Für den Schuldenabbau

Nordic Capital steuert Rollstuhlfirma Sunrise Medical an die Börse

Mit dem Börsengang will der hoch verschuldete Rollstuhlhersteller Sunrise Medical 240 Mill. Euro für den Schuldenabbau einspielen. Wie viel Aktien der Finanzinvestor Nordic Capital versilbern will, steht noch nicht fest.

Nordic Capital steuert Rollstuhlfirma Sunrise Medical an die Börse

Nordic Capital steuert Sunrise Medical an die Börse

Finanzinvestor will mit IPO des Rollstuhlherstellers mindestens 240 Mill. Euro per Kapitalerhöhung einspielen

cru Frankfurt

Der IPO-Markt in Deutschland kommt zusehends in Schwung. Der schwedische Finanzinvestor Nordic Capital will den hoch verschuldeten Rollstuhlhersteller Sunrise Medical in Frankfurt an die Börse bringen. Das Unternehmen möchte bei der Erstnotierung mit dem Verkauf von neuen Aktien 240 Mill. Euro an frischem Kapital für sich selbst aufnehmen, wie Sunrise Medical am Dienstagmorgen mitteilte. Mit dem Geld soll ein Teil der Schulden von 580 Mill. Euro abgebaut, die Bilanz gestärkt und der Verschuldungsgrad abgesenkt werden. Die Verschuldung liegt laut Finanzvorstand Adrian Platt per Ende März beim 4,1-Fachen des operativen Gewinns (Ebitda) und soll auf das Zweieinhalbfache sinken, wie der Manager in einer Telefonkonferenz ankündigte. Welche Summe der Alteigentümer Nordic Capital mit dem Verkauf bestehender Aktien aus seinem Vehikel Cidron Liberty Systems erzielen will, steht noch nicht fest. Voraussichtlich wird der Freefloat laut Finanzvorstand Platt bei 30 bis 40% liegen.

Federführend für das IPO engagiert sind Bank of America, UBS und Jefferies. Geplant ist eine Privatplatzierung unter Ausschluss von Privatanlegern. Das ermöglicht es, das Bookbuilding auf zwei Tage zu verkürzen und so das Marktrisiko zu verringern. Diesen Kniff hatte auch schon der Panzergetriebehersteller Renk bei seinem IPO im Februar angewendet.

Der mögliche gesamte Börsenwert von Sunrise Medical wird auf 2 Mrd. Euro geschätzt. Das Unternehmen mit Sitz im baden-württembergischen Malsch entwickelt und produziert manuell bedienbare und elektrische Rollstühle, Mobilitätshilfen und Scooter. Nordic Capital hatte Sunrise Medical 2015 von der Private-Equity-Firma Equistone Partners erworben.

Private Equity kehrt auf den IPO-Markt zurück

Das Unternehmen, das 2.800 Beschäftigte hat und seit 2018 von CEO Thomas Babacan geführt wird, machte in den ersten neun Monaten 2023/24 nach eigenen Angaben rund 516 Mill. Euro Umsatz – ein währungsbereinigter Anstieg von rund 12% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr. Der bereinigte operative Gewinn lag bei rund 108 Mill. Euro – ein Plus von 32%. Der bereinigte Free Cashflow lag 2022/23 bei 85 Mill. Euro und die Ebitda-Marge bei 20,8%. „Für die Dividenden streben wir eine Ausschüttungsquote von 20 bis 30% des bereinigten Nettogewinns an“, sagte Finanzvorstand Adrian Platt. „Die erste Auszahlung planen wir für 2025.“

Markt umfasst 5 Mrd. Euro

Das Volumen des adressierbaren Marktes schätzt Sunrise Medical für den gesamten Rehabilitationsbereich auf 5,2 Mrd. Euro im Jahr 2023 – mit einem Wachstum von jährlich 4,7% bis 2027. „Der Markt für komplexe Rehabilitation, in dem wir drei Viertel vom Umsatz machen, dürfte mit 5,4% noch etwas stärker wachsen“, sagte CEO Babacan. Mittelfristig erwartet das Unternehmen ein währungsbereinigtes jährliches Umsatzwachstum im mittleren bis hohen einstelligen Prozentbereich, die bereinigte Ebitda-Marge soll sich auf einen Wert im unteren bis mittleren 20-%-Bereich belaufen.

In Deutschland ist Nordic Capital, die hierzulande von Rainer Lenhard geführt wird, neben Sunrise Medical vor allem als Eigentümer von Alloheim bekannt. Deutschlands zweitgrößter Altenheimbetreiber hätte vor zwei Jahren eigentlich verkauft werden sollen. Aber das Interesse fiel zu gering aus. Auch die hoch verschuldete Heimpflegefirma GHD Gesundheits GmbH gehört Nordic Capital.

Vor allem Finanzinvestoren kehren derzeit auf den europäischen IPO-Markt zurück, um durch Börsengänge ihre Portfoliofirmen zu versilbern, während der Exit auf anderen Wegen aufgrund der hohen Zinsen schwierig geworden ist. Private-Equity-Firmen werden zudem von ihren eigenen Investoren zunehmend unter Druck gesetzt, Kapital zurückzugeben. Mit dem Börsengang von Sunrise Medical würde sich der Aufschwung am europäischen IPO-Markt in diesem Jahr fortsetzen. Das Umfeld erscheint günstig, weil Zinssenkungen erhofft werden und die Aktienkurse auf Allzeithöchststände gestiegen sind.

Höhere Emissionserlöse als im Vorjahr

Das Volumen der Emissionserlöse in Europa beläuft sich bislang auf 12,4 Mrd. Dollar – doppelt so viel wie im gleichen Zeitraum 2023. Zuvor hatten bereits die spanische Modefirma Puig Brands (2,9 Mrd. Euro Emissionserlös) sowie der Schweizer Hautpflegekonzern Galderma (2,4 Mrd. Euro) aus dem Portfolio der schwedischen Private-Equity-Firma EQT und der Finanzinvestor CVC (2,3 Mrd. Euro) in Amsterdam ihre Debüts erfolgreich über die Bühne gebracht.

IPO-Pipeline gut gefüllt

Auch Deutschland erweist sich als einer der belebteren Orte für Börsengänge in Europa. Als nächste IPO-Kandidaten hierzulande nach dem Panzergetriebehersteller Renk und der Parfümeriekette Douglas gelten die Fernbusfirma Flix (General Atlantic), der Medikamentenhersteller Stada (Bain/Cinven), die Airbag-Tochter des Autozulieferers ZF Friedrichshafen und der Wissenschaftsverlag Springer Nature (BC Partners/Holtzbrinck). Andernorts läuft es schlechter: So hat kürzlich die norwegische Lebensmittelgruppe Jordanes ihr geplantes IPO in Oslo wieder abgeblasen – ebenso wie im April der spanische Autohändler Bergé y Compañía.

Die beiden deutschen Börsengänge, die bisher auf den Markt gekommen sind, wurden indes unterschiedlich aufgenommen. Der Aktienkurs des Parfümhändlers Douglas aus dem Portfolio von CVC ist um ein Viertel gefallen, seit er seinen Börsengang im März mit 890 Mill. Euro Emissionserlös am unteren Ende der Preisspanne angesetzt hat, während der Panzergetriebehersteller Renk aus dem Portfolio von Triton im Februar im zweiten Versuch mit einem Festpreisangebot an den Markt ging und seither drei Viertel zugelegt hat.

Mit dem Börsengang will der Rollstuhlhersteller Sunrise Medical 240 Mill. Euro für den Schuldenabbau einspielen. Der Verschuldungsgrad soll dadurch auf das Zweieinhalbfache des Gewinns sinken. Wie viele Aktien der Finanzinvestor Nordic Capital als Alteigentümer versilbern will, steht noch nicht fest.

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