Oracles Wachstumsstory zeigt Lücken
scd Frankfurt
Der US-Softwarekonzern Oracle ist im vierten Quartal des Ende Mai abgelaufenen Geschäftsjahres in fast allen Bereichen gewachsen. Der Umsatz mit Cloud- und Softwarelizenzen legte um 9% auf 2,14 Mrd. Dollar zu. Die Erlöse aus dem Verkauf von Cloud- und Softwaresupport kletterten um 8% auf 7,39 Mrd. Dollar. Das war eine deutliche Steigerung des Wachstumstempos im Vergleich zu den vorangegangenen neun Monaten.
Das kräftige Wachstum passt in das Narrativ von Oracle. Der US-Konzern hatte in den vergangenen Monaten kräftig in eigener Sache getrommelt. Auch im Bericht zum vierten Quartal berichtete Oracle eine deutliche Wachstumsbeschleunigung für das ERP-System „Fusion“, dessen Erlöse um 46% gestiegen sind, nach 30% im dritten Quartal. Im Markt für Software zur Unternehmenssteuerung (ERP) ist SAP laut Marktbeobachtern mit großem Abstand die Nummer 1. Oracle sieht sich allerdings bei Cloud-ERP-Systemen vor den Walldorfern. Fusion sei die globale Nummer 1, gefolgt von Netsuite – ebenfalls ein Produkt von Oracle. SAP hatte im ersten Quartal per Ende März für das Cloud-ERP-System S/4Hana ein Umsatzwachstum von 36% berichtet.
Das passt scheinbar zur Proklamation der Amerikaner, dem Erzrivalen SAP reihenweise Kunden abspenstig zu machen. Eine Ansage, die in der Firmenzentrale in Walldorf zeitweise für Aufregung gesorgt haben soll. Wie aus Unternehmenskreisen zu hören war, hat sich die Konzernführung um CEO Christian Klein informieren lassen, ob an den wiederholten Behauptungen des US-Wettbewerbers etwas dran sei – nur um festzustellen, dass dem nicht so war.
Ein genauerer Blick auf die Zahlen deutet auch darauf hin, dass die ERP-Software von SAP zuletzt schneller gewachsen ist als die des Erzrivalen. Wechselkursbereinigt kletterte der Umsatz von S/4Hana im ersten Quartal nämlich um 43% und damit fast so schnell wie bei den US-Amerikanern unbereinigt. Die wiederum profitierten kräftig von Wechselkurseffekten durch den schwachen Dollar. Ohne diesen wäre das Wachstum von Oracle konzernweit mit 4% nur halb so hoch ausgefallen. Auch das Ergebniswachstum von unter dem Strich 29% war wesentlich zwei Sonderfaktoren geschuldet. So stieg der operative Gewinn währungsbereinigt nur um 6 statt um 12%. Der restliche Anteil des imposanten Ergebnissprungs war dem Fiskus zu verdanken. Im vierten Quartal lag der Steueraufwand nur bei einem Fünftel der Vorjahresperiode. Im Gesamtjahr stand einem Steueraufwand von gut 1,9 Mrd. Dollar im Vorjahr nun ein Steuerertrag von 747 Mill. Dollar gegenüber – bei knapp 13 Mrd. Dollar Gewinn.
Oracle hatte per Ende Februar aktive latente Steuern in Höhe von 5,8 Mrd. Dollar ausgewiesen. Allein im Geschäftsjahr 2020/21 wurde ein Nettoertragsteuervorteil in Höhe von 2,3 Mrd. Dollar realisiert. Dieser gehe auf eine rechtliche Neuordnung des Konzerns zurück, bei der geistige Eigentumsrechte intern übertragen wurden. Auch im laufenden Turnus rechnet Oracle damit, kräftig von Steuervorteilen zu profitieren. Zusätzliche Details dürfte hierzu aber erst der Geschäftsbericht liefern. Zumindest mit Blick auf die Steuerfrage dürfte der Wettbewerber SAP bei allen Bemühungen, die Zahlungen nicht ausufern zu lassen, nicht mithalten können. In den vergangenen drei Jahren lag die effektive Steuerquote der Walldorfer konstant zwischen 26 und 27%.
Am Mittwoch hatte SAP bei den Anlegern derweil die besseren Karten. Zwar gab die SAP-Aktie um knapp 1% nach. Die in den vergangenen Wochen kräftig gestiegene Oracle-Aktie gab jedoch sogar gut 5% ab.