Finanzinvestoren

Private Equity greift trotz Fremdbesitzverbot nach Beraterfirmen

In Deutschland dürfen Finanzinvestoren nicht direkte Eigentümer von Wirtschaftsprüfern, Rechtsanwaltskanzleien oder Steuerberatungen sein. Doch gibt es Umwege. Dass Private Equity am Beratergeschäft stark interessiert ist, zeigt aktuell die Übernahme des Start-ups Sevdesk durch Silver Lake.

Private Equity greift trotz Fremdbesitzverbot nach Beraterfirmen

Private Equity ergreift Beraterfirmen durch Hintertür

Buchhaltungs-Start-up Sevdesk geht an Silver-Lake-Portfoliofirma Cegid – Kanzlei Noerr erwartet bald mehr solcher Deals trotz Fremdbesitzverbot

Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt

Das Fremdbesitzverbot, das die Beteiligung reiner Finanzinvestoren an Anwalts-, Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsunternehmen in Deutschland untersagt, hält Private-Equity-Firmen nicht davon ab, sich immer stärker in solchen und benachbarten Branchen mit Investments zu engagieren. Ein Weg dazu ist die sogenannte EU Holding.

Jüngstes Beispiel für das wachsende Engagement von Private Equity im Beratungssektor ist die am Montag bekannt gewordene Übernahme der deutschen Firma Sevdesk. Das Start-up aus Offenburg, das Buchhaltungs- und Steuerberatungssoftware anbietet, wird vom französischen Konkurrenten Cegid übernommen. Eigentümer der französischen Firma ist der US-Finanzinvestor Silver Lake. Sevdesk unterliegt nicht dem Fremdbesitzverbot, weil die Firma nicht selbst Steuerberatungsdienstleistungen erbringt, sondern nur bei Bedarf an einen Pool von Steuerberatern vermittelt. Ziel ist offenbar, einen neuen Konkurrenten für das genossenschaftliche Softwarehaus Datev aus Nürnberg aufzubauen, das Services für Steuerberater anbietet.

EuGH bekräftigt Fremdbesitzverbot

Aber auch in Beratungsfeldern, die in Deutschland dem Fremdbesitzverbot unterliegen, sind indirekte Private-Equity-Beteiligungen durchaus möglich und mit mehreren Deals, die derzeit vorbereitet werden, sogar im Kommen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte zwar Mitte Dezember 2024 das Verbot von Beteiligungen reiner Finanzinvestoren an freiberuflichen Dienstleistungsunternehmen und insbesondere an Anwaltskanzleien bekräftigt. Aber laut Christian Alexander Mayer, Partner der Kanzlei Noerr, verbietet das Urteil „nicht generell Investitionen in regulierte Unternehmen, zum Beispiel über eine EU-Holdingstruktur“. „Unsere Erfahrung in diesem Bereich zeigt, dass diese Investitionen zwar komplex sein können, aber mit einem umfassenden Verständnis der geltenden Vorschriften und möglichen EU-Strukturen durchaus machbar sind“, sagt Mayer.

EU Holding macht’s möglich

Ein Beispiel für eine indirekte Beteiligungsstruktur ist die EU Holding, die eine Beteiligung in Deutschland trotz Fremdbesitzverbot ermöglicht. So wurde beispielsweise weltweit die Beratungsfirma Vialto Partners aus der Unternehmensberatung PwC ausgegliedert und an den Finanzinvestor Clayton Dubilier & Rice verkauft. Die Private-Equity-Firma führt Vialto als Beteiligung in der Rubrik „Technologieunternehmen“. Das Geschäftsmodell von Vialto ist die weltweite juristische und steuerliche Beratung bei der Entsendung von Mitarbeitern ins Ausland.

Dass Private Equity an Beteiligungen im Beratungsgeschäft stark interessiert ist, steht außer Zweifel. Im Dezember hatte Cinven den Wirtschaftsprüfer Grant Thornton UK übernommen. Die Zweige von Grant Thornton in den USA und Irland waren schon vorher an Private Equity verkauft worden. In Deutschland ist KKR bereits Mehrheitseigentümer der strategischen Kommunikationsberatung FGS Global, die wiederum die meisten großen US-Private-Equity-Firmen bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland berät.

„Das EU-Holding-Modell greift den Grundgedanken auf, dass auch Berufsträger wie Anwälte, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer aus anderen EU-Ländern ohne Verstoß gegen das Fremdbesitzverbot in Deutschland an Beratungsfirmen beteiligt sein können“, erklärt Anwalt Mayer. „Es gibt also die Möglichkeit, dass ein Finanzinvestor bspw. an einer niederländischen Beratungsfirma beteiligt ist, die wiederum Anteile an einer deutschen Beratungsfirma hält.“ Ohnehin wird mit dem Fremdbesitzverbot nur das Eigentum an solchen Gesellschaften beschränkt. Davon unberührt ist die sowieso bestehende Regulierung bei Interessenkonflikten bei der Mandatsaufnahme oder bei der Governance. So müssen die Mehrheit der Personen in der Geschäftsführung weiterhin Berufsträger sein.

KI verwischt Branchengrenzen

„In Zukunft wird die Digitalisierung unter Einsatz künstlicher Intelligenz die Beraterbranchen weiter stark verändern“, sagt Mayer. „Zum einen brauchen Beratungsunternehmen hohe Investitionen in künstliche Intelligenz, um im Wettbewerb weiter bestehen zu können. Zum anderen verschwimmen zusehends die Grenzen zwischen Beratungs- und Softwaregeschäft.“ Ein Beispiel dafür ist der Flugentschädigungs-Dienstleister Flightright, der künstliche Intelligenz in der Beratung einsetzt. Insofern könnte auch das Fremdbesitzverbot in Deutschland eines Tages fallen, weil es nicht kohärent erscheint. Schon jetzt hatten viele Beobachter erwartet, der EuGH werde die Regelung mit Bezug auf Anwaltskanzleien kippen.

Frühere Warth & Klein außen vor

Diskutiert wurde hierzulande zuletzt anhand von Grant Thornton International. Der in den USA gegründete Wirtschaftsprüfer ist ein weltweites Netzwerk aus rechtlich separaten Firmen. Insofern ist die Grant Thornton AG (ehemals Warth & Klein) in Deutschland, die hierzulande zu den Top10 der Branche zählt und sich im Eigentum der Partner befindet, nicht von der Übernahme der Grant Thornton UK durch Cinven betroffen.

Laut dem Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW) ist zwar europarechtlich „die unmittelbare Beteiligung von reinen Finanzinvestoren an Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in bestimmten Grenzen zulässig“, wie der Berufsverband auf Anfrage erklärte. „In Deutschland ist dies indes nicht zulässig“, sagt IDW-Vorstandssprecherin Melanie Sack.

Wer Eigentümer sein darf

Gemäß §28 Absatz 4 Wirtschaftsprüferordnung (WPO) können Gesellschafter hierzulande ausschließlich Berufsangehörige, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, EU-Abschlussprüfer oder andere Personen sein, mit denen Wirtschaftsprüfer ihren Beruf gemeinsam ausüben dürfen. Das IDW spricht sich dafür aus, den Gesellschafterkreis von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zumindest um sogenannte mitarbeitende Experten zu erweitern. Dies könnten etwa Spezialisten aus den Bereichen ESG oder Digitalisierung sein.

In Deutschland dürfen Finanzinvestoren nicht direkte Eigentümer von Wirtschaftsprüfern, Rechtsanwaltskanzleien oder Steuerberatungen sein. Doch gibt es Umwege. Dass Private Equity am Beratergeschäft stark interessiert ist, zeigt die aktuelle Übernahme des Offenburger Start-ups Sevdesk durch Silver Lake.

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