Washington geht gegen Tiktok vor

Neues US-Gesetz geht gegen Tiktok

Die USA bringen ein neues Gesetz auf den Weg, das den chinesischen Tech-Konzern Bytedance zum kompletten Ausstieg aus dem Tiktok-Dienst zwingen soll. Kommt kein Verkauf zustande, droht eine Verbannung der App in den USA.

Neues US-Gesetz geht gegen Tiktok

Neues US-Gesetz geht gegen Tiktok vor

Chinesische Mutter Bytedance soll zu Abverkauf gezwungen werden – Showdown erst nach US-Wahl – Peking protestiert

Die USA bringen ein neues Gesetz auf den Weg, das den chinesischen Tech-Konzern Bytedance per Eigentümerwechsel zum kompletten Ausstieg aus dem Tiktok-Dienst zwingen soll. Kommt kein Verkauf zustande, droht eine Verbannung der App in den USA. In Peking spricht man von Chinafeindlichkeit.

nh Schanghai

Für den chinesischen Tech-Riesen und Social-Media-Betreiber verdüstern sich die Perspektiven, den äußerst erfolgreichen Kurzvideodienst Tiktok in den eigenen Reihen zu halten. Nach einer Reihe von gescheiterten Avancen, Bytedance zu einer kompletten Abtrennung von Tiktok Inc. zu bewegen, scheint der US-Kongress diesmal ernst zu machen. Nun bringt das Repräsentantenhaus in einem beschleunigten Verfahren ein Gesetz auf den Weg, das bereits in Kürze vom US-Senat ratifiziert werden dürfte.

„Sell or ban“

Der neue Vorstoß soll Bytedance vor eine ungemütliche Wahl stellen: Entweder binnen der gesetzten Frist einen Verkauf von Tiktok an eine für Washington akzeptable Unternehmensadresse oder Investorengruppe durchziehen oder aber riskieren, dass die Tiktok-App aus amerikanischen App-Stores verbannt wird. Entsprechend ist der Gesetzesakt auch als „sell-or-ban bill“ apostrophiert worden.

Im März hatte das Repräsentantenhaus ein ähnlich lautendes Gesetzesvorhaben weit vorangetrieben, dem zunächst geringere Chancen nachgesagt wurden, auch den Senat zu passieren. Nun aber wurde es mit einer Reihe von politisch vorrangigen Gesetzesmaßnahmen, darunter Milliardenhilfen für die Ukraine und Israel, zu einem Paket geschnürt, das besonders eilig verabschiedet werden kann.

Neue Fristen

Aus Sicht von Tiktok beziehungsweise der in Peking ansässigen Muttergesellschaft Bytedance verbindet sich mit dem neuen legislativen Vorstoß ein Zeitgewinn, der den Entscheidungsdruck etwas mildert. Während ursprünglich eine Frist von sechs Monaten für den Ausstieg von Bytedance bei Tiktok vorgesehen war, liegt diese nun bei neun Monaten und kann durch Einwirken des Präsidenten auf zwölf Monate verlängert werden.

Zeitgewinn für Bytedance

Durch die neue Zeitachse ist von vornherein gesichert, dass ein eventueller Showdown in Sachen Tiktok erst nach den US-Präsidentschaftswahlen vom November virulent wird. Je nach Ausgang der Wahlen könnte dies Bytedance in die Hände spielen. Abgesehen davon will Tiktok alle erdenklichen juristischen Möglichkeiten ausschöpfen, um gegen den Abspaltungszwang vorzugehen.

Gerichtsverfahren in Sicht

In der Amtszeit von Präsident Donald Trump sollte Bytedance bereits mit der Androhung einer Verbannung der App dazu gezwungen werden, die Tiktok-Einheit an eine US-Adresse zu verkaufen. Allerdings wurde der Vorstoß von US-Gerichten rasch wieder ausgehebelt. Auch diesmal könnten US-Gerichte gegen die Koppelung von Verkaufszwang und App-Verbot Einspruch erheben, dürften im Zuge einer Gesetzesgrundlage aber vor höheren Hürden stehen, urteilen US-Rechtsexperten.

Sicherheitspolitik im Vordergrund

Damals wie heute wird das Vorgehen in Washington mit sicherheitspolitischen Aspekten begründet. Tiktok wird von US-Politikern in zweierlei Hinsicht als Risiko eingestuft. Zum einen geht man davon aus, dass Peking trotz der von Bytedance beteuerten Abschottung des globalen Tiktok-Dienstes von der heimischen Version der App jederzeit Zugriff auf in den USA generierte Tiktok-Daten erhalten kann. Zum anderen sieht man die Gefahr, dass China hinter den Kulissen Tiktok als Instrument zur politischen Meinungsbeeinflussung in den USA zu nutzen weiß.

„Akt der Chinaphobie“

Die chinesische Regierung wiederum versichert seit jeher, dass sie keinen Zugang zu Tiktok-Daten hat. Das Vorgehen Washingtons wurde in den Staatsmedien am Montag als neuerlicher „Akt der Chinaphobie“ und weitere schwere Beeinträchtigung der bilateralen Beziehungen bezeichnet.

Bei der tatsächlichen Entscheidung über einen Abverkauf von Tiktok hat Peking ein gewaltiges Wörtchen mitzureden. Analysten gehen davon aus, dass die Regierung einer Transaktion nur zustimmen würde, wenn das gesamte Tiktok unterliegende Algorithmus-System entfernt wird. Das könnte die Attraktivität aus Sicht eines Käufers allerdings schwer beeinträchtigen.

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