Energiewende

Neuer Vorstoß für staatliche Kohlestiftung

Mit einer staatlichen Kohlestiftung könnte die Bundesregierung Kraftwerke aufkaufen, zunächst verstärkt weiterlaufen lassen und später beschleunigt schließen. Der Kohleverstromer Steag macht sich dafür mit einem eigenen Konzept stark.

Neuer Vorstoß für staatliche Kohlestiftung

cru Frankfurt

Ein neuer Vorstoß soll die Erwägungen zur Errichtung einer staatlichen Kohlestiftung in Fahrt bringen. Der Essener Steinkohleverstromer Steag, der einem halben Dutzend Ruhrgebietskommunen gehört, hat dazu von einem Beratungsunternehmen ein Konzept ausarbeiten lassen, wie aus Finanzkreisen bestätigt wird. In einem Auszug daraus, der der Börsen-Zeitung vorliegt, heißt es: „Aufgabe der Kohlestiftung ist das zentrale Management der Kohleverstromungsbeendigung als professioneller Restrukturierungsgesellschafter, der mit einer Bad Bank der Energiewirtschaft vergleichbar ist. Vorbild ist das Konstrukt der Treuhand: sozialmarktwirtschaftliche Schließung der circa 140 betroffenen Kraftwerke.“ Gemeint sind damit sowohl Steinkohle- als auch Braunkohlekraftwerke wie bei Leag und RWE, an denen zusätzlich noch der Tagebau hängt, bei dem die Renaturierung zerstörter Landschaften später noch Kosten verursacht.

Ein Steag-Sprecher lehnte einen Kommentar dazu ab. Das Bundeswirtschaftsministerium teilte auf Anfrage mit: „Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass die Errichtung einer Gesellschaft oder Stiftung, die den Rückbau der Kohleverstromung und die Renaturierung organisiert, ge­prüft wird. Diese Prüfung wird die Bundesregierung zu gegebener Zeit vornehmen. Ergebnisse liegen noch nicht vor.“

Lösung mit Charme

Das noch vor Beginn des Ukraine-Kriegs erstellte Konzept hat seither nach Einschätzung von Beobachtern zusätzlich an Vorteilen gewonnen. Die Stiftung würde die verbliebenen Kraftwerke aufkaufen, zunächst verstärkt Kohle verstromen, um das russische Gas, das vielleicht bald fehlt, teilweise zu ersetzen, und die Kraftwerke dann später zugunsten des Klimaschutzes beschleunigt abwickeln. Ein Aufkauf der Kohlekraftwerke durch eine öffentlich-rechtliche Kohlestiftung würde es der Bundesregierung zudem ermöglichen, etwaige Windfall Profits zu vereinnahmen, die bei den Stromkonzernen durch den rasanten Anstieg der Gaspreise entstehen, weil Gaskraftwerke innerhalb der „Merit Order“ als letzte und teuerste Einheit zum Einsatz kommen und sich ihr Stromproduktionspreis somit auf den gesamten Strommarkt überträgt.

„Konzept der Kohlestiftung ist, dass die Energieversorger ihre Kohleverstromungsbereiche jeweils für einen negativen Kaufpreis an eine zentrale, bundesweit tätige Stiftung verkaufen, die als neutraler Dritter im allgemeinen Interesse tätig ist“, heißt es in dem Steag-Papier. Negativ könnte der Kaufpreis in denjenigen Fällen ausfallen, in denen die Pensionen und sonstigen Verpflichtungen die zu erwartenden Erträge aus den Kraftwerken übersteigen. Angesichts der steigenden Strompreise wäre inzwischen aber wohl eher von einem Kauf zum Nullpreis auszugehen, da die künftigen Erträge höher ausfallen dürften als noch vor Beginn des Ukraine-Krieges erwartet.

Es gibt bereits die RAG-Stiftung für die Ewigkeitslasten des Steinkohlebergbaus und den staatlichen Atomfonds, der sich um die Endlagerung des Atommülls kümmert.

Der einflussreiche Bundestags­abgeordnete und Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Oliver Krischer (Grüne) aus Düren spricht sich für die Ausgliederung des RWE-Kohlegeschäfts aus, das laut Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung in eine Stiftung überführt werden könnte. „Natürlich ist das eine Entscheidung des RWE-Konzerns. Auch die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat noch offene Fragen dazu bislang nicht beantwortet. Ich hoffe auf die Landtagswahl im Mai, damit RWE in diesen Fragen einen Ansprechpartner hat“, sagte Krischer jetzt dem lokalen Radio Rur.

Bei RWE macht sich zudem der kleine aktivistische Investor Enkraft, ein Familienunternehmen aus München, für die Abspaltung der Braunkohlesparte stark. Enkraft will eine Kampfabstimmung auf der Hauptversammlung am 28. April herbeiführen. Für die Abspaltung der Braunkohle dürfte der aktivistische Investor weitere Unterstützer finden. „Eine De­batte über die Geschwindigkeit der CO-Senkung ist zu begrüßen, auch größere strukturelle Veränderungen im Konzern dürfen kein Tabu sein“, sagte vor einiger Zeit Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit bei der Fondsgesellschaft Deka, die 0,9% an RWE hält. „Wir sehen eine hohe und dringende Notwendigkeit für die Transformation des RWE-Geschäftsmodells hin zu einer deutlichen Senkung des CO2-Profils“, be­tonte auch Thomas Deser, Fondsmanager bei Union Investment, die rund 1% der RWE-Aktien hält.

Etliche Befürworter

Auch in der Politik finden sich weitere Befürworter für eine Kohlestiftung. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung heißt es auf Seite 59: „Geprüft wird die Errichtung einer Stiftung oder Gesellschaft, die den Rückbau der Kohleverstromung und die Renaturierung organisiert.“ Als Unterstützer einer solchen Lösung gilt NRW-Wirtschaftsminister An­dreas Pinkwart. Auch Bernd Tönjes, Chef der RAG-Stiftung, die die Ewigkeitslasten aus dem Steinkohlebergbau trägt, soll einer Erweiterung seines Aufgabenkreises auf die Kohlekraftwerke nicht abgeneigt sein. In den Koalitionsvertrag soll das Thema der Chef der Gewerkschaft IG BCE Michael Vassiliadis gebracht haben. „Am Ende könnten Bund und Länder direkt oder über eine Stiftung die Kontrolle über die Restaktivitäten und die Renaturierungen übernehmen und damit Versorgung sichern, aber auch den Fahrplan der Einstellung der Kohleverstromung kontrollieren“, sagte Enkraft-Chef Benedikt Kormaier.

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