigen Behörde ist die Höhe der Umsätze der beteiligten Unternehmen, so Dreyer. Dies ergebe sich aus Artikel 1 Absatz 2 der europäischen Fusionskontrollverordnung (FKVO). Betrage der Gesamtumsatz mehr als 5 Mrd. Euro, habe die Fusion Bedeutung für die europäische Gemeinschaft und werde von europäischen Behörden geprüft. Fallen zwei Drittel des Umsatzes der Unternehmen in nur einem Mitgliedsland an, sind die nationalen Behörden dort zuständig. „Bei Betrachtung der öffentlichen Umsatzzahlen dürfte das deutsche Bundeskartellamt zuständig sein, da über zwei Drittel des Umsatzes beider Unternehmen in Deutschland erzielt werden“, meint Dreyer.

Fusionskontrolle als Strukturkontrolle

Dass das Kartellamt XXXLutz Bedingungen für den Kauf auferlegt, was das Verhältnis zu den Zulieferern anbelangt, hält Dreyer für unwahrscheinlich. „Die Fusionskontrolle ist eine Strukturkontrolle“, betont er. „Bedingungen in Bezug auf die Zulieferer, die nicht strukturell – also in Bezug auf die verbleibende Nachfragerauswahl – wirken, wären eher als Verhaltensauflagen zu sehen.“ Als Beispiele führt er an, dass Preise nicht erhöht werden dürfen oder alle Lieferanten zugelassen werden müssen. „Solche Verhaltensauflagen führen zur Notwendigkeit der Überwachung, welche die Fusionskontrolle gerade vermeiden will. Insofern ist es bei Auflagen eher wahrscheinlich, dass Märkte oder Gruppen – etwa Poco – verkauft werden müssen, um ausreichend Nachfrage durch die Zahl der verbleibenden Nachfrager zu sichern.“ 

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