Neues Spiel in der Aktionärsarena

Von Sabine Wadewitz, Frankfurt Börsen-Zeitung, 30.1.2020 Die Säle sind gebucht, der Schlagabtausch kann beginnen. In guter Tradition eröffnen Thyssenkrupp und Siemens die diesjährige Hauptversammlungssaison. Beide Konzerne werden mit...

Neues Spiel in der Aktionärsarena

Von Sabine Wadewitz, FrankfurtDie Säle sind gebucht, der Schlagabtausch kann beginnen. In guter Tradition eröffnen Thyssenkrupp und Siemens die diesjährige Hauptversammlungssaison. Beide Konzerne werden mit unternehmensspezifischen Themen dafür sorgen, dass die Fieberkurve schon zum Auftakt sehr hoch sein wird. Thyssenkrupp ist zwar nicht mehr im Dax, aber das Interesse der Investoren ist dem Ruhrkonzern nach der desaströsen Geschäftsentwicklung gewiss, und es zeichnet sich eine der hitzigsten Debatten dieses Jahres ab.Andere Unternehmen, die mit Stabilität punkten können, brauchen sich nicht zurückzulehnen. Denn ungeachtet von hausgemachten Diskussionspunkten werden Investoren auf den Aktionärstreffen umfassend übergreifende Governance-Themen in die Aussprache und Abstimmung bringen. Im Fall von Thyssenkrupp spiegelt sich dies etwa im Gegenantrag des Governance-Experten Christian Strenger, der zu hohe Vergütungen an aktive und ausgeschiedene Vorstände anprangert.Investoren schauen sich seit einigen Jahren intensiv die Gestaltung und Höhe der Managersaläre an und senken den Daumen, wenn es das Unternehmen mit der Bezahlung übertreibt, die Anleger das Anreizsystem in der Entlohnung nicht verstehen oder der Aufsichtsrat einen zu großen Ermessensspielraum hat.Auch bei Siemens könnte es mit Blick auf die Vergütung Diskussionen geben, obgleich diesbezüglich kein ernst zu nehmender Gegenantrag vorliegt. Dabei geht es allerdings nur um die Vergangenheit. Denn der Münchner Konzern stellt das zum 1. Oktober 2019 reformierte Vergütungssystem für den Vorstand zur Abstimmung – und greift dabei den neuen Anforderungen in Gesetz (Arug II) und überarbeitetem Governance-Kodex vor. Die Aktionäre werden diese Praxis begrüßen und dem neuen Anreizmodell zustimmen – der Stimmrechtsberater Glass Lewis hat es jedenfalls schon als Best Practice gewürdigt. Nach Darstellung des Aufsichtsrats berücksichtigt das neue Vergütungssystem nun neben der Kapitalmarktentwicklung erstmals Nachhaltigkeitsziele.Gleichwohl bleibt ein kritischer Punkt. Vorstandschef Joe Kaeser kassierte im Ende September abgeschlossenen Geschäftsjahr stolze 14,25 Mill. Euro, weil er aktienbasierte variable Vergütung aus zwei Jahren einstreicht. Damit ist er Anwärter für die Position des Spitzenverdieners im Dax, was einigen Anlegern aufstoßen könnte, zumal die Aktie dem Dax hinterherhinkt. Der Manager selbst hat in einem Interview mit dem Magazin “Spiegel” eingeräumt, er könne nachvollziehen, dass mit diesem Gehalt nach allgemeinem Gefühl Grenzen überschritten seien. Eigene GuidelinesMit Blick auf Governance-Themen wie Vergütung oder Aufsichtsratsbesetzung sind die Unternehmen mit Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie und Kodex-Reform mit neuen Regeln konfrontiert worden. Allerdings sind diese erweiterten Anforderungen noch nicht für 2020 verpflichtend. Insofern befinden sich die Konzerne in einem Übergangsjahr. Allerdings geht es in der Neuregulierung überwiegend um Dinge, die Investoren sowieso seit längerem auf der Agenda haben – und oft noch deutlich pointierter als nun in Gesetz oder Kodex. Somit sind die Unternehmen gut beraten, wenn nötig neuralgische Punkte schnell anzugehen. Die Zeiten mit gewohnten Zustimmungsquoten von über 90 % sind schlichtweg vorbei.Entscheidend bleibt, vor der Hauptversammlung den Kontakt mit den Anlegern so intensiv wie möglich zu gestalten, um in den Abstimmungen keine Überraschungen zu erleben. Dabei müssen die Unternehmen nicht nur die neuen Gesetzesvorgaben im Blick behalten, sondern die individuellen Guidelines der Investoren zur Kenntnis nehmen. Diese überschneiden sich nicht zwangsläufig mit den rechtlichen Neuerungen. So hat der Gesetzgeber zwar verordnet, dass die Hauptversammlung mindestens alle vier Jahre sowie bei wesentlichen Änderungen über das Vergütungssystem für den Vorstand beschließen muss. Allerdings soll dieses Votum anders als in anderen Ländern nicht bindend sein. Damit werden sich die Investoren nicht zufriedengeben. Wenn sie den Daumen senken, werden sie mit Sicherheit verbindlich eine entsprechende Reaktion des Aufsichtsrats erwarten.——Unternehmen sollten vor der Hauptversammlung den engen Dialog mit ihren Investoren suchen.——