Wohnungskonzerne

Monopoly auf dem Wohn­immobilien­­markt

Die Turbulenzen der Adler Group machen auch den Wettbewerbern auf dem deutschen Wohnimmobilienmarkt zu schaffen. Auch bei Vonovia und LEG Immobilien sind die Anleihekurse in die Knie gegangen.

Monopoly auf dem Wohn­immobilien­­markt

Von Helmut Kipp, Frankfurt, und Annette Becker, Düsseldorf

Für die deutsche Wohnimmobilienindustrie steht durch die Schieflage der Adler Group viel auf dem Spiel. Das ist womöglich auch einer der Gründe, warum sich die Großen der Branche, allen voran Vonovia und LEG Immobilien, Nummer 1 und 2, in die Rettung der Adler Group einmischen. „Die Aktionäre und Stakeholder der deutschen Wohnimmobilienindustrie haben kein Interesse an einer instabilen Adler“, hieß es vielsagend in dem Statement, mit dem der deutsche Branchenprimus Ende voriger Woche bekannt gab, sich eine Call-Option für ein Aktienpaket von gut 13 % an Adler gesichert zu haben.

Nur wenige Tage später sprang auch LEG Immobilien auf den Zug auf. Die Düsseldorfer verhandeln exklusiv über den Kauf eines Portfolios mit über 15 000 Wohnungen. Auch in Düsseldorf ist davon die Rede, „stabilisierend“ unterwegs sein zu wollen. Zugleich wird betont, Vonovia beim etwaigen Kauf des Portfolios nicht in die Quere zu kommen, hätten sich beide Unternehmen doch auf unterschiedliche Marktsegmente spezialisiert.

Kurzfristig eingeschaltet

Zumindest bei der LEG darf man getrost davon ausgehen, dass die Entscheidung zur Prüfung des Portfolios – es würde sich immerhin um den größten Portfoliokauf der Firmengeschichte handeln – sehr kurzfristig gefallen ist. Die Düsseldorfer gehörten dem Vernehmen nach nämlich nicht zu den institutionellen Interessenten, auf die sich Adler berief, als Co-CEO Maximilian Rienecker Anfang Oktober umfangreiche Immobilienverkäufe zur Reparatur der Bilanz in Aussicht stellte.

Was also treibt die Branche an, dem hoch verschuldeten Immobilienkonzern unter die Arme zu greifen? Aufschluss gibt ein Blick auf die jüngste Entwicklung am Markt für deutsche Immobilienanleihen. Denn nicht nur die Bonds von Adler stehen seit Wochen unter Druck, auch bei anderen Anleihen aus dem Sektor machen sich die Schwierigkeiten des Rivalen bemerkbar. Allen voran bei Vonovia.

Hier sind insbesondere die Kurse der langlaufenden Schuldverschreibungen abgestürzt. So brach die kürzlich emittierte 30-Jährige bis auf 88,90 % ein. Binnen Wochenfrist ging es um 412 Basispunkte bergab, bevor die Erholung einsetzte. Aktuell notiert der Bond bei 92,25 %. Die 20-Jährige, die mit 1, 5% verzinst wird, stürzte in der Spitze sogar um 495 Basispunkte ab. Auch die Papiere der LEG haben inzwischen Federn gelassen. So hat der bis 2034 laufende Bond innerhalb der vergangenen Woche in der Spitze 165 Basispunkte verloren. Seit Mitte der Woche erholt sich der Kurs wieder.

Das ist insofern bedenklich, als die großen Immobilienkonzerne zur Finanzierung ihrer Akquisitionen mehr oder minder auf den Bondmarkt angewiesen sind. Bestes Beispiel dafür ist Vonovia, die sich in diesem Jahr am Bondprimärmarkt bereits mit mehr als 10 Mrd. Euro eingedeckt hat. Das Gros wird mit 9 Mrd. Euro zur Finanzierung der Übernahme von Deutsche Wohnen verwendet.

Dass sich die Bondinvestoren angesichts der Turbulenzen am Wohnimmobilienmarkt komplett aus diesem Marktsegment zurückziehen, ist sicherlich nicht zu erwarten. Gleichwohl könnte sich die Fremdkapitalbeschaffung der Großvermieter am Kapitalmarkt künftig verteuern. Dabei startet die Industrie allerdings auch von äußerst günstigen Niveaus. So sprach die LEG zuletzt von einer Durchschnittsverzinsung ihres Fremdkapitals von 1,24 %. Und auch Vonovia hatte in der 5 Mrd. Euro schweren Transaktion Ende August bei einer durchschnittlichen Laufzeit von etwas mehr als zehn Jahren lediglich einen Durchschnittszins von 0,49 % anbieten müssen.

Angesichts der Milliarden, die die Bochumer am Bondmarkt in diesem Jahr eingesammelt haben, wird sich Vonovia nach eigenem Bekunden 2021 nicht mehr am Anleihemarkt blicken lassen. Doch da sich der Wohnimmobilienkonzern im Laufe der Jahre eine eigene Kurve aufgebaut hat, gehören Refinanzierungen zum Tagesgeschäft. Insgesamt hat Vonovia Anleihen von fast 28 Mrd. Euro ausstehen. Im Zuge der Übernahme von Deutsche Wohnen kommen gut 3 Mrd. Euro dazu.

Kapitalerhöhung naht

Obendrein haben die Bochumer im Herbst noch eine Kapitalerhöhung im Volumen von bis zu 8 Mrd. Euro vor der Brust. Das genaue Volumen hängt letztlich davon ab, wie viele Aktien der Deutsche Wohnen in das freiwillige Übernahmeangebot eingereicht werden. Die erweiterte Annahmefrist läuft noch bis 21.Oktober. „Wenn die Übernahme der Deutsche Wohnen Ende Oktober/Anfang November abgeschlossen ist, starten wir die Kapitalerhöhung“, hatte Olaf Weber, Leiter Finanzen und Treasury, Ende August gesagt. Störfeuer vom Markt wäre dem Projekt wenig zuträglich, auch wenn die Schieflage der Adler Group bislang vor allem auf den Anleihemarkt ausstrahlte.

Ausgelöst hat die Turbulenzen vor allem der berüchtigte britische Shortseller Fraser Perring, dessen Researchfirma Viceroy der Adler Group Falschbilanzierung und Täuschung der Geldgeber vorwirft. Die Immobilienbewertungen seien überhöht, die Verschuldung werde zu niedrig ausgewiesen. Adler hat den Bericht als „irreführend und nicht korrekt“ zurückgewiesen.

Die Anleihen des in Luxemburg ansässigen Wohnungskonzerns stehen bereits seit Anfang September unter Druck. So stürzte der bis Januar 2029 laufende Achtjahresbond bis auf 74,9 % ab. Die anschließende Erholung führte den Kurs zurück auf etwa 84 %. Bedeutsam ist vor allem die Beleihungsquote (Loan to Value), denn in den Bedingungen einiger Anleihen ist festgelegt, dass die Nettofinanzschulden nicht mehr als 60 % des Immobilienvermögens ausmachen dürfen.

Nach eigenen Angaben hält Adler Group dies ein – die Netto-Beleihungsquote per 30 Juni wird mit 54,7 % angegeben. Viceroy behauptet, selbst in einem Positiv­szenario liege der Verschuldungsgrad bei 72,4 % – was einen Bruch der Bedingungen bedeuten würde. Adler bezeichnet den Vorwurf, die Immobilienwerte in den Bilanzen seien überhöht, als „nachweislich falsch“. Es handele sich nicht um interne, sondern um externe unabhängige Bewertungen. Gutachter des Vermietungsportfolios sei CBRE, die auch andere börsennotierte deutsche Wohnungskonzerne bewertet. NAI Apollo, ein Immobilienberater, habe die Entwicklungsprojekte zum 30. Juni bewertet. CBRE ist der weltgrößte Immobiliendienstleister.

S&P senkt Rating

Einen erheblichen Teil seiner Verbindlichkeiten hat der aus dem Zusammenschluss von Ado Properties, Adler Real Estate und Consus, einem Projektentwickler, entstandene Wohnungskonzern unlängst refinanziert. Im Januar wurden Bonds über 1,5 Mrd. Euro emittiert, im April folgte eine Anleihe über 500 Mill. Euro. Die Laufzeiten dieser Papiere liegen zwischen fünf und acht Jahren, die Kupons zwischen 1,875 % und 2,25 %. Zurückgezahlt wurde unter anderem eine Hochzinsanleihe der Tochter Consus, die mit einem extrem hohen Kupon von 9,625 % zu bedienen war. Im Halbjahresbericht gibt Adler Group die Anleiheverbindlichkeiten mit 4,84 Mrd. Euro an. Einschließlich Wandelanleihen sind es 5,15 Mrd. Euro.

Unterdessen hat S&P Global das langfristige Kreditrating der Adler Group gesenkt und das Unternehmen, das über knapp 70 000 Wohnungen gebietet, auf „Credit Watch Negative“ gesetzt. Begründet wird der Schritt mit einem hohen Maß an Unsicherheit in Bezug auf den endgültigen Umfang und den Zeitpunkt der geplanten Veräußerung von Vermögenswerten.

Bereits im Zuge des Fusionsprojekts hatte Ado, die als aufnehmende Gesellschaft fungierte, ihr Investmentgrade-Rating verloren. Im Juni vergangenen Jahres stufte S&P die heutige Adler Group auf „BB“ zurück. Während Ado vergleichsweise gut finanziert war, wiesen Adler Real Estate und vor allem Consus deutlich höhere Schulden auf.

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