Deutsche Autoindustrie in der Krise

Porsche Holding verbucht zweithöchsten Jahresverlust eines Dax-Unternehmens

Der Rekordverlust von 20 Mrd. Euro der Porsche SE zeigt, wie abhängig die familiendominierte Holding von den Entwicklungen bei Volkswagen und beim Sportwagenbauer Porsche ist. Das wirft erneut die Frage auf, ob die Porsche SE aufgrund ihrer strukturellen Sonderrolle weiter dem Dax angehören sollte.

Porsche Holding verbucht zweithöchsten Jahresverlust eines Dax-Unternehmens

Porsche SE zeigt zweithöchstes Defizit in Dax-Familie

Abschreibungen von über 23 Mrd. Euro verdeutlichen hohe Abhängigkeit der Holding von Volkswagen und Sportwagenbauer Porsche – 20 Mrd. Euro Verlust

Von Stefan Kroneck, München

Die Krisen von Volkswagen und dem Sportwagenbauer Porsche schlagen beim Großaktionär, der von den Familien Porsche und Piëch dominierten Porsche Automobil Holding SE, ins Kontor. Wenige Tage vor den Bilanzvorlagen des Wolfsburger Mehrmarkenkonzerns (am Dienstag, 11. März) und seiner Stuttgarter Edelmarkentochter (Mittwoch, 12. März) teilte die ebenfalls im Stuttgart-Zuffenhausen residierende Beteiligungsgesellschaft am vorigen Freitagabend nach Handelsschluss ad hoc mit, dass Buchwertabschreibungen auf die beiden Kernpakete 2024 zu einem Nettoverlust von 20 Mrd. Euro führen. Bereits zuvor warnte der schwäbische VW-Mehrheitsaktionär (nach Stimmrechten) in seinen Pflichtmitteilungen von Mitte Dezember und Anfang Februar vor einem erheblichen Defizit infolge der Wertberichtigungen. 2023 hatte die Porsche SE noch einen Gewinn von 5,1 Mrd. Euro erzielt.

Aufgrund dieser Vorwarnungen fiel die Reaktion der Anleger auf diese Hiobsbotschaft nicht so heftig aus wie sonst in solchen Fällen üblich. Am Montag büßte die Aktie der Porsche SE im frühen Xetra-Handel zeitweise 1% ein, drehte später sogar ins Plus und notierte 1,9% fester auf 39,68 Euro. Infolge der Turbulenzen bei den beiden Dax-Autowerten geriet auch der Titel der rund 50 Personen umfassenden Beteiligungsholding zuletzt deutlich unter Druck.

Deutsche Telekom hält rote Laterne

Nach Recherchen der Börsen-Zeitung ist der ausgewiesene Jahresfehlbetrag der Porsche SE der zweithöchste eines Mitglieds des Dax bzw. eines börsennotierten deutschen Unternehmens überhaupt. Aufgrund von Abschreibungen verzeichnete die Deutsche Telekom 2002 einen Verlust nach Steuern von nahezu 25 Mrd. Euro. Der Gasimporteur Uniper verbuchte 2022 ein Defizit von über 19 Mrd. Euro infolge eines Preisschocks nach Ausbruch des Ukraine-Krieges. Uniper musste zu ihrer Rettung verstaatlicht werden.

Im Gegensatz dazu kann von einer drohenden Existenzkrise der Porsche SE keine Rede sein. Das Unternehmen schreibt zwar davon, dass die Wertberichtigungen nicht zahlungswirksam seien, allerdings schmälert der Verlust das Konzerneigenkapital. Ende 2023 betrugen die Eigenmittel über 55 Mrd. Euro. Per Ende September 2024 wuchsen diese auf fast 57 Mrd. Euro. Das entsprach 89% der Bilanzsumme. Das heißt, das Unternehmen kann die Sonderlasten bilanziell gut verdauen. Die Porsche SE veröffentlicht ihre Bilanz für 2024 am 26. März. Trotz des deutlichen Rückschlags will die Holding nach wie vor eine Dividende zahlen.

Große Abhängigkeit

Die Sonderbelastungen verdeutlichen allerdings, wie abhängig die Porsche SE von den Entwicklungen ihrer beiden Kernbeteiligungen ist. Faktisch ist die Holding ein Spiegelbild von VW und Porsche. Zwar sollte der kreditfinanzierte Einstieg beim Sportwagenbauer vor drei Jahren dazu beitragen, dass Portfolio schrittweise zu diversifizieren. Dadurch, dass sowohl die Wolfsburger als auch die Zuffenhausener zur gleichen Zeit operativ schwächer wurden, verstärkten sich aber automatisch die Abschreibungseffekte. Neben den beiden Hauptpaketen hält die Porsche SE Anteile an einigen Start-ups im Mobilitätsbereich, darunter am Fernbuslinienbetreiber Flix. Diese Aktivitäten will die Porsche SE erweitern. Das wird aber nicht dazu führen, dass sich die Kernpakete irgendwann marginalisieren lassen. Aufgrund dieser strukturellen Besonderheit in Bezug auf den Eigentümerkreis und auf das Geschäftsmodell nimmt die Porsche SE im Dax eine Sonderrolle ein. Mancher fragt sich daher, was die Porsche SE überhaupt im deutschen Leitindex zu suchen hat.

Dickster Brocken kommt von VW

Die größte Belastung für die Porsche SE kommt im aktuellen Fall von VW. Allein diese Beteiligung brockt der Holding eine Buchwertabschreibung von 19,9 Mrd. Euro ein. Die Porsche SE hält 53,3% der Stimmrechte des Dax-Riesen aus der niedersächsischen Tiefebene. Der Anteil an der Porsche AG sorgte für eine Abschreibung von 3,4 Mrd. Euro. Die Beteiligungsgesellschaft hält 25% plus eine Aktie an den Stimmen der Sportwagenherstellers.

VW unter Regie von Doppel-CEO Oliver Blume befindet sich in einem radikalen Umbauprozess. Nach empfindlichen Dämpfern im Absatz und in der Gewinnmarge will die VW AG mehr als 35.000 Stellen streichen. Die Porsche AG, die Blume in Personalunion weiter führt, befindet sich ebenfalls in einer Krise. Der Absatz schrumpft, die Gewinnmarge ebenso. Die Luxusautoschmiede beschloss, 1.900 Arbeitsplätze abzubauen.

Zwang zu Wertberichtigungen

Vor diesem Hintergrund war die Porsche SE gezwungen, Abschreibungen in Milliardenhöhe vorzunehmen.

Abschreibungen auf die beiden Kernbeteiligungen sind nötig, wenn der Marktwert unterhalb des At-Equity-Buchwerts der Anteile liegt und beide Autohersteller laut Porsche SE „nachhaltig Ergebnisrückgänge“ verzeichneten. So steht es im Geschäftsbericht 2023 des Unternehmens.

Die Beteiligungen an der VW AG und an der Porsche AG bilden die langfristigen Vermögenswerte in der Bilanz der Porsche SE von insgesamt 62,3 Mrd. Euro (Stand Ende 2023). Davon macht den Löwenanteil laut dem Geschäftsbericht VW mit 51,5 Mrd. Euro aus. Auf die Porsche AG entfallen 10,5 Mrd. Euro. Aufgrund des ermittelten Abschreibungsbedarfs von insgesamt 23,3 Mrd. Euro reduzierten sich die langfristigen Vermögenswerte per Ende 2024 auf 38,7 Mrd. Euro. Das heißt, der Wert der VW AG verminderte sich auf 31,6 Mrd. Euro, der der Porsche AG auf 7,1 Mrd. Euro.

Weiterer Abschreibungsbedarf denkbar

Der Marktwert der VW-Beteiligung betrug Ende vorigen Jahres 12 Mrd. Euro, der des Porsche-Pakets 4 Mrd. Euro. Das heißt, auch nach den Wertberichtigungen würden die Buchwerte weiterhin über den Marktwerten liegen. Das impliziert einen möglichen weiteren Abschreibungsbedarf, sollte die schlechte operative Lage in diesem Jahr andauern und sich das in den Aktienkursen widerspiegeln.

In der Regel nimmt die Porsche SE die Prüfung der Werthaltigkeit ihrer strategischen Kernbeteiligungen kurz vor einem Jahreswechsel vor. Vor über einem Jahr verneinte das Unternehmen noch einen Abschreibungsbedarf. Jetzt, mitten in der heißen Phase der Bilanzabschlüsse 2024, ist dieser sehr hoch. Abschlussprüfer der Porsche SE ist Grant Thornton mit Sitz in Düsseldorf.

Der Rekordverlust von 20 Mrd. Euro der Porsche SE zeigt, wie abhängig die familiendominierte Holding von den Entwicklungen bei Volkswagen und beim Sportwagenbauer Porsche ist. Das wirft erneut die Frage auf, ob die Porsche SE aufgrund ihrer strukturellen Sonderrolle weiterhin dem Dax angehören sollte.

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