Insolvenzgefährdete Baywa wird radikal zurechtgestutzt
Baywa wird radikal zurechtgestutzt
Insolvenzgefährdeter Agrarhandelskonzern besinnt sich auf Kerngeschäft zurück − Einschnitt rückt näher − Expansionskurs beendet
sck München
Der insolvenzgefährdete Agrarhandelskonzern Baywa steht vor dem größten Einschnitt in seiner mehr als 100-jährigen Firmengeschichte. Das Sanierungsgutachten der Unternehmensberater von Roland Berger wird zwar erst noch erstellt, es zeichnet sich aber ab, dass das Rettungspaket des Münchner SDax-Mitglieds umfangreicher ausfallen wird als zuvor vom Vorstand geplant. Darauf dringen wohl vor allem die Gläubigerbanken des unter einem Schuldenberg von 11 Mrd. Euro ächzenden, defizitären deutschen Branchenprimus. Die Hälfte davon machen Finanzverbindlichkeiten − überwiegend Bankkredite − aus.
Zur Disposition steht ein bedeutender Teil des Portfolios an Firmenbeteiligungen und Tochtergesellschaften im In- wie im Ausland. Dieses umfasst rund 600 Betriebe des international aufgestellten Konglomerats, welches über 23.000 Beschäftigte zählt. Ob sich die Baywa vom gesamten Geschäft mit Solar- und Windparkanlagen trennt und den neuseeländischen Apfelplantagenbetreiber Turners & Growers veräußert, ist noch nicht endgültig in Stein gemeißelt.
Expansion beendet
Angesicht der dramatischen Lage ist die Equity Story der Baywa zerbröselt. Die Anleger wenden sich in Scharen ab. Der Marktwert des Unternehmens ging von einst 1,64 Mrd. Euro (Ende 2022) auf nunmehr 384 Mill. Euro in den Keller (auf Grundlage der vinkulierten Namensaktien). Zum Wochenauftakt notierte der Titel im Xetra-Handel zeitweise 8% auf 11,06 Euro schwächer. Das Papier setzte seine Talfahrt fort.
Fakt ist, dass die Konzernführung den Expansionskurs des ehemaligen CEO Klaus Josef Lutz (2008 bis März 2023) abrupt beendet hat, um sich auf die Kernaktivitäten zurückzubesinnen. Zu diesen gehören die Geschäftsfelder Agrar (Handel, Technik), Bau (Baustoffe, Baumärkte), Energie (Treibstoffe) und möglicherweise der niederländische Getreidehändler Cefetra. Diese kamen zusammen auf einen Jahresumsatz von 17 Mrd. Euro. Davon entfielen auf die Tochtergesellschaft in Rotterdam 5 Mrd. Euro. (Stand 2023). Das Segment Regenerative Energien (Solar- und Windkraftanlagenprojekte) macht mit nahezu 6 Mrd. Euro ein Fünftel der Konzernerlöse aus.
Alix Partners stellt Koordinator
In Abstimmung mit dem ins Haus geholten Sanierungskoordinator müssen Roland Berger und der Vorstand unter Lutz` Nachfolger, Marcus Pöllinger, einen Rettungsplan erstellen, der die Gläubiger und die beiden Ankeraktionäre überzeugt. Falls die im Gutachten erstellte Fortführungsprognose positiv ausfällt, wäre das die Basis für einen Neuanfang der traditionsreichen Konzerns, der eng mit dem Genossenschaftssektor verbunden ist. Aufgrund der hohen Finanzschulden bei zugleich gestiegenen Marktzinsen bringen drastisch wachsenden Zinsaufwendungen die Baywa-Gruppe in Bedrängnis. Die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens ist in Gefahr.
Im Juni konnte die Baywa eine fällig gewordene Anleihe von 500 Mill. Euro zurückzahlen. Zwei Monate zuvor scheiterte die Firma mit der geplanten Emission eines Bonds von 250 Mill. Euro. Die Baywa sagte dies aufgrund einer geringen Nachfrage ab. Für das Unternehmen war das ein Warnsignal. Laut Geschäftsbericht standen zum Jahresultimo 2023 noch Schuldscheindarlehen von insgesamt 742 Mill. Euro mit einer Restlaufzeit von bis zu einem Jahr zur Rückzahlung aus.
Die größten Eigentümer der Baywa sind die Bayerische Raiffeisen-Beteilgungs AG (BRB, Anteil am Grundkapital von 33,8%) und die RWA Raiffeisen Agrar Invest aus Österreich (28,3%). Hinter der BRB stehen die insgesamt 184 Volks- und Raiffeisenbanken des flächenmäßig größten deutschen Bundeslandes. Nach Informationen der Börsen-Zeitung kommt der Sanierungskoordinator von der Unternehmensberatung AlixPartners.
Vom Eigenkapital-Ziel weit entfernt
Zu den bedeutendsten Gläubigerbanken gehören die genossenschaftliche DZ Bank, die Landesbank LBBW, die Unicredit-Tochter HypoVereinsbank sowie andere Institute wie die Commerzbank, Deutsche Bank und die Raiffeisen Bank International aus Wien. Bei ihnen steht die Baywa mit einem Konsortialkredit von 2 Mrd. Euro in der Kreide.
Bei einer Sanierung müssten zunächst die Kapitalstruktur und die Liquidität so aufgestellt werden, dass die Baywa auf einer stabileren finanziellen Grundlage weiter arbeiten kann. Infolge der überwiegend fremdfinanzierten Zukäufe im zurückliegenden Zinstief bei einer stetig wachsenden Bilanzsumme schrumpfte die Eigenkapitalquote des Konzerns von einst 33% (2009) auf nur noch 12,3% Ende März dieses Jahres. Damit ist die Baywa von ihrem Ziel, dass das Eigenkapital rund 20% der Bilanzsumme ausmachen sollte, weit entfernt. Ein konsequenter Portfolioabbau trüge maßgeblich dazu bei, die zuletzt auf fast 13 Mrd. Euro aufgeblähte Bilanzsumme deutlich zu reduzieren.
Too big to fail
Spekuliert wird, dass die Baywa aufgrund ihrer Systemrelevanz für die Landwirtschaft vor allem in Süddeutschland und in Österreich nicht fallen gelassen werden kann (too big to fail). Wenn man die Genossenschaftsbanken, die von einer „gelebten Solidarität“ in ihren Verbund sprechen, bei Wort nimmt, so dürfte der Konzern auf Stützungshilfen zählen können. Schließlich sind Landwirte, die mit der Baywa in Geschäftskontakt stehen, zugleich auch Kunden der Volks- und Raiffeisenbanken. Der Druck auf die im Kreditrahmen federführende DZ Bank mit Sitz in Frankfurt am Main ist daher hoch.
Bemerkenswert in der Debatte über die Zukunft der Baywa ist, dass die zurückliegende Expansion den Konzern zwar in eine größere Dimension katapultierte, die Profitabilität des Unternehmens sich aber nicht verbesserte. Im Rekordjahr 2022 erzielte die Baywa-Gruppe eine operative Marge (auf Basis des Ergebnisses vor Zinsen und Steuern) von 1,9%. 2023 fiel diese auf 1,3% zurück. Zum Vergleich: 2008, als Lutz den CEO-Posten von seinem langjährigen Amtsvorgänger Wolfgang Deml übernahm, erwirtschaftete der seinerzeit deutlich kleinere Konzern 1,8% (minus 0,2 Prozentpunkte). Zur Erinnerung: damals herrschte die Finanzmarktkrise. Mit einem Jahresumsatz von zuletzt 24 Mrd. Euro ist die Baywa-Gruppe heute nahezu dreimal so groß wie vor 16 Jahren.
Stellenstreichungen
In seinem ursprünglichen Sanierungsplan sah Pöllinger bereits Stellenstreichungen vor. Nun ist zu befürchten, dass der Personalabbau umfangreich ausfällt. Die Gewerkschaft Verdi setzte dieser Tage die Tarifverhandlungen für die in Deutschland tätigen Konzernmitarbeiter aus.
Derweil tritt die Baywa-Führung beim vorgesehenen Verkauf der Solarhandel-Aktivitäten im Ausland auf der Stelle. Grund dafür ist der Preisverfall bei Solarmodulen in Europa. China überschwemmt den Markt. Die Baywa musste Lagerbestände abschreiben. Das sorgte für tiefrote Zahlen.
Das Geschäft mit regenerativen Energien schrieb im zurückliegenden ersten Quartal einen operativen Verlust von 65 Mill. Euro. Das zeigt, auch auf operativer Ebene ist die Baywa weit von ihrer einstigen Bestform entfernt.
Der in eine Schieflage geratene größte deutsche Agrarhandelskonzern Baywa steht vor einem radikalen Schrumpfkurs. Das zum Genossenschaftsverbund gehörende Münchner SDax-Mitglied will sich künftig auf seine Kernaktivitäten konzentrieren. Dreh- und Angelpunkt für die Gläubiger ist das Sanierungsgutachten.